Vor einigen Jahren fühlte sich Daimler von Prevent erpresst und kündigte Verträge. Nun verlangt der Zulieferer Schadenersatz.

Stuttgart - Der Wolfsburger Autoriese VW hat seinen Mega-Konflikt mit den beiden zur bosnisch-slowakischen Prevent-Gruppe gehörenden Zulieferern ES Automobilguss und Car Trim nach harten Verhandlungen beigelegt. Der Stuttgarter Daimler-Konzern dagegen hat weiter Streit mit dem Zulieferer Prevent DEV. Zwischen beiden Fällen gibt es einigen Parallelen, allerdings ist die Dimension bei Daimler deutlich geringer. Wie beim Wolfsburger Autoriesen geht es auch in dieser bereits seit einigen Jahren laufenden Auseinandersetzung um Sitzbezüge. Zudem steht das Thema Lieferstopp im Mittelpunkt einer juristischen Auseinandersetzung, deren Ende nicht in Sicht ist. Daimler fühlte sich damals offenbar erpresst und befürchtete, dass die Produktion wichtiger Modelle bei einem Ausfall dieses Zulieferers zum Stillstand kommen könnte.

 

Dies zeigt ein Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom Januar dieses Jahres, der unserer Zeitung vorliegt. Danach lieferte Prevent seit 2012 Sitzbezüge für die S- und E-Klasse von Mercedes-Benz sowie für den CLS. Produziert wurden die Bezüge allerdings von einem Partner dieses Unternehmens.

Prevent verlangt Fortsetzung der Belieferung

Nach erfolglosen Verhandlungen über Preise, Verlustübernahmen und eine Verlagerung der Produktion kündigte der Zulieferer Mitte Dezember 2013 plötzlich die Verträge und bot eine Fortsetzung zu neuen Konditionen an. Im Februar 2014 wurde eine neue Vereinbarung abgeschlossen, in der Daimler dem Zulieferer „in weitem Umfang entgegenkam“, wie es in den Gerichtsunterlagen heißt. Unter anderem wurde die Fortsetzung der Belieferung „für die feste Dauer von zunächst drei Jahren“ festgelegt. Außerdem stimmte Daimler der Verlagerung der Produktion an einen anderen Standort zu.

Ein halbes Jahr später focht der Autobauer die Vereinbarung wegen „widerrechtlicher Drohung“ an. Das Papier sei „unter dem Eindruck der Drohung mit einem Lieferstopp unterzeichnet worden“, argumentierte der Autobauer und kündigte die Einkaufsverträge. Der angedrohte Lieferstopp, so Daimler, hätten binnen weniger Tage zu einem Produktionsstillstand bei mehreren Baureihen und einem täglichen Schaden in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags geführt. Erst nach einem halben Jahr konnte nach Darstellung von Daimler ein anderes Unternehmen die Sitzbezüge liefern – und war somit die Trennung von Prevent möglich. Prevent zog daraufhin vor das Stuttgarter Landgericht und verlangte per einstweiliger Verfügung die Fortsetzung der Belieferung. Es habe keine widerrechtliche Drohung gegeben, widersprach der Zulieferer dem Autobauer.

Der Zulieferer will 40 Millionen Euro Schadenersatz

Damit drang Prevent jedoch nicht durch. Daraufhin zog das Unternehmen vor das Stuttgarter Oberlandesgericht. Bevor dieses über eine einstweilige Verfügung entscheiden konnte, hatte sich die Sache erledigt, weil der Partner, der die Sitzbezüge produziert hatte, mittlerweile pleite gegangen war. Das Oberlandesgericht entschied somit nur noch, dass Prevent die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Der Zulieferer gab nach der Niederlage jedoch nicht klein bei, sondern strengt jetzt eine Hauptverhandlung in Braunschweig an. Nach Angaben des dortigen Landgerichts fordert er von Daimler knapp 40 Millionen Euro Schadenersatz.

„Wir sind zuversichtlich, dass die Forderung als unbegründet abgewiesen wird“, sagt eine Sprecherin des Autokonzerns und fügt hinzu, dass Daimler trotz der juristischen Auseinandersetzung weiterhin Geschäfte mit der Prevent-Gruppe mache – allerdings in geringem Umfang. Von Prevent war bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.

Am 8. November treffen sich beide Parteien wieder vor Gericht. Zunächst einmal muss in Braunschweig indes die Frage geklärt werden, welches Gericht eigentlich zuständig ist. Gut möglich, dass der Rechtsstreit wieder in Stuttgart landet.