Bosch trotzt der Coronakrise Milliardenaufträge für E-Mobilität

Wegen des Technologiewandels in der Branche wechseln Beschäftigte aus dem Verbrennerbereich bei Bosch in den Bereich E-Mobilität – allein 2020 waren es mehr als 500. Foto: Bosch

Der Stuttgarter Bosch-Konzern verbucht trotz der Pandemie zweistellige Umsatzzuwächse im ersten Quartal 2021. In der Brennstoffzelle sieht der Autozulieferer große Chancen. Wachstumstreiber sollen auch Produkte rund um die Vernetzung sein.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Stuttgart - Trotz der dritten Coronawelle ist Bosch glänzend ins Jahr 2021 gestartet. Im ersten Quartal lag der Bosch-Umsatz um rund 17 Prozent höher als im Jahr zuvor. Trotz Unwägbarkeiten – allen voran die Lieferengpässe bei Halbleitern, die sich massiv auf den Bosch-Konzern und dessen Autokunden auswirken – gibt sich Bosch-Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer für 2021 zuversichtlich. Er rechnet mit einem Umsatzanstieg um rund sechs Prozent und einer weiteren leichten Verbesserung des Ergebnisses, allerdings gebe es auch „erhebliche Belastungen durch Restrukturierungskosten“. Zahlen nannte er nicht.

 

„Gegenwind wird zu Rückenwind, wenn man sich konsequent ausrichtet“, sagt Bosch-Chef Volkmar Denner bei der Pressekonferenz via Internet und spricht von „einer der spannendsten Zeiten“ in der Geschichte des Unternehmens. Sensoren von Bosch sind derzeit beispielsweise bei der Nasa-Mission auf dem Roten Planeten unterwegs und helfen, den Mars-Roboter zu stabilisieren. Ein Beleg für die breite Aufstellung des Konzerns, die hilft.

Vier Millionen vernetzte Geräte im Haus

Viel verspricht sich Bosch vom Megatrend Vernetzung und will seinen Wettbewerbsvorsprung durch Erfahrungen in der Kombination vom Internet der Dinge (IoT) mit Künstlicher Intelligenz (KI, englisch: AI) für künftiges Geschäft nutzen und zum führenden AIoT-Unternehmen werden, wie Denner sagt. Wesentlicher Wachstumstreiber sei die Künstliche Intelligenz – die weit über das Fahrzeug hinausgeht.

Der Absatz vernetzbarer Geräte für den Wohnbereich, wie etwa Hausgeräte, Elektrowerkzeuge oder Heizungen, soll sich in diesem Jahr von vier auf rund acht Millionen verdoppeln. Mit KI-fähigen Produkten werde man in den nächsten Jahren einen Milliardenumsatz erreichen, so Denner. Darüber hinaus will der Stuttgarter Technologiekonzern Daten zur Nutzung seiner Produkte mittels Künstlicher Intelligenz auswerten und über entsprechende Software-Updates neue Funktionen und Dienstleistungen für den Kunden schaffen. „Die Vernetzung der Dinge führt zu Wissen über die Verwendung der Dinge“, sagt der Bosch-Chef. „Damit können wir unsere Produkte immer weiter verbessern, auf dem neuesten Stand halten und unseren Kunden einen größeren Nutzen bieten.“

Aufträge für E-Mobilität über 20 Milliarden Euro

In Sachen Klimaschutz gibt der Konzern weiter Gas. Die Elektromobilität wird für Bosch mehr und mehr zum Kerngeschäft. Bis Ende 2020 hat der Konzern bereits Aufträge im Wert von 20 Milliarden Euro akquiriert. Der Umsatz soll sich bis 2025 auf rund fünf Milliarden Euro verfünffachen. Vom Jahr 2024 an will Bosch damit auch Gewinn machen, dann sollen sich die Vorleistungen für E-Mobilität von bislang fünf Milliarden Euro auszahlen. „Die Elektromobilität ist damit keine Wette auf die Zukunft mehr“, sagt Denner.

Rein strombasierte Elektrifizierung hat für Bosch allerdings Grenzen – sowohl im Verkehr als auch in Gebäuden. Deshalb setzt man auch auf die Brennstoffzelle, die Wasserstoff in Strom umwandelt. Von 2021 bis 2024 investiert der Konzern gut 600 Millionen Euro in den Brennstoffzellenantrieb, für Brennstoffzellen-Kleinkraftwerke nochmals 400 Millionen Euro.

Bosch antworte auf den Klimaschutz nicht nur technologieoffen, sondern auch geschäftlich offensiv, sagt Denner. Schon in diesem Jahr werde man 100 Anlagen mit der stationären Brennstoffzelle in Betrieb nehmen, etwa um Rechenzentren, Industriebetriebe und Wohnquartiere mit Strom zu versorgen. Erst kürzlich hat Bosch ein Joint Venture in China geschlossen, um Brennstoffzellen-Lkws auf die Straße zu bringen.

„So ehrgeizig wie die erste Mondlandung“

Von der Politik fordert der Bosch-Chef mehr Technologieoffenheit. Klimaneutrale Mobilität sei so ehrgeizig wie die erste Mondlandung. Der damalige Präsident Amerikas, John F. Kennedy, habe das Ziel ausgegeben, aber die Entwicklung den Ingenieuren überlassen. „Die EU-Kommission läuft Gefahr, es umgekehrt zu machen. Mit ihrer Politik, die faktisch auf ein Technologie-Monopol hinausläuft, wäre schon die Mondlandung nicht gelungen. Heute schneidet sie mögliche Pfade zum Klimaschutz ab.“ Man dürfe die verschiedenen Technologien nicht gegeneinander ausspielen, sondern solle sie kombinieren. „Ohne Wasserstoffwirtschaft jedenfalls wird Europa nicht klimaneutral“, so Denner.

Im vergangenen Jahr ist der Bosch-Umsatz um 6,4 Prozent auf 71,5 Milliarden Euro eingebrochen. Das Ergebnis fiel dennoch positiv aus, war aber auch durch Restrukturierungsaufwendungen belastet. Der Strukturwandel bedingt, dass beim Verbrenner Stellen abgebaut und bei alternativen Antriebstechnologien aufgebaut werden.

Jobabbau auch in Frankreich

Von den weltweit 395 000 Mitarbeitern sind rund 229 000 in der Mobilitätssparte beschäftigt. Im Bereich Elektromobilität wurden mehr als 1000 Stellen geschaffen, über die Hälfte davon kam aus dem Verbrenner-Geschäft. Bei der Brennstoffzelle in Fahrzeugen steigt die Mitarbeiterzahl weltweit allein in diesem Jahr von 600 auf nahezu 1100, für die stationäre Anwendung wird sie sich auf gut 500 verdoppeln. Mehr als 90 Prozent dieser Stellen könne man intern besetzen, vor allem mit Mitarbeitern aus der Antriebssparte.

An vielen Standorten gibt es Betriebsvereinbarungen, um den Strukturwandel sozial verträglich zu schaffen. Im französischen Rodez, einem Werk für Diesel-Einspritzpumpen, sollen mehr als die Hälfte der 1200 Stellen gestrichen werden.

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