Am 31. August jährt sich der Tod der Prinzessin von Wales zum 20. Mal. Seitdem hat sich das britische Königshaus modernisiert – doch noch immer hängt ihr „Fluch“ über den Royals.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Ich wünschte, ich hätte dir zu Lebzeiten sagen können, wie sehr ich dich liebe“, hat Emma in Schönschrift auf eine Grußkarte geschrieben. „Ich werde dich immer lieben, Diana. Ich vermisse dich jeden Tag.“ Tanya kann „gar nicht glauben, dass es schon zwanzig Jahre her sein soll, dass du nun nicht mehr bei uns bist“. Und Deborah hat ihr „englischen Lavendel aus meinem Garten“ mitgebracht: „Diana, Rose von England – du fehlst uns so sehr.“ Die Karten und die in Zellophan gewickelten Blumen zittern leicht in der Brise, die durch den Park von Althorp weht an diesem Sommernachmittag. Wehmütige Besucherinnen haben sie abgelegt auf einer blauen Sitzbank vor einer Art Tempel am oberen Ende des kleinen, ovalen Sees. Auf dem Inselchen mitten im See liegt die offenbar noch immer schmerzlich vermisste „Königin der Herzen“ so vieler Briten begraben.

 

Der Park samt dem Grafensitz gehört Dianas Bruder, dem neunten Earl Spencer. Der Earl hat darauf bestanden, dass seine Schwester hier ihre letzte Ruhestatt findet: Fern der Schlösser und Paläste der Windsors, im alten Familienbesitz. Althorp liegt nordwestlich von Northampton, eineinhalb Autostunden von London entfernt. Für ein paar Stunden am Nachmittag öffnet der Graf den Park für Besucher. 18,50 Pfund (etwa 20 Euro) kostet das Vergnügen. Und auch wenn der Pilgerzug der Diana-Fans spärlicher geworden ist, reißt er auch nach 20 Jahren nicht ganz ab. Ein Paar aus dem nahen Derby erklärt, warum: „Hier fühlt man sich ihr nah. Wir beide haben sie immer bewundert. Sie hat sich couragiert gegen die Royals, gegen die Krone aufgelehnt.“ Vier Besucherinnen aus der Stadt Leicester fotografieren einander an der Gedenkstätte. Eine wischt sich eine Träne aus dem Auge. „Wir“, sagen sie, „kommen alle paar Jahre um diese Zeit hierher.“

Die Diana-Kultstätte hat ihren Bruder von dem finanziellen Ruin bewahrt

Der „einzigartigen“ und „unersetzlichen“ Diana hat ihr Bruder den Tempel gewidmet. Die Höflichkeit der Besucher Althorps gebietet, dass niemand viel sagt über den Earl. Die meisten kennen den Hintergrund der Geschichte: Dass Spencer seine Schwester nicht bei sich aufnehmen wollte, als sie sich von Prinz Charles, dem Thronfolger, trennte. Erst als sie am 31. August 1997 bei jenem Autounfall in Paris ums Leben kam, begriff der Earl, dass er sie, eine gebürtige Spencer, für sich reklamieren musste: Die Umwandlung seines Anwesens in eine Diana-Kultstätte hat ihn, wie man hört, vor dem finanziellen Ruin bewahrt.

Im kleinen Diana-Museum in den Stallungen von Althorp sieht man grobkörnige Filmaufnahmen aus den Tagen und Nächten kurz nach Dianas Tod. Noch einmal bekommt man dort zu sehen, wie sich Tausende Trauernder in jenem unerwarteten Ausbruch an Emotionen vor Kensington Palace und an den Toren des Buckingham Palace drängten, mit Kerzen, mit Sträußen, mit ihrem offenkundigen Schmerz.

Die TV-Dokumentationen zum 20. Todestag rühren die Erinnerungen nochmal auf

Als „die Re-Tweets jener Ära“ bezeichnen Historiker heute die Zeitungsseiten in den September-Abenden von 1997 in London. Noch hatte ja nicht jeder ein Mobiltelefon. Eine Million Menschen drängte sich damals in den Straßen, um Diana das letzte Geleit zu geben. 32 Millionen, die Hälfte der Bevölkerung, verfolgte das Geschehen allein im Vereinigten Königreich live im Fernsehen. Es war eine denkwürdige Zeit. Wie lange das alles zurückliegt, der Schock über Dianas Tod, das Schweigen der Windsors, der Verdacht, „das Establishment“ habe die unbequeme Prinzessin „um die Ecke gebracht“ – all das wird einem beim Betrachten der Archivbilder bewusst.

Auch all die neuen Fernsehdokumentationen, die nun anlässlich des 20. Todestags ausgestrahlt werden, rühren solche Erinnerungen auf. Noch einmal wird Diana lebendig als die verwundbare junge Ehefrau des Kronprinzen, die sich wegen der Lieblosigkeit ihres Mannes und wegen Mangels an Verständnis seitens der königlichen „Firma“ krank hungerte. Nach 20 Jahren nahm sie, mit erbarmungslosen Enthüllungen zur besten BBC-Sendezeit, ihre Rache an Charles und an der Schwiegermama. Vor allem der letzte dieser Filme in Channel 4 „Diana: In ihren eigenen Worten“ hat den Kronprinzen noch einmal als herzloses Monster und seine heutige Gattin Camilla als ewige Dritte im Bunde, als düsteren Schatten über Dianas Ehe, charakterisiert. Von ihrem Versuch, die Königin um Hilfe anzugehen, berichtet Diana in dieser Dokumentation, „die Top-Lady“ habe nichts anderes zu sagen gewusst, als dass ihr Ältester „halt hoffnungslos“ sei.

Die mit nur 36 Jahren verstorbene Prinzessin kommt nicht zur Ruhe

Die Channel-4-Dokumentation hat so hohe Wellen geschlagen in den letzten Wochen, weil die privaten Aufnahmen, die ein Stimmtrainer von Diana 1993 machte, bisher noch nie in Großbritannien zu sehen gewesen sind. Es war, als sei Diana für zwei Stunden von den Toten zurückgekommen, nur um den Windsors noch einmal ordentlich Angst einzujagen. Zur Ruhe kommt die mit nur 36 Jahren verstorbene Prinzessin nicht. Diesen August, in Erwartung des näher rückenden Jahrestags, haben Elizabeth, Philip, Charles und Camilla bang die Köpfe eingezogen. Nur William und Harry haben, in eigenen Fernsehinterviews, der Mutter offen und öffentlich nachgeweint.

Dabei findet sich das Haus Windsor keineswegs mehr so belagert wie noch vor 20 Jahren. Der Zorn vieler „Untertanen“ Elizabeths ist über die Jahre hin weitgehend verrauscht. Die 91-jährige Monarchin hat sich, schon für ihre erstaunliche Ausdauer und ihr Pflichtbewusstsein, eine Menge Bewunderung selbst unter Republikanern eingehandelt. Charles und Camilla haben es geschafft, ihr Boot in relativ ruhige Gewässer zu lenken. Gelegentlich werden sie verglichen mit einem ältlichen Paar auf einer teuren Kreuzfahrt: Wer missgönnt ihnen das schon? Immerhin wird auch Charles bald 70. Neuerdings macht sich der Thronfolger sogar wieder Hoffnungen, dass seine zweite Frau, die auch Gefährtin seiner frühen Jahre war, sich eines Tages Königin Camilla wird nennen dürfen.

Die Royals haben aus der Diana-Katastrophe und anderen Krisen ihre Lehren gezogen

Ein solcher Gedanke war in der Zeit der Trauer um Diana völlig tabu. Aus der Diana-Katastrophe und aus ihren anderen Krisen der 90er Jahre haben die Royals ihre Lehren gezogen. Sie haben sich seit 1997 gehütet, im Bereich der öffentlichen Meinung jemals wieder „auf der falschen Seite“ zu stehen. Sie haben eine erfolgreiche PR-Strategie entwickelt. Und sie haben sich, soweit möglich, modernisiert. Vor allem haben sie, so die „Guardian“-Kolumnistin Suzanne Moore, alles darangesetzt, „Hochzeitsmaterial“ beizuschaffen, das „nicht so explosiv“ sein sollte wie Diana: „Kate, fotogen, eher fad und fast stumm, bot die entsprechende Sicherheit.“ Kate Middletons Studenten-Liebelei und ihr Eheschluss mit Prinz William, die Geburt der beiden Kinder und die wachsende Popularität Prinz Harrys haben das meiste zum neuen Hochglanz der Royals beigetragen.

Der jüngeren Generation der Royals sei es gelungen, „das Image unserer Monarchie entscheidend zu verändern“, sagt Rosie Nixon, die Chefredakteurin des legendären „Hello!“-Magazins. Allein Kate, die Herzogin von Cambridge, habe „einen phänomenalen Effekt“. Und William und Harry seien einfach fabelhaft. Die beiden Söhne Dianas haben mit ihrer Offenheit und Ungezwungenheit viele ihrer Landsleute für sich eingenommen.

Die Söhne haben mit ihrer Zugänglichkeit und Emotionalität viele Fans gewonnen

Mit ihrem informellen Stil, ihrer Zugänglichkeit und ihrer Emotionalität haben sich die Söhne als direkte Nachfahren der mütterlichen Seite gezeigt. Wie Diana haben sie kein Problem damit, sich auch physisch „unter die Leute“ zu mischen. Wie Diana haben sie sich karitativen Aufgaben verpflichtet, die nicht dem konventionellen Muster folgen. So unterstützen sie etwa den Kampf gegen Depressionen und seelische Krankheiten – unter ausdrücklichem Verweis auf den eigenen Mutterverlust und auf die damalige Unfähigkeit zu trauern.

Allerdings wissen die beiden Prinzen auch genau, wo die Grenzen liegen. Sie wollen Teil des Establishments, Pfeiler des Königshauses, brave Windsors sein. Der Königin, ihrer Großmutter, setzen sie keinen Widerstand entgegen, wenn die zur Disziplin mahnt. Gehorsam hat William seinen Job als Pilot eines Rettungshubschraubers aufgegeben, um mit seiner Familie von Norfolk zurück nach London in den Kensington Palace zu ziehen und sich von nun an mehr offiziellen Pflichten zu widmen.

Erstmals wird im Buchingham-Palast in einem Raum an Diana gedacht

Als kleine Dankesgeste hat die Queen zugelassen, dass bei der derzeitigen Sommerausstellung im Buckingham-Palast in einem Raum erstmals auch Dianas gedacht wird. Im Musikzimmer des Palastes ist der alte Schreibtisch der Prinzessin aus Kensington Palace aufgestellt worden. Im Ausstellungstext wird ausdrücklich das löbliche „Pflichtbewusstsein“ der Prinzessin in jenen Jahren bei Hofe gelobt. Das war, bevor Diana aus dem Windsor-Clan ausschied und man ihr den Titel Ihre Königliche Hoheit entzog.

In Althorp, 75 Meilen entfernt, sieht man „the people’s princess“, wie Tony Blair Diana nach ihrem Tod nannte, noch immer als Rebellin, als ewigen Stachel im Fleisch der Monarchie. Hier ändern auch 20 Jahre nichts an einer Vergangenheit bitterer Gefühle. Kein Wunder, dass Prinz Charles dieser Tage wieder ein ungutes Gefühl beschleichen muss. Denn die Umfragen wollen nicht ihn und Camilla, sondern gleich William und Kate auf dem englischen Thron sehen. Dass ihr Ex-Mann „ungeeignet“ sei als König und der Thron am besten gleich auf ihren Sohn übergehen solle, hatte ja auch Diana kurz vor ihrem Tod suggeriert. Das wird sich nicht machen lassen, solange die Briten den obersten Grundsatz der Monarchie – die Erbfolge – akzeptieren. Dass jedoch nach dem Tod Elizabeths und der Krönung von Charles das ganze Königshaus ins Wanken kommen könnte, das halten Royalisten wie Republikaner für eine Möglichkeit.

Der „Fluch Dianas“ allein würde das natürlich nicht bewirken. Aber er hätte sicher Anteil daran.