In dieser Woche startet die siebte Folge der Verschrottungsreihe „The Fast and the Furious“. Seit seinen Anfängen liebt das Kino rasende Autos. Weshalb eigentlich?

Stuttgart - Wenn einer als Mark Sinclair auf die Welt kam, seine Hollywoodkarriere aber als Vin Diesel betreibt, dann ist er für Filme mit viel Gummi auf dem Asphalt prädestiniert. Für Diesels dauerhafte Mitwirkung in der „The Fast and the Furious“-Reihe, deren siebter Teil diese Woche in unseren Kinos startet, ist ein anderes Attribut aber wichtiger: seine Frisurentscheidung Vollglatze. Die gibt seinem Kopf einen Tuningtouch, als sei er nicht schnödes Naturwerk, sondern planvoll geformtes Karosserieteil.

 

Das ist von entscheidender Bedeutung in einer Seitenarena des Kinos, in der Menschen nur auf den ersten Blick Herren über beschleunigungsfähige Maschinen sind. Die Autos sind nicht das Beiwerk, die Fahrer und Fahrerinnen nicht die Hauptsache. „The Fast and the Furious“ und andere Filme dieser Sparte verehren den Zentaurusmoment, die Einswerdung unterschiedlicher Ober- und Unterteile, das Zusammenfinden von Mensch und Auto zum größeren Ganzen. Da hilft es, wenn man einen Kotflügelkopf hat.

Auf mehr oder weniger ehrwürdige Traditionen pfeift das Popcornkino von heute zwar, aber die „Fast and the Furious“-Reihe steht trotzdem mit dem Kino von einst in enger Verbindung. Von Anfang an nämlich war der Film, das Medium der bewegten Bilder, fasziniert von Maschinen, die sich und Menschen in Bewegung brachten, von Zug und Eisenbahn.

Das Versprechen grenzenloser Mobilität

Das neue Gewusel der Autos in den Großstädten faszinierte die Kameraleute und Filmemacher, sie spürten da wohl den unglaublichen Widerspruch der anrollenden Motorisierung: das Versprechen grenzenloser individueller Mobilität und die fortschreitende gegenseitige Einschränkung und Gefährdung, je mehr Autos auf die Straße kamen.

Wahnwitzige Fahrstunts gehören zu den Höhepunkten des frühen Slapstickkinos, dessen Filme nach Möglichkeit in einer Jagd gipfeln sollten: der Satz „cut to the chase“, also, schneid mal gleich auf die Schlusshatz um, mahnt bis heute im Englischen den Verzicht auf unnötigen Firlefanz an. Die Schlussjagd konnte zwar zu Fuß absolviert werden, flotter wurde sie mit zwei oder mehr Autos, und völlig verwegen bei der Begegnung von Autos und Zügen, wenn klapprige Blechgefährte direkt vor einer in   voller Fahrt befindlichen Lokomotive über den unbeschrankten Bahnübergang rauschten.

Schon damals zeigte das Kino ein Fahrerlebnis, das dem Zuschauer verwehrt bleiben musste, auch wenn das vielleicht nicht jedem klar war. Die Kameraleute kurbelten sehr langsam an ihren Handbedienungsapparaten, während die Autos ihre Stunts gemächlich vollführten. Später wurde der Film in viel höherer Geschwindigkeit im Kino gezeigt, was die schleichenden Gefährte flitzen ließ.

Regeln nur zum Brechen

Das Kino als Vollgaszone, in der die Verkehrsregeln nur zum Brechen da sind, war ein Erfolgsmodell, das über Jahrzehnte hinweg Träume befeuert und Images geformt hat. Der markante Steve McQueen, der sich im realen Leben eher als schauspielender Rennfahrer denn als Hollywoodstar mit Autofimmel definierte, hatte viele gute Rollen. Aber das ikonische Bild bleibt das von McQueen in „Bullit“ (1968), wie er am Steuer eines Ford Mustang einem Dodge Charger nachjagt.

Solche Muscle Cars begehrenswert zu halten war nicht nur Aufgabe von Detroits Werbefachleuten. Hollywood half mit, Autos, die technisch längst überholt waren, als Inbegriff des Rechts auf das Hinausrasen aus aller reglementierenden Beengung zu definieren. Aber überholt war ja auch die Idee, man könne losrasen und den eigenen Fehlern entkommen. Hits wie „The Cannonball Run – Auf dem Highway ist die Hölle los“ (1981) mit Burt Reynolds zeigten aber, dass jede Menge Polizei hinter illegalen Rasern herjaulen würde. Polizei war im Kino eben nur zum Abgehängtwerden da.

Dass James Dean sein Leben auf der Straße bei einem Auffahrunfall in einem Porsche 550 ließ, machte seinen Autostunt in „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ (1955) für das Publikum nicht abschreckend, es beglaubigte ihn. Etwas am Machterlebnis Auto war es also wert, dass man tatsächlich sein Leben aufs Spiel setzte. Auch Paul Walker, einer der Stars der „Fast and the Furious“-Reihe, kam 2013 als Beifahrer in einem Porsche ums Leben. Die Erfolgsserie hat das nicht gebremst. Nicht das Individuum ist hier wichtig, sondern die Verschmelzung von Mensch und Auto zu jenem Mixwesen, das sich dann über gesellschaftliche Gängelei hinwegsetzt.

Belohnungen auf dem Tacho

Was den Gebrauch von Schusswaffen oder die Szenarien des Horrorkinos angeht, wird oft vor Nachahmungseffekten gewarnt: labilere Zuschauer nähmen die Fiktion mit hinüber in die Realität. Aber wenn das Kino eine Blutschuld treffen sollte, dann wohl am ehesten auf dem Feld der Verkehrsopfer. Doch keiner hat je zählen können, wie viele Menschen im Moment, bevor sie die Kontrolle verloren, glaubten, in einem Film zu sein, wo ganz rechts auf dem Tacho nur Belohnungen warten.