Volker Merz hinterlässt große Spuren. Als „charismatische Persönlichkeit“ würdigen OB Frank Nopper und Kickers-Präsident Rainer Lorz den verstorbenen Pädagogen. Clublegende Laura Halding-Hoppenheit lobt seinen Einsatz gegen Diskriminierung.

Stuttgart - Geistig fit war er bis ins hohe Alter, und er liebte es, Impulse zu geben. Beim Festakt zum 100. Geburtstag der Merz-Schule vor zwei Jahren sah man ihn noch rüstig, aber auch im Festzelt seiner Schwiegertochter Sonja Merz auf dem Cannstatter Wasen. Am Samstag ist Volker Merz, ein brillanter Pädagoge, im Alter von 98 Jahren verstorben. Die Stadt trauert um einen großen Sohn, der vorgelebt hat, wie man mit Mut und Lebensfreude gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und hohe Ziele erreichen kann.

 

Ihm war es vergönnt, daheim im Kreis der Familie zu sterben. „Alle sind gekommen und konnten Abschied nehmen“, sagt Sohn Konstantin Merz. Das Ziel seines Vaters sei es gewesen, 100 Jahre alt zu werden. Dies wäre 2022 der Fall gewesen. Doch leider sei er gestürzt. Die Beerdigung wird coronabedingt im engsten Familienkreis stattfinden.

„Volker Merz war ein Grandseigneur“, erklärte OB Frank Nopper am Sonntag unserer Zeitung. Und weiter sagte er: „Mit ihm verlieren wir eine charismatische, eindrucksvolle und herausragende Persönlichkeit, der Stuttgart in den Bereichen Pädagogik, ganzeinheitliche Bildung und Sport sehr viel zu verdanken hat.“

„Er war Bewahrer der Tradition, aber auch ein Modernisierer“

Auch Rainer Lorz, der Präsident der Stuttgarter Kickers, würdigt den Verstorbenen: „In unserer Kickers-Familie, von der wir zu Recht reden und die für uns oberste Priorität hat, war Volker Merz eine herausragende Persönlichkeit. Er war über viele Jahre einer der wichtigen Bewahrer der Traditionen - mit seinen Ratschlägen war er gleichzeitig aber auch Modernisierer.“

Der langjährige Chef der Merz-Schule war tolerant. Er konnte andere Meinungen stehen lassen. „Das bessere Argument hat zu siegen“, lautete seine Maxime. In der Schülermitverwaltung hatte er wie alle anderen nur eine Stimme und musste sich oft beugen. Für seine Schülerinnen und Schüler war er „der Volker“, der ihnen Menschenkunde auf ganz besondere Art gelehrt hat. Sie fühlten sich bei ihm ernst genommen und nicht bevormundet.

Auf der Merz Schule waren Schauspielerin Nina Hoss und Kabarettist Mathias Richling

Die im Albrecht-Leo-Merz-Weg in der Nähe des Frauenkopfs gelegene Merz-Schule steht bis heute für Disziplin, Sportgeist und Streitkultur und hat mitgeholfen, dass vielen Schulabgängern – wie etwa der Schauspielerin Nina Hoss und dem Kabarettisten Mathias Richling – eine beeindruckende berufliche Karriere gelungen ist. Die Schule hat sich eine ganzheitliche Erziehung auf die Fahne geschrieben: „Ein wesentliches Element dafür bildet das Zusammenwirken des Wissenschaftlichen, Künstlerischen, Sportlichen und Handwerklichen“, lautet einer ihrer Grundsätze.

Der Vater von Volker Merz, Albrecht Leo Merz, hatte die nach ihm benannte Schule im Jahr 1918 gegründet. Er galt als „schwäbischer Pestalozzi“. „Zur Reformpädagogik meines Vaters gehören die zwei maßgeblichen Begriffe Erkennen und Gestalten“, sagte Volker Merz einmal, „sie bedeuten eine Verknüpfung zwischen theoretischer und praktischer Intelligenz.“ Diese Methode ermögliche es, sich für neue Entwicklungen zu öffnen.

Auch Günther Oettinger würdigt den Verstorbenen

Im Eiskunst- und Eisschnelllauf gehörte Volker Merz in jungen Jahren zu den Besten. 1954 wurde er in die Feldhockey-Nationalmannschaft berufen, erlitt dort aber im selben Jahr noch so schwere Wirbelverletzungen, dass er den Spitzensport aufgeben musste. Bis ins hohe Alter war er ein treuer Fan der Stuttgarter Kickers.

Günther Oettinger, dessen Sohn die Merz-Grundschule und zwei Jahre das Merz-Gymnasium besuchte, würdigte Volker Merz am Wochenende als „liberale Persönlichkeit und klugen Ratgeber“. Der frühere Ministerpräsident und EU-Kommissar sagte unserer Zeitung: „Ich kannte ihn gut und habe ihn sehr geschätzt. Er hatte ein Herz für Kinder und für Stuttgart.“ Merz sei zeitlebens stark an gesellschaftspolitischen Themen interessiert gewesen. „Er hatte eine klare Meinung, war aber nicht dominant.“ Gemeinsam mit seiner Frau Christa – „eine tolle Frau!“ – habe Volker Merz das Privatschulwesen im Raum Stuttgart geprägt: „Auch im Ruhestand war er ,Mister Merz-Schule’“.

„Seine Toleranz hat mir sehr geholfen“, sagt die Schwulen-Wirtin

Gute Erinnerungen hat Oettinger an gemeinsame Treffen mit Volker Merz und dem 2015 verstorbenen früheren Finanz- und Kultusminister Gerhard Mayer-Vorfelder. Die beiden seien gut befreundet gewesen – bei allem, was sie trennte: Merz war ein Liberaler, MV ein Konservativer. Merz war leidenschaftlicher „Blauer“, der sich in den Kickers-Gremien engagierte, der VfB-Präsident bekanntlich ein „Roter“. „Sie haben sich trotzdem sehr gemocht“, sagt Oettinger. „Es waren schöne Gespräche.“

Zahlreiche Beileidsbekundungen zeigen, wie beliebt Volker Merz war. „Seine Toleranz hat mir sehr geholfen“, sagt etwa Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit. Als sie mit ihrem Schwulenlokal Kings Club in den 1970ern diskriminiert worden sei, habe die Familie Merz ihr und ihren Kindern aktiv geholfen. Daraus sei eine „herzliche Freundschaft fürs Leben“ entstanden.