Gary Peacock, der jetzt mit 85 Jahren gestorben ist, war ein Bassist, der immer dazu lernen wollte und immer wieder neu ansetzte. Im Verein mit Keith Jarrett und Jack DeJohnette hat er mit dem Trio Jazzgeschichte geschrieben.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Mit einem Pfau, wie sein Nachname nahelegt, hatte Gary Peacock wesentlich nichts zu tun: Seine Musik basierte auf außerordentlichem Handwerkszeug, war technisch makellos – und je älter er wurde, desto weniger brauchte er an Aufwand, um Stimmungen herzustellen, die stets von außerordentlicher Schönheit schienen. Sein Ton war warm, und seine Grundierungen gingen weit über das Vitalisieren des Metrums hinaus. Wenn es sein musste, löste er es auf: Zum Raum ward ihm die Zeit.

 

Zusammenarbeit mit Albert Mangelsdorff

Von Anfang an war Peacock, 1935 in Barley, Idaho, geboren und ausgebildeter Pianist (was sich noch auszahlen sollte), ein neugierig Suchender, polystilistisch orientiert. Als er im Deutschland der 50er Jahre bei der US Army in einer Militärkapelle spielte, knüpfte er Kontakte zu dem Posaunisten Albert Mangelsdorff und dem Gitarristen Attila Zoller, die ihrerseits auf der Suche waren nach neuen Perspektiven für den Jazz. Wieder zurück in den Staaten, bewies Peacock weiterhin seine legendäre Offenheit: Einerseits spielte er mit Paul Horn und Shorty Rogers, der traditionell für die Big Bands von Woody Herman und Stan Kenton arrangierte, andererseits interessierte er sich zunehmend für Avantgardisten wie Jimmy Giuffre, Roland Kirk und Paul Bley (Letzterer sollte als Pianist eine personelle Konstante in Peacocks Leben bleiben).

Als er zwischendurch buchstäblich in der Musik zu verschwinden drohte, legte Peacock eine Pause ein, bereiste sehr lange Japan, widmete sich fernöstlicher Philosophie und studierte anschließend in den USA Mikrobiologie. Sein wieder aufgenommenes Bassspiel profitierte im übertragenen Sinn von diesem geistigen Zugewinn: Es wurde noch profunder, noch gründlicher, noch klarer und gleichzeitig undurchschaubarer in seiner existenziellen Tiefe. Auf „Tales of Another“, einer ECM-Aufnahme von 1977, deutete sich dann an, worauf es hauptsächlich hinauslaufen sollte, denn hier hatten sich drei gefunden: Keith Jarrett am Klavier, Gary Peacock und Jack DeJohnette am Schlagzeug. Für die folgenden Jahrzehnte und für über zwanzig große Produktionen, von denen sich viele mit Standards aus dem Great American Songbook auseinandersetzten, war damit ein Niveau vorgegeben, das seinesgleichen suchte, schließlich verstanden sich im Trio alle als gleichberechtigt: Hören, fühlen und fließen lassen waren immer eins, und da auch DeJohnette von Haus aus Klavierspieler war, saßen Bassist und Drummer gewissermaßen in Jarretts Kopf. So dachten sie gemeinsam.

Da kam Jan Garbarek reingeschneit

Gary Peacock hat nebenher kompositorisch und solistisch weiterhin vielgleisig gearbeitet, bis zuletzt. Auf „December Poems“, einer wunderbaren Soloplatte, 1977 in Oslo von Manfred Eicher produziert, schneite dabei der Saxofonist Jan Garbarek herein, dessen kultivierten Ansatz von Kälte Peacock konterte, ohne den jungen Norweger auszuspielen. Bis zum Schluss setzte er auf die Berührung in Harmonie, als er sich auf „Tangents“ von 2016 noch einmal mit den erheblich jüngeren Marc Copland (Klavier) und Joey Baron (Drums) zusammentat. Peacock kanalisierte deren Wildheit mit Weisheit. Nun ist Gary Peacock im Alter von 85 Jahren gestorben. Dies bestätigte seine Familie in einer Erklärung gegenüber der US-Radiosendergruppe NPR.