Politisch fand er seine Heimat bei den Jungen Liberalen. Ein Selbstläufer war seine Karriere zunächst nicht. Zwar wurde er mit 21 Jahren Juli-Bundesvorsitzender, aber er scheiterte mehrfach mit dem Versuch, in den Bundestag einzuziehen. Der Durchbruch gelang dem Juristen 1994. Der damalige Vorsitzende Klaus Kinkel stand nach einer Serie katastrophaler Landtagswahlergebnisse unter Zugzwang. Er besetzte das Amt des Generalsekretärs neu. Die Wahl fiel auf den 33-jährigen Westerwelle.

 

Westerwelle wurde von seinen Kritikern oft programmatische Luftigkeit vorgeworfen, aber wer so dachte, unterschätzte ihn. Er entwickelte 1997 die „Wiesbadener Grundsätze“ für eine liberale Bürgergesellschaft, schrieb im Buch „Neuland“ über die Entstaatlichung der Gesellschaft zu Gunsten individueller Leistungsbereitschaft. Er war der entschiedenste Verfechter des neoliberalen Zeitgeistes, nannte Gewerkschaften eine „Plage“, predigte Deregulierung. Um die Menschen, die er damit gegen sich und seine Partei aufbrachte, scherte er sich wenig, solange auf seiner Seite der Barrikade die Zahl der Anhänger stieg. Und auch der Vorwurf, er entkerne die Liberalen, weil er Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik den Grünen überlassen habe, ließ ihn kalt. Wir gegen die: so peitschte er viele Parteitage auf. Und es war sicher auch der permanente Druck der Westerwelle-FDP, der den rot-grünen Kanzler Gerhard Schröder zur Agenda 2010 und zu den Hartz-Reformen bewegte.

Wichtiger als Programmatik war Westerwelle aber der Erfolg. Für ein paar Prozentpunkte war er bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Im Jahr 2000 war er fasziniert vom verwegenen Wahlkampf Jürgen Möllemanns, der die NRW-FDP mit fast zehn Prozent wieder in den Düsseldorfer Landtag brachte. 2001 drängte Westerwelle Wolfgang Gerhard von der Parteispitze und entwickelte gemeinsam mit Möllemann das Projekt 18. Die FDP sollte zur Volkspartei aufsteigen. Das Projekt scheiterte und wurde zum Sinnbild für politische Maßlosigkeit. Außerdem hatte Westerwelle Möllemann nicht im Griff, der nicht davor zurückschreckte, antisemitische Ressentiments zu schüren. Westerwelle behauptete später, von Möllemann getäuscht worden zu sein. Seine innerparteilichen Gegner warfen ihm gleichwohl vor, Gefallen daran gefunden zu haben, mit liberalen Begründungen Tabus zu brechen.