Guido Westerwelle hat als FDP-Chef das Land polarisiert. Als Mensch war er feinfühlig, als Politiker rauflustig. Der Umgang mit seiner Krankheit brachte ihm am Ende viele Sympathien ein. Ein Nachruf.

Anfang November sah es so aus, als habe er eine Chance im Kampf gegen den Blutkrebs. Guido Westerwelle tauchte kurz auf aus der Welt dieser so tückischen Krankheit, die ihn über Monate gleichsam in Isolationshaft hielt. Als er im holzvertäfelten Foyer des Berliner Ensembles mit behutsam gesetzten Schritten das Podium erklomm, erschien er den Anwesenden als Überlebender, und selbst einstige Kritiker vermochte er bei der Vorstellung seines Buches „Zwischen zwei Leben“ mit schonungsloser Offenheit zu rühren. Westerwelle wollte sein Leben zurück, er griff ein letztes Mal mit aller verbliebenen Kraft nach seiner alten Welt, auch wenn er dabei keinem die Hand geben konnte, aus Angst vor Infektionen. Stattdessen legte er die Hand aufs Herz.

 

Eine Art Klassentreffen war sein Auftritt, eine Zusammenkunft von Weggefährten, Politikern, Journalisten. Sie folgten dem Ruf eines alten Bekannten, der sich von 1994 bis 2013 als Generalsekretär der FDP, als Parteichef, als Kanzlerkandidat, als Vizekanzler, als Außenminister wie ein schwer zu verrückendes Möbelstück trotz vieler Anfeindungen behauptete, der sich den Schneid nie abkaufen ließ. „Ich habe den Plan zu überleben“, sagte Westerwelle, gefragt nach seinen Absichten. Ein guter Plan, fürwahr. Leider schlug er fehl.

Wer gläubig ist, der mag in der „akuten myeloischen Leukämie“, an deren Folgen Westerwelle starb, wegen ihrer Unberechenbarkeit ein Werk des Teufels sehen, und manche in der FDP sagen, er habe sich im November, beim kurzen Rendezvous mit seinem atemlosen früheren Leben, womöglich übernommen. Interviews, Buchpräsentation, Talkshow-Auftritt: Westerwelle schonte sich nicht, obwohl sein geschwächtes Immunsystem kurz zuvor eine Lungenentzündung hatte durchstehen müssen. Dennoch zog er die Sache durch, eisern. In Sachen Selbstdisziplin hatte ihm niemand etwas vormachen können. Im Dezember dann der Rückfall, wieder Klinik, wieder Isolation. Am Ende verlor Westerwelle den Kampf, mit nur 54 Jahren.