Er hat nicht nur witzige Kunst, sondern auch erfolgreiches Design geschaffen: Guillermo Mordillo. Seine Welt voller Menschen und Tiere mit Knollennasen kam stets ohne Worte aus – und wurde deswegen auf der ganzen Welt verstanden. Nun ist der argentinische Cartoonist im Alter von 86 Jahren gestorben.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Palma de Mallorca - Wenn ein Kritiker etwas richtig Böses über die Werke des argentinischen Zeichners und Cartoonisten Guillermo Mordillo sagen wollte – und es gab viele solcher Kritiker –, dann hieß es einfach: „Mordillo? Das ist doch nur Design. Das ist Kommerz.“ Das sollte darauf zielen, dass all diese vielen bunten Tiere und Menschen mit den Knollennasen und großen Augen überall auf der Welt eben nicht nur in Zeitungen und Magazinen, sondern auch auf Postkarten, Tapeten, Kaffeetassen, Postern, Werbeanzeigen oder gar als Spielzeugfiguren verbreitet sind. Wer so zu Teil der Alltags- und Konsumwaren-Ästhetik wird, vermuteten die Kritiker, kann nicht wirklich eine kritische Botschaft haben.

 

Mordillo selbst hat diese Debatte nicht weiter getroffen. Er selbst hat sogar von sich gesagt: „Eigentlich bin ich nur Designer“ – er selbst hatte halt keine Probleme mit seiner Herkunft und seinem Werdegang. Als Sohn eines Elektrikers und einer Haushaltshilfe verbrachte er schon seine Kindheit in den 1930er Jahren in Buenos Aires vor allem mit Zeichnen. An der Journalistenschule ließ er sich zum Illustrator ausbilden, sein Studium finanzierte er mit Postkarten-Entwürfen. Ob in Buchverlagen oder in Trickfilmstudios – er suchte stets nach dem bestmöglichen Motiv für eine bereits vorliegende Geschichte. Aber genau so bildeten sich über die Jahre ein ganz eigener Stil und eine ganz eigene Welt heraus, die Mordillo-Welt: In surrealer Umgebung, gern auch mal in Dschungeln aus Pflanzen oder Häusern, sind seine Figuren allein mit sich, oder sie sind allein zu zweit, oder sie rennen mit großen Herzen hintereinander her und finden sich doch nicht. Mit großen, ratlosen Augen stellen sie offenbar Fragen von existenzieller Wucht – und sagen doch nie auch nur einziges Wort.

Der „optimistischste Pessimist der Welt“

Das hat offenbar Millionen von Menschen überall auf der Welt angesprochen; Mordillos Zeichenkunst arbeitete nie mit ergänzender oder kommentierender Sprache. Und wenn man darin auch eine politische Botschaft finden will, dann drückt es sich vielleicht in diesem Zitat des Zeichners aus: „Nachdem Gott die Welt erschaffen hatte, schuf er Mann und Frau. Um das Ganze vor dem Untergang zu bewahren, erfand er den Humor.“ Was ja wohl nur heißen kann, im Verhältnis zu sich selbst und zur Welt möge man bitte nie auf Humor und Selbstironie verzichten.

Und doch war dieser „optimistischste Pessimist der Welt“, wie er sich selbst einmal beschrieb, eben auch durch und durch ein politischen denkender Künstler. Nachdem islamistische Terroristen am 7. Januar 2015 in Paris die halbe Redaktion der Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ brutal ausgelöscht hatte, kam nach dem ersten Schock die wohl bewegendste Reaktion von Mordillo: Er zeichnete einen Knollennasen-Clown, der vor einem Zeichner-Bleistift mit Trauerschleife den Hut zieht, während ihm eine Träne aus den Augen kullert. Auch hier war kein weiteres Wort nötig. Die Worte sagte er nur begleitend in einem Zeitungsinterview jener Tage: „Wissen Sie, die Essenz von Humor war für mich lange Zeit Zärtlichkeit und Angst. Jetzt ist davon nur noch die Angst geblieben. Für mich muss man in der Geschichte des Humors eine neue Einteilung finden: vor und nach Charlie Hebdo. Es wird nie wieder so sein wie davor.“ Damit hatte er den Abgrund jener Tage zweifellos besser und mitfühlender auf den Punkt gebracht als die meisten Leitartikel dieser Welt.

1963 war Mordillo nach Paris gezogen, seit 1980 hatte er sich einen zweiten Lebensmittelpunkt auf Mallorca aufgebaut. Dort ist er am Samstag im Alter von 86 Jahren gestorben.