Killer, Kotzbrocken und liebender Familienvater: die Rolle des Mafiabosses Tony Soprano hat James Gandolfini unsterblich gemacht. Ein Nachruf auf den wunderbaren Schauspieler, der mit 51 Jahren im Urlaub in Rom gestorben ist.

Rom - Man liest es und kann es nicht glauben: James Gandolfini ist tot. Im Alter von nur 51 Jahren während einer Urlaubsreise in Rom gestorben. James Gandolfini, Tony Soprano, der als Mafiaboss und Familienoberhaupt in den „Sopranos“ die Rolle seines Lebens spielte, die ihn schon zu Lebzeiten unsterblich gemacht hat. Sein plötzlicher Tod hat nicht nur seine Kollegen in tiefe Trauer gestürzt: „Mein Herz ist gebrochen“, sagte Lorraine Bracco, die in den „Sopranos“ Tonys Psychotherapeutin Jennifer Melfi spielte. Auch viele, die ihn nur aus dieser revolutionären Serie kannten, bekunden über Facebook und Twitter fassungslose Trauer über den Verlust.

 

James Gandolfini, dieser vitale, wuchtige Kerl, wurde, wie sein Alter Ego Tony, in New Jersey geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf, in denen nichts auf eine Karriere als Schauspieler hindeutete. Wie Tony hatte auch James Gandolfini italienische Wurzeln: die Eltern seiner Mutter waren aus Neapel eingewandert. Und sogar das Milieu, in dem er sich bewegte – ehe er am Broadway seine erste Rolle spielte, schlug er sich als Barkeeper und Clubmanager durch –, scheint dem Milieu des Tony nicht ganz fremd gewesen zu sein. Vielleicht hat sich Gandolfini auch nur einen Spaß erlaubt, als er behauptete, er habe sich für seine Rolle eines Killers in Tony Scotts Film „True Romance“ inspirieren lassen von einem alten Freund, der Auftragskiller gewesen sei.

Vom kleinen Kriminellen zum Paten

Und es war diese Rolle, die er 1993 spielte, mit der Gandolfini ins Blickfeld von David Chase geriet, dem Erfinder der „Sopranos“. Bis es aber so weit war, trat Gandolfini noch in vielen Filmen unter namhaften Regisseuren auf, wie Anthony Minghella („Mr. Wonderful“), Barry Sonnenfeld („Schnappt Shorty“), Sidney Lumet („Nacht fällt über Manhattan“), Peter Chelsom („The Mighty“). Doch für die Rolle eines romantischen Liebhabers war Gandolfini nicht vorgesehen. Meist wurde er besetzt für die Rollen dubioser Figuren, Killer, große und kleinere Kriminelle oder, wie in Rod Luries Film „Die letzte Festung“, als gewalttätiger Gefängnisdirektor. Die Rolle eines CIA-Direktors in Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ ist nun zum vorletzten Auftritt seines Lebens geworden.

Und ein komischer Vielfraß war er auch

Etwa fünfzig Filmen hat James Gandolfini seine ungeheure, oft Furcht einflößende Präsenz verliehen. Aber das Zentrum seiner Karriere ist, bleibt und wird immer sein die geniale Verkörperung des Tony Soprano in einer der besten Serien, die es je gegeben hat. In den 86 Folgen, von 1999 bis 2007, hat Gandolfini seiner Figur alle Facetten seines Könnens mitgegeben: Er war der unberechenbare Mafiaboss und sorgende Familienvater; er war der Macho und der von Angstattacken Heimgesuchte, der sich widerwillig in Psychotherapie begibt; er war ein Lügner und Betrüger, ein Kotzbrocken und ein auf seine Weise Liebender; er war ein Mörder und ein Beschützer, er war korrupt und liebenswürdig. Und komisch war der Vielfraß auch. Könnte man je das Bild vergessen, wie Tony, von Kopf bis Fuß ein harmloser Spießer mit Goldkettchen um den Hals, im Bademantel zum Kühlschrank schlappt, um Carmelas Cannelloni oder Lasagne in sich hineinzustopfen?

Es ist, als wäre ein Freund gestorben, der uns mit der Vitalität und aggressiv-fragilen Männlichkeit in seiner größten Rolle ans Herz gewachsen ist. Er soll einmal gesagt haben, für ihn sei Schauspielen ein Weg, seinem Ärger Luft zu machen, obwohl er nicht wisse, worüber er wütend sei. Wer aber dem Schock Luft machen will, den James Gandolfinis Tod auslöst, der weiß genau, worüber er traurig ist.