Er war einer der ganz großen Rock- und Soulsänger der Geschichte. Gerade erst hatte er ein neues Album für kommendes Jahr angekündigt. Nun ist Joe Cocker im Alter von 70 Jahren gestorben. Ein Nachruf von Jan Ulrich Welke.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Crawford – Gnadenbringende Weihnachtszeit? Von wegen. Am Sonntag griff sich der unbarmherzige Schnitter aus heiterem Himmel Udo Jürgens , der soeben achtzig Jahre alt geworden ist. Und am Montag nun ebenso willkürlich Joe Cocker, der jüngst seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert hat.

 

Was für ein Jammer. Soeben hat der aus der britischen Arbeitermetropole Sheffield stammende Soul- und Bluessänger angekündigt, ein neues Album zu veröffentlichen, anschließend wäre er gewiss wieder auf eine Tournee gegangen, die ihn ebenso gewiss auch wieder an den Neckar geführt hätte. Und den Rest, den hätte man sich auch denken können. Dort wäre er selbstverständlich auf der Bühne der größten Halle der Stadt gestanden, dort hätte er dann pflichtschuldig einige der Songs aus dem neuen Album gespielt, um anschließend umstandslos seinen Riesensack voller Hits zu öffnen. „Das Beatles-Cover „With a little Help from my Friends“ wäre dabeigewesen, das einst seinen Ruhm begründete. „When the Night comes“, dazu „N’oubliez jamais“, „Unchain my Heart, “You are so beautiful“, “Cry me a River“, der alte Randy-Newman-Kracher „You can leave your Hat on“ und und und.

Große Tourneen, große Songs – und große Abstürze

Gestanden hätte er auf der Bühne, wie er es seit seinem Gastspiel vor über vierzig Jahren in Woodstock tat. Hüftsteif, zappelnd, armrudernd, trotzdem so wunderbar distinguiert zunächst, ehe am Ende der Show sein zuvor frisch gestärktes Hemd wie immer so durchgeschwitzt gewesen wäre, dass man es hätte auswringen können. Ein Musik(er)arbeiter, das war Joe Cocker immer.

Zurückgeblickt hätte er mit seinen Fans auf eine wahrlich lange Karriere. Zwölfjährig sang er erstmals auf der Bühne, mit 15 Jahren startete der damalige Gasinstallateurslehrling erstmals durch (unter dem Künstlernamen Vance Arnold, und immerhin im Vorprogramm der Rolling Stones), 1968 fand er sich prompt in den britischen Charts wieder. Im Jahr darauf dann das legendäre Festival in Woodstock, bei dem er schon als eines der Zugpferde gebucht war. Mythenprägend bis heute. Große Tourneen, große Songs und große Abstürze folgten für den begnadeten Sänger, der fatalerweise alles außer ein Händchen für gesunde Finanzführung und Lebensweise hatte.

Ein glorreiches Comeback

Gute Zeiten, schlechte Zeiten waren somit dabei. Drogenprobleme, Alkoholprobleme, psychische Probleme, ein kurzer Aufenthalt im Knast sogar. Eine echte Rockstar-Achterbahnfahrt. Die Crusaders halfen ihm auf die Beine, zurück, ein glorreiches Comeback mit seinem nach wie vor besten Album „Sheffield Steel“ im Jahr 1982 folgte. „Sail away“, die Erkennungsmelodie für die Reklamespots einer sehr bekannten Biermarke aus dem schönen Bremen. Vor vier Jahren sein vorletztes Album „Hard Knocks“, vor zwei Jahren sein letztes: „Fire it up“. Anlässlich dessen Veröffentlichung stand Joe Cocker zuletzt in der Region auf der Bühne, open air unter dem Viadukt in Bietigheim. Ein nicht stattliches Ambiente eigentlich, mit den über der Brücke hinwegdonnernden Zügen, aber es wurde dann doch wieder ein so geruhsam-gelassener Abend, der jede Reise wert gewesen wäre.

Vorbei ist das alles leider jetzt für diesen Künstler, der noch einiges vorgehabt hätte.

Der Zug ist abgefahren, ein großer Entertainer tritt viel zu früh ab. Vierzig Alben bleiben, viele Aufs und Abs. Die legendäre„Reibeisenstimme“. Und unzählige Chartserfolge, darunter jener Platz eins in den US-Charts nebst Grammy, den er mit Jennifer Waren für das 1982 herausgekommene „Up where we belong“ einstrich. „Ein Offizier und Gentleman“ hieß der Film, in dem dieses Lied auftauchte.

Der bunte Hund Joe Cocker, Ehrendoktor der Universität Sheffield und vor sieben Jahren zum Ehrenoffizier des britischen Königreichs geschlagen, starb in seiner Wahlheimat Crawford im US-Bundesstaat Colorado auf seinem „Mad Dog Ranch“ titulierten Anwesen in der Nacht zum Montag an einer Lungenkrebserkrankung. Das 395-Seelen-Nest zählt nun einen Einwohner weniger, die Popwelt hingegen muss fortan ohne einen ihrer ganz Großen auskommen.