Nicht alles gelang ihm: doch der verstorbene Ex-Generalsekretär Kofin Annan prägte die UN wie kaum ein anderer. Seine Reformen sicherten das wirtschaftliche Überleben des Staatenbunds.

New York/Bern - Kofi Annan hat sich eingemischt, bis zuletzt. In diesem Jahr war ihm besonders der Protest gegen die Waffenlobby der USA ein Anliegen. „Wenn Staatsführer ihrer Rolle nicht gerecht werden, kann das Volk die Anführer zwingen, ihnen zu folgen“, sagte er mit Blick auf den US-Präsidenten Donald Trump. Sein Amt als Generalsekretär der Vereinten Nationen hatte Annan Ende des Jahres 2006 abgegeben. Doch seine charismatische Stimme blieb präsent.

 

Sie wird fehlen – gerade in dieser Zeit, in der so mancher Weltlenker den Begriff der Moral allzu flexibel definiert. Am Samstag ist Annan, der erste Afrikaner an der Spitze der Vereinten Nationen, nach kurzer Krankheit im Alter von 80 Jahren in einem Krankenhaus in Bern gestorben. In jener Stadt also, in der er vor über einem halben Jahrhundert in den UN-Dienst eingetreten war. Der Ghanaer wird wie kaum ein anderer für Erfolge, aber auch für einige Versäumnisse des Staatenbunds in Erinnerung bleiben, mit dem er gemeinsam im Jahr 2001 den Friedensnobelpreis für seinen Einsatz „für eine besser organisierte und friedlichere Welt“ bekam.

Seine Startbedingungen waren optimal

Diesem Anliegen hat er sein Leben gewidmet. Dass er es auf höchster Ebene verfolgen konnte, verdankt er auch glänzenden Bedingungen in seiner Jugend. Beide Großväter waren traditionelle Stammesführer, sein Vater wurde nach Ghanas Unabhängigkeit im Jahr 1957 Direktor der ersten ghanaischen Bank. Annan ging zunächst in der Heimat auf ein Elite-Internat, studierte später Volkswirtschaft in den USA und in der Schweiz.

Als Untergeneralsekretär für Friedenssicherung koordinierte Annan 16 UN-Missionen, darunter die in Ruanda im Jahr 1994, als vor den Augen der Weltbevölkerung binnen weniger Wochen 800 000 Menschen getötet wurden. Annans Büro hatte Hinweise, dass der Genozid bevorsteht, weitgehend ignoriert. Auch das Massaker an Zivilisten im Bosnien-Konflikt gilt als eines der dunkelsten Kapitel in der UN-Geschichte. In beiden Fällen wurden UN-Soldaten dafür kritisiert, dass sie den Opfern kaum Schutz gewährt hatten. Annan betonte, er habe mit Nachdruck „Dutzende Länder um mehr Truppen“ gebeten. Später gab er zu, „bitter zu bereuen, nicht mehr getan zu haben“.

Die schmerzhafte Erinnerung hat seine Politik als Generalsekretär begleitet. 1997 trat er das Amt an, nachdem vor allem die USA seine Kandidatur unterstützt hatten. Annan straffte die nahezu bankrotte und verkrustete Organisation, strich 1000 der 6000 Stellen im New Yorker Hauptquartier, stärkte den Sicherheitsrat, schuf einen neuen Nothilfefonds und überarbeitete das UN-System zugunsten wirkungsvollerer Blauhelmeinsätze. Vor allem schaffte es der glänzende Verhandler, die Mitgliedstaaten zu überzeugen, endlich eine aktivere Rolle bei Konfliktlösungen zu übernehmen. „Afrikas wichtigster Diplomat“ hatte der UN neues Leben eingehaucht, pries ihn das Komitee des Friedensnobelpreises. Gemeint waren damit auch seine Fähigkeiten als Geldeintreiber – besonders die USA beglichen ausstehende Beitragszahlungen.

Die Reformen verfehlten ihre Ziele

Makellos war seine Bilanz nicht, die Reformen blieben hinter den Zielen zurück. Annan wurde auch für Verwaltungsfehler im Zusammenhang mit dem umstrittenen Hilfsprogramm „Öl für Lebensmittel“ im Irak kritisiert. Daran war eine Firma beteiligt, in der sein Sohn Kojo in gut dotierter Position arbeitete. Ein Untersuchungsausschuss stellte keine persönliche Vorteilsnahme von Kofi Annan fest, allerdings wurde ihm vorgeworfen, die Schwere des Interessenskonflikts unterschätzt zu haben.

Unbestritten ist, dass sich Annan zeitlebens für den Frieden einsetzte. Nach seiner Zeit als UN-Generalsekretär war er Vermittler im Syrienkrieg, verhandelte nach den blutigen Wahlen 2008 in Kenia und setzte sich für die Demokratisierung in Myanmar ein. Er blieb ein kritischer Beobachter neuer globaler Fragen, kommentierte mit gewohnter intellektueller Tiefe globale Fehlentwicklungen.