Im Kino war er der ikonische Toni Erdmann, in Salzburg der legendäre Jedermann: Nun ist der Ausnahmekünstler Peter Simonischek im Alter von 76 Jahren gestorben.

Er war, was unter Schauspielern eher selten ist, ein gläubiger Katholik. An Feiertagen besuchte er die Messe und erbaute sich an der Zeremonie, an Orgelmusik, Gesang und Worten. Aber es war nicht allein die barocke Theatralik, die ihn ins Gotteshaus führte, sondern auch der Trost, den er aus dem Glauben zog. „Beides ist mir aus der Tradition entgegengewachsen“, sagte Peter Simonischek im Gespräch mit unserer Zeitung, „als Kind war ich Ministrant in einem Dorf in der Steiermark, die Düfte meiner Kindheit waren Kuhstall und Weihrauch.“ Dass der Tod mitten unter uns ist, wusste er also. Und doch kommt er in seinem Fall überraschend. In der Nacht zum Dienstag ist Peter Simonischek mit 76 Jahren im Kreise seiner Familie in Wien gestorben.

 

Wucht, Präsenz und sanfte Töne beherrschte er wie kein anderer

Er war ein großer, alles überragender Schauspieler, der im Film und im Theater gleichermaßen überzeugte, ein Ein-Meter-neunzig-Mann, der die Szene nicht nur mit der Körperlichkeit eines in der Provinz aufgewachsenen Bauernburschen regierte. Zu seiner Wucht gesellte sich eine Präsenz, die er von laut auf leise stellen konnte, von herrisch auf empfindsam, von subtil auf grotesk. Die Bandbreite seines Spiels war enorm. Am deutlichsten zeigte sie sich, wenn man zwei seiner erfolgreichsten Rollen betrachtete: den Jedermann bei den Salzburger Festspielen, den er von 2002 bis 2009 länger als jeder andere verkörperte, und Toni Erdmann (Bild rechts) im Kino 2016, beides unvergessliche, den Zenit seines unfassbaren Schaffens markierende Triumphe.

Simonischek blickte da schon längst auf eine erfolgreiche Karriere zurück. Von 1979 bis 1999 arbeitete der gebürtige Grazer an der Berliner Schaubühne und trug als Protagonist in Inszenierungen von Peter Stein, Luc Bondy, Andrea Breth und Bob Wilson wesentlich zum legendären Ruhm des Hauses bei. Aus der Fremde, die ihn zu ersten Höchstleistungen anstachelte, kehrte er zurück in die Heimat, um seine Kunst in den Dienst der Wiener Burg zu stellen – und eben der Festspiele an der Salzach, wo er als liebender, saufender, protzender Kraftlackel des Kapitalismus den Domplatz beherrschte. Trotz Lars Eidinger unerreicht bis heute.

Wie anders sein Toni Erdmann! Der mit Preisen überhäufte Film von Maren Ade machte ihn weltweit über Nacht populärer als alle Rollen davor. Als Altachtundsechziger verwandelte er sich in eine groteske Widerstandsfigur, um seine von Sandra Hüller gespielte Tochter aus dem neoliberalen Rausch zu wecken. Kunstgebiss, Wuschelperücke, Furzkissen – fertig war die ikonisch gewordene Kunstfigur, die als weiser Narr die Unternehmensberater in Bukarest anarchisch brüskiert und demaskiert, um die Seele seiner Tochter vorm Teufel zu retten. Bei anderen Spielern hätte die Figur in Trash abrutschen können, nicht bei ihm: Peter Simonischek ließ hinter allen Maskeraden die Not aufleuchten, die ihn als Vater trieb. Das war nicht nur klasse, das war Weltklasse!

Er hätte den Oscar verdient

Allein dafür hätte der Ausnahmekünstler einen Oscar verdient, nicht weniger als für Jedermann, der ihm vielleicht auch in seinen letzten Lebensstunden hilfreich zur Seite stand. Im „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ hat er seinen Abschied auf jeden Fall glaubhaft vorweggenommen.