Sinnsucher, Überzeugungstäter, Ludwigsburger: Siegfried Rapp hat viel geschafft und manches geschaffen. Nun ist er gestorben.

Region: Verena Mayer (ena)

Sein Ende hat Siegfried Rapp ziemlich genau geplant. Er hat einen Platz auf dem Ludwigsburger Friedhof reserviert. Südlage, mit Brunnen davor. Er hat einen Grabstein in Auftrag gegeben. Aus schwarzem Impala mit einem eingesetzten Herz aus ecuadorianischem Vulkanstein. Rechts davon wird eine Rose wachsen, davor Lavendel und Salbei. Sein Sarg wird aus hellem unbehandeltem Holz sein. Bei der Trauerfeier wird „Air“ von Bach gespielt und „Gracias la Vida“ von Mercedes Sosa. Sie wird an einem Freitag stattfinden.

 

Mager und sprachlos

Siegfried Rapp ahnte, dass er nicht mehr lange leben würde. Im Juni des vergangenen Jahres hat er die Diagnose ALS bulbär bekommen, eine der schwersten Krankheiten, die ein Mensch bekommen kann. Sie gilt als unheilbar. Rapps Muskeln schwinden. Er kann nicht mehr essen und trinken, und er kann nicht mehr sprechen. Es schmerzt, wenn man sieht, wie Siegfried Rapp im Laufe der Monate mager und magerer wird, wie er, der große Mann, der immer fest durchs Leben zu gehen schien, zusehends kraftloser wird. Das aber, woran man sich partout nicht gewöhnen kann, ist, dass er seine Stimme verloren hat. Siegfried Rapp hat in seinem Leben vieles gemacht und vieles gewagt. Er war Sinnsucher und Überzeugungstäter. Dass so jemand, wenn er spricht, auch etwas zu sagen hat, kann sich auch denken, wer Siegfried Rapp nicht kannte.

Hohe Ehre

Siegfried Rapp sitzt von 2004 bis 2010 für die Grünen im Ludwigsburger Gemeinderat und ist auch danach einer ihrer engagiertesten Vertreter. Siegfried Rapp ist der, der 2019 mit Schülern aus Ludwigsburg in der ecuadorianischen Stadt Ambato Hunderte Bäume pflanzt. Der mit der integrativen Brenz-Band durch dieses Land in Südamerika tourt. Der die „Klimapartnerschaft“ zwischen Ludwigsburg und Ambato initiiert und 100 Bienenweiden in Ludwigsburg. Und ja, Siegfried Rapp ist auch der, der 2014 zum Honorarkonsul von Ecuador ernannt wurde. Siegfried Rapp ist der, der für sein Engagement im vergangenen Mai mit der Bürgermedaille der Stadt geehrt wurde. Und über den der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht nun sagt: „Wir verlieren mit Siegfried Rapp einen Menschen, der stets für ein gutes Miteinander stand als unschätzbaren Wert einer Stadtgesellschaft.“

Geboren ist Rapp, Jahrgang 1952, in Echterdingen im Kreis Esslingen. Für sein Studium kommt er 1974 nach Ludwigsburg. Er studiert Germanistik und evangelische Theologie und wird „begeisterter“ Lehrer. Mitte der 1990er Jahre verlegt er sich, nach einem zweiten Studium, auf die Erwachsenenbildung und wechselt an die Volkshochschule. Rapp ist dort unter anderem zuständig für Literatur, Theater und Psychologie. Anfang der 2000er Jahre schließlich wechselt er wieder das Fach. Er wird etwas, das damals kaum bekannt ist: Mediator. Es dauert ein paar Jahre, bis es populär wird, Konflikte einvernehmlich und außergerichtlich zu lösen, aber dann läuft es. Rapps Ludwigsburger Institut für Konfliktmanagement (Likom) ist inzwischen bundesweit bekannt und aktiv.

Ein Preis als Vermächtnis

Wenn man Rapps Werdegang verfolgte, konnte man glauben, nichts in diesem Leben sei unmöglich, man müsse einfach nur sein Herz in die Hand nehmen. So sei es im Grunde auch, erklärte Siegfried Rapp, der zwischendurch mit seiner Frau Ingrid Hönlinger in Berlin lebte, wo sie im Bundestag saß, der wie nebenbei Fachbücher veröffentlichte. Und einen Preis („Buen Vivir“) auslobte, durch den Schüler eine Woche in einer Art Umweltcamp verbringen können.

Im vergangenen Jahr hatte Rapp mit seiner Biografie begonnen. Sie sollte eine Anleitung werden für ein gutes Leben. Rapp erzählt darin unter anderem, was er von Ernesto Cardenal lernte, dem nicaraguanischen Dichter, Revolutionär und Idol seiner Jugend, mit dem er eine lebenslange Freundschaft pflegte. Und er lässt Weggefährten erklären, was ein ein gutes Leben ausmacht. Der dritte und letzte Band ist vor wenigen Tagen fertig geworden.

Am Donnerstag ist Siegfried Rapp gestorben. Der Freitag, an dem der lange geplante Abschied stattfindet, wird der 16. Dezember sein. Um 12.30 Uhr in Ludwigsburg  auf dem Neuen Friedhof.