Mit ihrer eindringlich-energischen Stimme hat sie Songs wie „Proud Mary“, „What’s Love Got To Do With It“, „The Best“ oder „Golden Eye“ zu Klassikern gemacht. Nun ist Tina Turner im Alter von 83 Jahren gestorben.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Das Klavier seufzt eine wehmütige Melodie, der Bass brummt nervös-schüchtern, und während sich das Saxofon wieder einmal dezent in den Vordergrund drängt, betrachtet eine Gitarre aus der Ferne gleichgültig die Show. Der Song „Private Dancer“, der eigentlich als eine Nummer der Dire Straits gedacht war, hat zwar durchaus Sexappeal, mehr noch ist er aber von einer traurigen Sehnsucht, einer sanften Verzweiflung durchdrungen.

 

Der Traum vom privaten Glück

In dem Lied erzählt eine Striptease-Tänzerin davon, dass die gesichtslosen Männer, denen sie in den Clubs begegnet, immer die gleichen sind. Dass man die tägliche Erniedrigung nur durchsteht, wenn man dabei an das viele Geld denkt, das einem dieser Job einbringt – und an die Träume, die man sich damit verwirklichen kann: ein Häuschen am Meer vielleicht, einen Mann, Kinder, ja, Teil einer ganz normalen Familie zu sein.

Niemand anderes hätte die Rolle der vom privaten Glück träumenden Striptease-Tänzerin besser spielen können als Tina Turner, die jetzt im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit in ihrem Haus in Küsnacht nahe Zürich gestorben ist. Zu dem Zeitpunkt, als sie das Lied „Private Dancer“ aufnimmt, hat sie zwar eine großartige Karriere als Teil des Duos Ike & Tina Turner hinter sich, aber auch eine kaputte, selbstzerstörerische Ehe mit Ike Turner. Seit 1962 waren sie verheiratet, 1968 versuchte sie sich mit 50 Valium-Tabletten das Leben zu nehmen. 1978 ließ sie sich von ihm scheiden. In ihrer Autobiografie „Ich, Tina“ beschreibt sie Ike als äußerst gewalttätigen Ehemann. Ihre Nasenoperation sei deshalb nötig gewesen, weil Ike sie zu oft ins Gesicht geschlagen hatte.

Schon als Kind im Kirchenchor aufgefallen

Schon in den 1940er Jahren war die kleine Anna Mae Bullock im Kirchenchor von Nutbush mit ihrer gewaltigen Stimme aufgefallen. Doch Anna war zu wild, zu ungeduldig, um wirklich in dieses Kaff in Tennessee zu passen. Davon erzählt Anna viele Jahre später, als sie sich bereits Tina Turner nennt, im Song „Nutbush City Limits“, einer späten Revolte gegen alles Spießige. 1973 sollte der Song der erste von zig Top-Ten-Hits werden, die Tina Turner in Deutschland hatte.

Doch die spektakuläre Karriere, die sie als Teil von Ike & Tina Turner mit rauen Soul- und Rocknummern wie „River Deep – Mountain High“, „Proud Mary“ oder „Nutbush City Limits“ zwischen 1960 und 1976 machte, sollte bald übertroffen werden von Tina Turners Solokarriere, die 1984 mit dem Album „Private Dancer“ durchstartete. Auf der Platte verabschiedete sie sich von der grob-robusten Rhythm’n’Blues-Ästhetik der früheren Jahre und entdeckte einen sanft, hochwertigen Popstil.

Neben „Private Dancer“ wurden auch die Nummern „What’s Love Got To Do With It“, „Let’s Stay Together“ oder „I Can’t Stand The Rain“ zu Hits. Und auch die Folgealben wie „Break Every Rule“ (1987), „Foreign Affair“ (1989) knüpften an diesen Erfolg an. Tina Turner sang mit David Bowie („Tonight“), mit Bryan Adams („It’s Only Love“), mit Eric Clapton („Tearing Us Apart“) oder Rod Stewart („It Takes Two“) und spielte neben Mel Gibson in „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“ die Hauptrolle.

Der Superstar der 1980er Jahre

Die Frau, die vom US-Magazin „Rolling Stone“ auf Platz 17 der besten Stimmen aller Zeiten gewählt wurde (hinter Mick Jagger und vor Freddie Mercury), hat mit ihrem eindringlichen Gesang immer wieder Songs veredelt. Sie hat über 180 Millionen Tonträger verkauft, wurde insgesamt mit zwölf Grammys ausgezeichnet, und 2021 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Universität Bern.

Eine unvergessliche Stimme

Doch wichtiger ist: Anna Mae Bullock, die einst von Nutbush, Tennessee, aufbrach, um als Tina Turner Karriere zu machen, schien zuletzt viele, viele Jahre ihren Traum vom privaten Glück gelebt zu haben. Vor 36 Jahren lernte sie den deutschen Musikmanager Erwin Bach kennen und lieben. Nach einer Abschiedstournee 2009 zog sie sich im Alter von 70 Jahren ins Privatleben zurück. Sie genoss nach eigenen Angaben nach Jahrzehnten harter Arbeit fortan das Leben ohne Verpflichtungen. Als sie im Jahr 2013 Bach heiratete, hielt Herbert Grönemeyer eine Rede, und Bryan Adams sang „All For Love“.

Die Königin des Rock’n’Roll ist tot. Ihre Stimme wird aber niemals verstummen.

Drei Tina-Turner-Songs für die Ewigkeit

Proud Mary
(1971) Tina Turner singt sich die Seele aus dem Leib. Verglichen mit dieser Version klingt das Original von Creedence Clearwater Revival wie eingeschlafene Füße.

Nutbush City Limits
(1973) Die rockige Hitsingle zählt zu den wenigen Songs, die Tina Turner selbst geschrieben hat.

What’s Love Got To Do With It
(1984) Der Song, der eigentlich für Cliff Richard bestimmt war, war ihr größter Hit und brachte ihr einen Grammy Award ein.