Der US-Schriftsteller und Journalist ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Damit verabschiedet sich ein Pionier des New Journalism.

New York - Wenn Tom Wolfe in den letzten Jahren seines Lebens vor die Tür seines Apartments auf der Upper East Side von Manhattan getreten ist, hat er sicherlich seine Abscheu angesichts des Schauspiels, das sich ihm darbot, nur schwer verbergen können. Für den stets makellos in einen edlen Dreiteiler gekleideten Schriftsteller müssen die Massen an in Sportkleidung gewandeten Touristen ein Graus gewesen sein.

 

Ein aufmerksamer und scharfsinniger Beobachter

Tom Wolfe, der am Dienstag im Alter von 88 Jahre in New York verstarb, war der Inbegriff des Dandys. Wie die Figur, die Baudelaire vor mehr als 150 Jahren als den „Maler des modernen Lebens“ beschrieb, war Wolfe zugleich Darsteller im Theater der Straße und der Stadt als auch dessen aufmerksamer und feinsinniger Beobachter. So war sein größter Romanerfolg, „Das Fegefeuer der Eitelkeiten“, ein Sittengemälde des New Yorks der 80er Jahre. Der Bestseller beschrieb die Hybris der Wall- Street-Bosse ebenso wie die Korruption der Politiker, er zeichnete die absurde Kluft zwischen Arm und Reich und nahm mit satirischer Feder die Subkulturen der Stadt aufs Korn, die aus der Anarchie der 70er geboren wurden.

„Das Fegefeuer der Eitelkeiten“ war das erste rein literarische Werk des gelernten Journalisten Wolfe, der seine Karriere als Lateinamerika-Korrespondent der „Washington Post“ Anfang der 60er Jahre begonnen hatte. Vorher hatte er sich einen Namen mit sechs journalistischen Werken gemacht, die allesamt von der Kritik als glanzvolle Dokumentationen des Zeitgeistes gelobt wurden. Zu den berühmtesten dieser Werke gehörte „The electric Kool-Aid Acid Test“ in dem Wolfe die Drogen- und-Hippie-Kultur Kaliforniens in den 60er Jahren beschrieb und mit scharfem Blick aufs Korn nahm. Noch erfolgreicher war das mehrfach verfilmte Buch „The right Stuff“ – die Geschichte jener draufgängerischen Luftwaffenpiloten, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg für die amerikanische Raumfahrt bahnten.

Eine neue Form des Journalismus

In diesen Werken perfektionierte Wolfe seinen Stil, der später sowohl die Welt des Journalismus, als auch die der Literatur auf dem Kopf stellen sollte. Wolfe verabschiedete sich von der trockenen, nüchternen Sprache der journalistischen Berichterstattung und verwendete bewusst literarische Erzählformen sowie einen offen subjektiven und kommentierenden Tonfall. So entstand eine neue Form des Journalismus, die sich im Lauf der 70er Jahre nicht nur zur Königsdisziplin der Berichterstattung aufschwang, sondern auch zur dominanten Form der Literatur. Zeitgenossen wie Norman Mailer, Hunter S. Thompson und Joan Didion kultivierten die Form, die als „New Journalism“ Eingang in die Literaturgeschichte fand. Die New Journalists glaubten daran, dass die Zeiten nach einem stärkeren Realismus in der Literatur sowie nach mehr Freiheit im Journalismus riefen, um wirklich das Wesen der Epoche freilegen zu können.

Anders als etwa Hunter S. Thompson behielt Wolfe stets Abstand zu seinen Gegenständen. Seine letzten Romane über die Wirrungen einer College-Studentin und über das kubanische Miami fanden nur gemischte Resonanz. Die Zeit des New Journalism war vorbei. Die Praxis des Journalismus und der literarischen Produktion bleiben – nicht nur in den USA – zutiefst von Wolfes Innovationen beeinflusst.