22 Jahre lang hat Yahya Jammeh das kleine westafrikanische Land Gambia autokratisch regiert, jetzt erkennt er den Wahlerfolg von Adama Barrow nicht an. Vermutlich befürchtet Jammeh Gerichtsverfahren gegen sich.

Banjul - Wenige Tage vor dem 19. Januar, der den ersten demokratischen Regierungswechsel in der 52-jährigen Geschichte Gambias markieren sollte, spitzt sich die Lage in dem westafrikanischen Kleinstaat dramatisch zu. Nach Berichten von Augenzeugen aus dem knapp zwei Millionen Einwohnern zählenden Land kontrollieren Soldaten die Straßen der Hauptstadt Banjul, Geschäfte schließen, viele Gambier haben sich bereits mit ihren Familien in den benachbarten Senegal abgesetzt, während westliche Vertretungen ihre Landsleute zum Verlassen des Landes auffordern. „Jeder erwartet, dass es zu Unruhen kommen wird“, sagt ein einheimischer Journalist.

 

Fehler beim Auszählen

Der Grund für die Spannungen ist die Weigerung des seit 22 Jahren regierenden Autokraten Yahya Jammeh, den Ausgang der Wahlen vom 1. Dezember anzuerkennen, in denen der 51-jährige Ex-Offizier seinem Herausforderer Adama Barrow überraschend unterlag. Obwohl Jammeh seine Niederlage zunächst eingeräumt hatte, änderte der mit eiserner Hand regierende Präsident eine Woche später seine Haltung, nachdem die Wahlkommission Fehler bei der Auszählung der Stimmzettel eingeräumt hatte. Doch auch nach der Korrektur des Ergebnisses lag Barrow noch mit 43,3 Prozent der Stimmen vor Jammeh, der nur 39,6 Prozent erhalten hatte.

Zeit gewinnen

Was den Regenten zu seinem Meinungsumschwung veranlasste, ist unter Beobachtern umstritten. Manche gehen davon aus, dass der von seiner Niederlage überraschte Jammeh vor allem Zeit gewinnen wollte – andere machen die Ankündigung des Oppositionslagers, den Präsidenten wegen der unter seiner Führung begangenen Menschenrechtsverletzungen so schnell wie möglich vor Gericht zu stellen, für seinen Sinneswandel verantwortlich. Jammeh reichte vor Gambias Höchstem Gerichtshof Beschwerde gegen das Wahlergebnis ein, der seine Entscheidung inzwischen auf Mai vertagte. Der Grund: Das Gericht verfügt nur noch über einen Richter, nachdem der Präsident vor knapp zwei Jahren alle anderen Richter aus Wut über deren Aufrechterhaltung eines Moratoriums der Todesstrafe entlassen hatte.

Jammeh vertritt nun die Überzeugung, dass er bis zum Urteil des Gerichts im Mai weiter regieren könne, was juristischen Interpreten der Verfassung zufolge jedoch nicht der Fall ist. Oppositionschef Barrow bereitet seine Vereidigung für den 19. Januar vor und kann sich dabei der Unterstützung des Auslands sicher sein. Sowohl die UN wie die Afrikanische Union und der westafrikanische Staatenverbund Ecowas forderten Jammeh schon vor Wochen auf, am 18. Januar sein Amt niederzulegen.

In einer Ansprache wies der Präsident dieses Ansinnen Mitte dieser Woche zurück und warf den ausländischen Regierungen ungebührliche Einmischung in gambischen Belange vor. „Ich werde mich von keiner Macht dieser Welt einschüchtern lassen“, sagte Jammeh: „Ich bin ein Mann des Friedens, aber kein Feigling.“

Folterungen und Tötungen

Während Jammehs Herrschaft wurden zahlreiche Oppositionsmitglieder eingesperrt, gefoltert und getötet. Der gläubige Muslim, der von sich selbst behauptet, Asthma, Epilepsie und Aids heilen zu können, kündigte einmal an, mit Allahs Willen noch „Milliarden von Jahre“ lang zu regieren. Unter Führung des nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari reisten mehrere westafrikanischen Staatschef zu weiteren Gesprächen nach Banjul: Frühere Vermittlungsversuche von Ecowas sind allerdings alle gescheitert. Die Chefs des Staatenbundes schließen auch eine Invasion des Kleinstaates nicht aus: Presseberichten zufolge versetzte Nigeria bereits ein Bataillon in Alarmbereitschaft, das mit senegalesischen Truppen den erwogenen Einmarsch ausführen soll. Gambia selbst hat lediglich 1000 Soldaten unter Waffen. Über den Verlauf der Gespräche in Banjul wurde bislang nichts bekannt.

Asyl in Nigeria

Auch im eigenen Land geriet Jammeh in den vergangenen Tagen zunehmend in Bedrängnis. Informationsminister Sheriff Bojang legte aus Protest gegen die Rücktrittsweigerung des Präsidenten sein Amt nieder. Außerdem wurden zwölf gambische Botschafter entlassen, die sich hinter den Wahlsieger Barrow gestellt hatten. Schließlich floh der Chef der gambischen Wahlkommission in den Senegal, nachdem er von Jammeh massiv kritisiert worden war. Nach wie vor steht allerdings Streitkräfte-Chef Ousman Badjie mit all seiner Macht hinter dem Präsidenten.

Nigerias Parlament sprach sich Mitte der Woche dafür aus, Jammeh Asyl anzubieten. Das ist nach Auffassung des Oppositionschefs Barrow allerdings nicht nötig: Er rechne noch immer mit dem Einlenken des Präsidenten, sagte der ehemalige Bauunternehmer gegenüber der BBC. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.asyl-in-deutschland-gambier-fluechten-vor- brutalem-praesidenten.22e425b0-a54b-425d-899c-83c6be2268f9.html