Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise haben die großen christlichen Kirchen Stuttgarts, die jüdische Gemeinde und vier islamische Gemeinschaften einen Rat der Religionen gebildet.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und wachsenden Vorbehalten in der Gesellschaft gegen den Islam haben am Montag die großen christlichen Kirchen Stuttgarts, die jüdische Gemeinde und vier islamische Gemeinschaften einen Rat der Religionen gebildet. Dieser soll einen „wesentlichen Beitrag zu einem guten und friedlichen Zusammenleben“ in der Stadt leisten, so die Initiatoren.

 

Nach wie vor bekennen sich mehr als drei Viertel der Bewohner Stuttgarts zu einer Religion, rund 70 Prozent von diesen zum Christentum. „Aber die Pluralität wächst“, sagt der katholische Stadtdekan Christian Hermes. Nicht zuletzt aufgrund des Zuzugs von Flüchtlingen werde in der Gesellschaft „die Bedeutung der Religion zunehmen“, ist Hermes überzeugt. Er und sein Kollege von der evangelischen Kirche, Stadtdekan Søren Schwesig, haben deshalb die Initiative für den Rat der Religionen ergriffen. Beide sind der Auffassung, dass es an der Zeit sei, neben den engen Kontakten zueinander und zur jüdischen Gemeinde auch einen „partnerschaftlichen Dialog“ mit islamischen Gemeinden zu führen.

Einmal im Jahr soll es einen Tag der Religionen geben

Für diesen Dialog soll der Rat als „Gesprächsbasis“ dienen, erklärte Hermes. Man wolle mit dem neuen Gremium zeigen, dass Religion die Menschen nicht trenne, sondern verbinde, sagte Schwesig zu den Zielen. „Gegenwärtig begegnet uns Religion öfter in Konfliktsituationen“, stellte der evangelische Stadtdekan fest. Dem wolle man ein Bild des Miteinanders entgegensetzen. „Das wird der Stadtgesellschaft guttun“, ist Schwesig überzeugt. „Das Grundgesetz des Rats ist der Respekt voreinander“, so Christian Hermes.

Ali Ipek, der Beauftragte für den interreligiösen Dialog der Türkisch-Islamischen Union in Württemberg, die ihre Hauptmoschee in Feuerbach hat, begrüßt die Initiative. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in diesem respektvollen Kreis bei wichtigen Themen etwas bewegen können“, sagte Ipek. Neben Fragen von Migration und Religion soll es auch um Themen wie Religionsunterricht, Bestattungskultur und um zentrale Gebetsräume für Muslime in der Stadt gehen. Einmal im Jahr soll ein „Tag der Religionen“ veranstaltet werden.

Auch kritische Themen werden angesprochen

Positiv äußerte sich auch der Vertreter des Verbands Islamischer Kulturzentren (VIKZ), Yilmaz Sen, und Ferid Kugic („wir haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede“) von der bosnisch geprägten Islamischen Gemeinschaft. Yesilyurt Yücel von der alevitischen Gemeinde drückte seine Freude darüber aus, dabei sein zu können. Dank der Religionsfreiheit könne er seinen Glauben hier ausüben, was in dieser Form in der Türkei nicht der Fall sei.

So wurden bei der Konstituierung des Rats der Religionen auch kritische Themen angesprochen. Barbara Traub, Vorstandssprecherin der jüdischen Gemeinde, begrüßte das neue Gremium ausdrücklich, um „Berührungsängste abzubauen“ zwischen den Religionen. Für die jüdische Seite aber sei die Zusicherung unverzichtbar gewesen, „dass keine extremistische Gruppe Mitglied werden kann“ und Mitglieder sich „von jeder Form des Antisemitismus distanzieren“. Trotz des großen Mitgefühls für die Flüchtlinge aus dem arabischen Raum gebe es in der Gemeinde die Sorge, es könnten auch Menschen „mit antijüdischen Einstellungen“ darunter sein. Stadtdekan Christian Hermes machte deutlich, dass nur Gemeinschaften Mitglied werden können, „die sich zu den Werten und Normen unserer verfassungsrechtlichen Ordnung bekennen“. Für alle diese sei der Rat offen. Dies wollen aber offenbar nicht alle der etwa 30 Moscheegemeinden oder muslimischen Vereine in Stuttgart. Dies habe man bei der Sondierung des Rats bei einigen wenigen Gruppen so wahrgenommen.

Die Landeshauptstadt ist in Person von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) als beratendes Mitglied im Rat vertreten. „Es könnte keinen besseren Zeitpunkt geben, diesen Rat zu gründen“, sagte Schairer. Diesem komme „in der angstbesetzten Debatte“ über die große Zahl von Flüchtlingen eine wichtige Rolle zu.