Schulpraktika oder Schullandheime können im kommenden Jahr möglicherweise doch wieder günstig versichert werden. Die kommunalen Versicherer haben jetzt den Städten ein Angebot vorgelegt.
Stuttgart - Eigentlich ist zum Schuljahrsende Schluss mit den Schülerzusatzversicherungen, die in Baden-Württemberg seit 1974 die Schüler im Land für inzwischen einen Euro pro Schuljahr gegen Haftpflichtfälle und bestimmte Sachschäden absichern. Die Kultusministerin hatte die Vereinbarung und den Gruppenversicherungsvertrag gekündigt. Doch bei vielen Schulpraktika werden Haftpflichtversicherungen verlangt. Schulleiter befürchten, dass etwa Schullandheimaufenthalte in Zukunft schwer zu organisieren sind, wenn Lehrer jeden mitreisenden Schüler einzeln nach seiner Versicherung befragen müssten.
Wie unsere Zeitung erfuhr, machen die beiden kommunalen Versicherungen wgv (Württembergische Gemeindeversicherung) und BGV (Badische Versicherung), die bisher im Geschäft sind, jetzt den Kommunen und den Schulen ein neues Angebot. Die Versicherung würde pauschal abgeschlossen, ohne Rahmenvereinbarung mit dem Land, sondern mit den Schulen oder Schulträgern. Kämen im Verlauf des Schuljahrs neue Schüler hinzu, wären diese automatisch versichert. Der Beitrag von einem Euro pro Schüler bliebe gleich. Die Leistungen würden etwas angehoben, etwa in der Haftpflicht von bisher zwei auf drei Millionen bei Personen und Sachschäden.
Bisher mussten die Schulen die Versicherungsbeiträge von den Schülern einziehen und jedem Schüler den Abschluss schriftlich bestätigen. Die aufwendige Einzelbestätigung würde bei der neuen Gruppenversicherung entfallen.
Städte könnten Beitrag übernehmen
Offen ist noch, wer den Beitrag bezahlt. Nach wie vor kann die Schulsekretärin den Obolus der Schüler einziehen. Doch bringt der Städtetag in einem Rundschreiben, das jetzt an die Mitgliedsstädte versandt wird, zwei Alternativen ins Gespräch. Die Beiträge könnten aus dem Schulbudget bezahlt werden, oder die Städte könnten die Kosten gleich direkt übernehmen. Bei 1,5 Millionen Schülern wären das für alle Städte und Gemeinden im Land 1,5 Millionen Euro. Für Praktika und Schullandheime kämen pro Klasse und Schuljahr 50 Euro dazu. Dem müsse man die Personalausgaben gegenrechnen, die man einspare, wenn nicht mehr 1,5 Millionen Miniversicherungsbeträge und 1,5 Millionen Bestätigungen ausgestellt werden müssten, heißt es im den Schreiben des Städtetags. Einige Großstädte im Land zeigen sich dem Vernehmen nach offen für die Kostenübernahme. Zumal auch die Betreuungszeiten an der Schule abgedeckt seien.
Norbert Brugger, der Bildungsdezernent des Städtetags, begrüßt es, dass die Versicherer ein Angebot für das nächste Schuljahr vorgelegt haben. Dass das Kultusministerium die jahrzehntelange Praxis der Schülerversicherung im letzten Herbst ohne Vorwarnung beendet habe, „hat großen Handlungsdruck ausgelöst“, sagte Brugger unserer Zeitung. „Schulen setzen auf diese Versicherung.“ Jetzt „werden wir in unseren Gremien darüber beraten“. Brugger strebt eine gemeinsame Empfehlung aller kommunalen Landesverbände an. Doch damit sieht es schlecht aus.
Gemeindetag sieht Eltern in der Pflicht
Roger Kehle, der Präsident des Gemeindetags, sagte unserer Zeitung: „Es liegt zweifelsohne im Interesse der Schulträger, dass alle Schulkinder einen ausreichenden Versicherungsschutz haben.“ Das ändere aber nichts an der Grundsituation: „Es besteht nach wie vor keine Verpflichtung des Schulträgers, eine entsprechende Versicherung zu übernehmen.“ Vielmehr sei es die Pflicht der Eltern, einen angemessenen Versicherungsschutz ihrer Kinder sicherzustellen. „Deshalb obliegt es auch in erster Linie den Eltern, die Versicherungsbeträge zu tragen.“ Seine Sprecherin ergänzt, „Es bleibt der Schule oder dem Schulträger überlassen, ob sie die Kosten übernehmen, oder nicht. Wir werden keinen Druck auf die Schulträger aufbauen.“
Kultusministerin Eisenmann hatte die Versicherung gekündigt, um den Eindruck zu vermeiden, es handle sich um eine Pflichtversicherung. Kritiker des Angebots führen die relativ geringe Haftungssumme ins Feld und die Tatsache, dass viele Eltern bereits eine Haftpflichtversicherung haben. Allerdings ist das nach Angaben der Versicherungen bei 20 Prozent nicht der Fall.