Die Stuttgarter Staatstheater ziehen Bilanz: Das Ballett ist erfolgreicher denn je. Die Oper schwächelt trotz künstlerischer Erfolge bei den Zuschauern. Und beim Schauspiel geht es mit den Zahlen weiter bergab.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Mit einer Vorstellung von Edison Denisovs Werk „Der Schaum der Tage“ endete am Mittwochabend die Staatstheater-Saison 2016/17. Künstlerisch zählte die Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito unter der musikalischen Leitung von Sylvain Cambreling zu den Höhepunkten der Saison. Die Besucherbilanz für die Musiksparte der Stuttgarter Staatstheater fällt insgesamt aber durchwachsen aus: Mit rund 199 000 Zuschauern musste die Oper gegenüber der Saison 2015/16 ein Minus von über 16 000 Gästen hinnehmen (die Konzerte des Staatsorchesters sind hier inklusive); das macht ein Minus von 7,4 Prozent. Die Auslastung der Opernvorstellungen und der Konzerte sank von 79 auf 75 Prozent.

 

Noch nie seit seinem Antritt als Intendant 2011 musste Jossi Wieler so niedrige Besucherzahlen hinnehmen – und dies trotz einer publikumsträchtigen Premierenmischung mit dem „Faust“ von Charles Gounod, Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“, „Ariodante“ von Georg Friedrich Händel, Benjamin Brittens „Tod in Venedig“ und Peter Tschaikowskys „Pique Dame". Bei der überregionalen Kritik ist das künstlerische Niveau der Stuttgarter Oper, die im vergangenen Herbst zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt worden war, weiter höchst anerkannt.

Noch unangenehmer müssen die Besucherzahlen den Verantwortlichen im Schauspiel sein. Gegenüber den ohnehin schon schlechten Zahlen der Saison 2015/16 minderte sich die Zuschauerzahl um weitere 8,6 Prozent von 120 354 auf nunmehr rund 110 000. Seit seiner ersten Saison hat der Schauspielchef Armin Petras über ein Viertel seiner Zuschauer verloren – und das, obwohl in der jetzt zu Ende gegangenen Spielzeit die Zahl der Vorstellungen von 454 auf 460 wuchs. Die Auslastungsquote sank von 74 auf 72 Prozent. Die zu Beginn der Saison von Petras in Aussicht gestellte„Trendwende“ ist zumindest bei der Kartennachfrage ausgeblieben; im vergangenen November kündigte er aus privaten Gründen vorfristig seinen Vertrag.

Das Ballett muss die Gesamtbilanz retten

Gerettet werden Oper und Schauspiel in der Staatstheater-Bilanz ein weiteres Mal vom Stuttgarter Ballett. Die Tanzsparte konnte ihre Besucherzahl in Stuttgart von 103 828 auf 120 000 steigern; rechnet man noch die Gastspielbesucher ein, ergibt sich ein Plus von 2,3 Prozent. Die Auslastungsquote verharrte zwar bei dem 96 bis 97 Prozent. Allerdings konnte Reid Andersons Kompanie den Zuschauern auch 106 Vorstellungen bieten statt der nur 97 in der Vorsaison 2015/16.

Enorm, weil überproportional hoch sind die Einnahmen, die das Ballett für die Staatstheater erzielt. Über eine Million Euro mehr konnte der Tanz in der Saison 2016/17 einnehmen: rund 5,7 Millionen Euro gegenüber knapp 4,7 Millionen in der Vorsaison – das macht ein Plus von über 20 Prozent. Nur mit diesem Zuwachs gelingt es dem Staatstheater, seine Gesamteinnahmen von rund 14,7 Millionen auf rund 15,4 Millionen Euro zu steigern (die Oper ist daran mit 7,9 Millionen, das Schauspiel mit 1,8 Millionen Euro beteiligt). Mit anderen Worten: Nur der Zuschauerandrang bei den Ballettvorstellungen gleicht die Rückgänge bei Oper und Schauspiel aus.

Marc-Oliver Hendriks, der Geschäftsführende Intendant der Staatstheater, zollte in einer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung „Bewunderung“ für den Erfolg des Balletts: „Der Einnahmerekord hilft uns, die Rückgänge bei Oper und Schauspiel wettzumachen. Wenn in der kommenden Saison Zuwächse bei der Besucherzahl und den Einnahmen möglich sind, bieten Oper und Schauspiel hierfür das Potenzial.“ Also auf ein Neues: Die Spielbetrieb 2017/18 beginnt am 16. September.