In der Tat verursachen Wegwerfwindeln jede Menge Abfall: Ein Säugling braucht sechs bis acht Windeln am Tag, in der gesamten zwei- bis dreijährigen Wickelphase kommt man auf 5000 bis 8000 Windeln pro Kleinkind, das entspricht etwa 1,5 Tonnen Windelmüll, rechnet das Bundesumweltministerium hoch. Demnach werden pro Tag bundesweit mehr als zehn Millionen Einwegwindeln verbraucht, die erst im Restmüll und dann in einer Müllverbrennungsanlage landen – wo von ihnen hochgiftige Stoffe übrig bleiben. Windelmüll soll der größte Posten im Restmüll sein: Dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) zufolge macht er in den Städten 10 bis 15 Prozent aus.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Stoffwindeln und Wegwerfwindeln im Vergleich
Die enorme Umweltbelastung ließe sich verringern, wenn Eltern die schnell gewechselte Wegwerfwindel gegen eine umweltfreundliche, allerdings auch gewöhnungsbedürftige Alternative tauschen würden. Im Berliner Ministerium räumt man ein: Es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, damit Eltern zu Stoffwindeln statt zum industriellen Plastikersatz greifen. Der Anteil der Kinder in Deutschland, die in ihren ersten Lebensjahren Einwegwindeln tragen, wird auf 95 Prozent geschätzt. Es braucht also einen Anreiz für den Windelwechsel. Das haben inzwischen viele Kommunen zwischen Sylt und Sonthofen erkannt – rund 70 Städte, Gemeinden und Kreise fördern deshalb bereits den Kauf von Stoffwindeln mit einem Zuschuss zwischen 30 und 300 Euro.
Auch der Landkreis Esslingen zeigt sich angesichts von jährlich rund 25 Millionen anfallender Einwegwindeln im Restmüll problembewusst: Als Beitrag zur Müllvermeidung fördert der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) seit März vergangenen Jahres die Nutzung von Stoffwindeln für Kinder bis zu zwei Jahren. Hierfür reicht es, wenn Eltern die Belege für den Kauf eines Windelpakets bei der Kundenberatung einreichen. Wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, erhalten sie einmalig 50 Euro. „Dieses Angebot wurde mit Begeisterung von vielen Eltern angenommen“, heißt es im Jahresbericht des AWB. 275 Anträge seien in 2021 bearbeitet worden, 271 Familien habe man den Zuschuss gewährt. „Lediglich vier Anträge mussten abgelehnt werden, weil die Kinder zu alt waren oder die Familie nicht im Landkreis wohnte.“
Lesen Sie aus unserem Angebot: Sind Stoffwindeln eine gute Alternative?
Insgesamt wurden 13 550 Euro Windelprämie ausbezahlt. Das Geld stammt aus dem Etat für Öffentlichkeitsarbeit des AWB, erläutert die Sprecherin der Kreisverwaltung, Andrea Wangner. Es gebe dafür bislang keinen eigenen Fördertopf – und auch kein Limit. „Jeder Antrag, der eingeht und die Kriterien erfüllt, wird bewilligt.“ Auch in diesem Jahr rechne der Abfallwirtschaftsbetrieb mit einer ähnlich hohen Anzahl an Zuschussanträgen – bei mehr als 5000 Geburten pro Jahr im Landkreis Esslingen.
Dass das Entsorgungsunternehmen mit Anfragen überhäuft werde, wenn das Angebot noch bekannter wird, daran glaubt man beim AWB nicht. „Auf waschbare Stoffwindeln umzusteigen, ist doch eine sehr persönliche Entscheidung der Eltern“, meint Wangner. Und die 50 Euro sind doch ein vergleichsweise eher geringer Betrag: Die hessische Gemeinde Erlensee zahlt zum Beispiel bis zu 300 Euro Windelprämie, Burbach und Wasserburg 250 Euro, Rheda-Wiedenbrück 225 Euro, Kiel und Konstanz 200 Euro, Warendorf 150 Euro, Wuppertal und Singen 100 Euro. Der Esslinger Bonus orientiert sich an den üblichen Zuschüssen im Umfeld, heißt es beim AWB: Die Landkreise Göppingen und Calw erstatten 50 Euro, in den Landkreisen Tübingen und Schwäbisch Hall werden 30 Euro vergütet.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Noch sind Stoffwindeln eine Nische
Auf einschlägigen Elternportalen im Netz werben die Befürworter voller Überzeugung für die Stoffwindel, die nichts mehr mit jenem Baumwolltuch zu tun habe, die bis 1973 in Deutschland an der Tagesordnung war. Das komplizierte Falten und das Auskochen entfalle. Die nachhaltige Variante von heute sei in der Anwendung genauso praktisch wie die Einwegwindel und unterm Strich langfristig gesehen sogar günstiger: Letztere würden bei einer benötigen Menge von bis zu 6000 Stück über die gesamte Wickelzeit 1000 bis 1500 Euro ausmachen. Wer waschbare Stoffwindeln nutze, benötige hingegen insgesamt nur etwa 30 Stück. Bei Anschaffungskosten von 350 und 800 Euro zuzüglich der Kosten für das Waschen, Trocknen und Zubehör könne man somit einige hundert Euro sparen.
Mehrwegwindeln – die Alternative
Angebot
Moderne Windelsysteme bestehen aus einer Baumwollwindel, in die eine dünne Vlies-Einlage eingelegt wird, welche den Stuhl des Kindes aufnimmt. Dazu gibt es eine Überhose aus Wolle oder Mikrofaser. Stoffwindeln gibt es in großer Auswahl über verschiedene Internetseiten und auch in Geschäften für Naturwaren und Babybedarf.
Vorteile
Mit Stoffwindeln kommt mehr Luft an den Popo der Kleinkinder und die Haut kann besser atmen. Durch weniger Chemie-Einsatz sind Reizungen, Rötungen, Hautinfektionen und Windelallergien beim Einsatz von Stoffwindeln seltener. Außerdem werden stoffgewickelte Kinder erfahrungsgemäß schneller trocken.
Zuschuss
Den Zuschuss gibt es dann, wenn das Kind im Landkreis Esslingen wohnt und nicht älter ist als zwei Jahre. Das Antragsformular muss zusammen mit einer Kopie der Geburtsurkunde des Kindes und den Original-Kaufbelegen von Mehrwegwindeln an den Abfallwirtschaftsbetrieb geschickt werden. Alle Infos gibt es unter www.awb-es.de.