Mit den Verhältnissen in einem Ilshofener Putenmastbetrieb befasst sich ein Gericht. Ein Verein klagt die zuständige Haller Behörde an – und ist zuversichtlich, damit eine Grundsatzfrage klären zu können.

Stuttgart - Was Jonathan Steinhauser und sein Vereinskollege in einer Mainacht im Stall eines Putenmastbetriebs in Ilshofen (Kreis Schwäbisch Hall) gesehen und gefilmt haben, ist schrecklich: Puten mit gebrochenen Flügeln, ohne Federn und mit offenen Wunden, weil sie von ihren Artgenossen gepickt wurden, ein matschiger Boden statt lockerer Streu, auch tote Tiere. Diese Zustände werden nun zum wiederholten Mal von Gerichten behandelt.

 

Der Tierschutzverein Menschen für Tierrechte klagt gegen das Veterinäramt des Landkreises Schwäbisch Hall vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart. Die Behörde, so die Überzeugung der Tierschützer, hätte eingreifen müssen. „Die Zustände gehen nicht konform mit dem Tierschutzgesetz“, sagt Stephanie Kowalski von dem Verein. „Das ist nicht hinnehmbar.“ Das Haller Landratsamt wollte am Dienstag keine Angaben machen. „Wir sind überzeugt, dass die Klage abgewiesen wird, zumal bereits zwei strafrechtliche Verfahren zu ungunsten der Tierschutzvereine ausgegangen sind“, erklärte eine Sprecherin.

Die Tierschützer verweisen auf das Grundgesetz

Die Tierschützer halten das Beispiel für einen besonders geeigneten Fall, um grundsätzliche Fragen zur Putenmast richterlich klären zu lassen. Dabei verweisen sie auf den Paragrafen 17 des Tierschutzgesetzes, der Strafen vorsieht für jeden, der Wirbeltieren anhaltende Schmerzen zufügt – und darauf, dass Tierschutz seit 15 Jahren Verfassungsrang genießt.

Die Klage gegen das Veterinäramt Schwäbisch Hall wird finanziert von der Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt. Diese sei wild entschlossen, die Klage notfalls durch alle Instanzen zu führen mit dem Ziel, wie Andreas Grabolle von der Stiftung sagt, „dass die derzeitige Putenhaltung in Zukunft so nicht mehr möglich sein wird“. Auch die strafrechtliche Seite der Angelegenheit dreht mindestens eine weitere Schleife. Jonathan Steinhauser geht, unterstützt von der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz, gegen ein Urteil des Landgerichts in Heilbronn wegen Hausfriedensbruchs vor. Sein Anwalt Hans-Georg Kluge hat beim Oberlandesgericht Stuttgart Revision beantragt. Steinhauser und seine Begleiter waren in jener Mainacht vom Hofbesitzer erwischt und angezeigt worden. Die Heilbronner Richter hatten in zweiter Instanz ein Urteil des Haller Amtsgerichts im Wesentlichen bestätigt und Steinhauser 25 Tagessätze à zehn Euro aufgebrummt.

Das Heilbronner Urteil? „Empörend und abstrus“

Die Aktivisten wehren sich besonders gegen die Urteilsbegründung: Massentierhaltung zur Versorgung der Bevölkerung sei erlaubt, obwohl nicht artgerechte Zustände die allgemeine Folge seien, so die Richter. „Dies wird zumindest derzeit noch als (. . .) hinnehmbar angesehen und eröffnet damit den Veterinärbehörden auch keine Möglichkeit einzuschreiten.“

Das sei empörend und abstrus, sagt Hans-Georg Kluge. Schließlich missachte es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1987, der zufolge das Tierschutzgesetz natürlich auch für die Massentierhaltung gelte. Kluge, ein früherer CDU-Justizstaatssekretär und als Anwalt spezialisiert auf den Tierschutz, kündigt an, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen: Steinhauser sei nicht beliebig in einen Stall eingedrungen, sondern weil er Gründe gehabt habe anzunehmen, dass die Zustände dort nicht hinnehmbar seien – und er dies filmen wollte. Das Heilbronner Urteil beschneide seine Gewissensfreiheit.