Stuttgart - Wie werden das Projekt Stuttgart 21 und die neue Gäubahnstrecke am Flughafen Stuttgart am besten kombiniert? Die Diskussion darüber hat jetzt in Stuttgart mächtig Fahrt aufgenommen, nachdem Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger (CDU) in Berlin einige Neuheiten dazu verkündet hatte. Kernbotschaft: Das Gesamtprojekt Gäubahnausbau werde, inklusive eines neuen Gäubahntunnels zwischen Flughafen und Böblingen für 976 Millionen Euro, rund 2,1 Milliarden kosten und sei wirtschaftlich. Es ermögliche den Deutschlandtakt, also abgestimmte Fahrtzeiten und die Reduzierung der Fahrtzeit zwischen Stuttgart und der Schweizer Grenze. Gerade der Tunnel von und zum Flughafen sei dafür entscheidend.
Danach sprach Thomas Bopp (CDU), Vorsitzender des Verbandes der Region Stuttgart, von einer „sehr guten Entwicklung“. Unserer Zeitung sagte er: „Das ist die einzige Möglichkeit, den Bahnknoten Stuttgart in alle Richtungen, auch nach Süden, deutschlandtakt-fähig zu machen.“ Da Bilger für den Bund die Übernahme der Kosten erklärt habe, müssten in der „Raumschaft“ Stuttgart nun alle Ja dazu sagen. Die „paar Haare in der Suppe“ dürften nicht überbewertet werden, dafür müsse man Detaillösungen finden. Damit meinte Bopp auch, dass die Gutachter laut Bilger keinen Fernverkehrshalt in Böblingen und momentan auch nicht in Singen am Hohentwiel vorsehen. Dafür werde für die S-Bahn durch die Entzerrung von Fern- und S-Bahn-Verkehr im Raum Böblingen/Herrenberg ein durchgehender 15-Minuten-Takt der S-Bahn möglich, meint Bopp. 2030 könnte Stuttgart einen Schienenknoten haben wie keine andere deutsche Großstadt.
SPD-Bundestagsabgeordnete erklären ihre Unterstützung
Die SPD-Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg stimmten ein. „Wir als SPD unterstützen diesen Vorschlag“, sagte Nils Schmid (Nürtingen), der frühere Landesminister für Wirtschaft und Finanzen. Entscheidend sei, dass Mischverkehr aus Gäubahnzügen und S-Bahnen im Bereich Flughafen vermieden werde, wenn der Gäubahntunnel entsteht, die Gäubahnzüge im neuen Flughafen-Fernbahnhof halten und nicht auf einem dritten Gleis in der S-Bahn-Station Flughafen/Messe. Das erleichtere den Bau von mehr ÖPNV-Infrastruktur in Richtung Neckartal, was wichtig sei, denn der Landkreis Esslingen habe da Nachholbedarf. Die SPD-Landesgruppe im Bundestag forderte Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf, den Ausbau nicht aus taktischen Gründen zu verzögern. Es gehe jetzt um die Bahnkunden im ganzen Land.
Flughafenchef Walter Schoefer sagte unserer Zeitung, er sei immer offen für Verbesserungen bei der Flughafenanbindung. Die nun vorgeschlagene Tunnellösung statt des dritten Gleises bringe einige Vorteile mit sich. Sie würde dem Flughafen etliche Jahre Beeinträchtigungen durch eine große Baustelle direkt vor den Terminals ersparen und die mindestens zwölfmonatige Sperrung der S-Bahn zum Flughafen und nach Bernhausen überflüssig machen. Davon würde die gesamte Region und auch die Verkehrsdrehscheibe am Landesairport profitieren. Als Projektpartner bei Stuttgart 21 befürworte die Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) eine schnelle und ergebnisoffene Prüfung, „die bisherige Planung zum Anschluss der Gäubahn würden wir aber erst aufgeben, wenn die neue Lösung planerisch verbindlich und rechtlich wasserdicht vereinbart ist und die FSG damit keine Mehrkosten zu tragen hat“.
Die Stuttgarter Stadtverwaltung reagierte lapidar: „Grundsätzlich begrüßen wir es als Stadt, wenn Bund und Land für gute Bahnverbindungen sorgen“, erklärte eine Sprecherin.
VCD und Schutzgemeinschaft Filder üben Kritik
Kritik kam von Matthias Lieb, Landesvorsitzender des alternativen Verkehrsclubs Deutschland. Er begrüßt zwar Investitionen in die Gäubahnstrecke, den drohenden Wegfall der Fernverkehrshalte in Böblingen und Singen könne man aber nur als „groben Unfug“ bezeichnen. Da gehe es um Bahnhöfe mit großen Einzugsgebieten. Das lässt Lieb an der Wirtschaftlichkeit des Gäubahnkonzeptes zweifeln. Außerdem erscheinen ihm die genannten Baukosten von 976 Millionen Euro für den elf Kilometer langen Gäubahntunnel „geschönt“. Später würden Kostensteigerungen folgen. Lieb forderte eine ergebnisoffene Diskussion über Alternativen – einschließlich der Führung der Gäubahnzüge zu einem Rest-Kopfbahnhof in Stuttgart und der Einbindung der bisherigen Gäubahn-Panoramastrecke in den Tiefbahnhof Stuttgart.
Die Schutzgemeinschaft Filder beklagte eine „Trickrechnung“ Bilgers, „um die Wirtschaftlichkeit hin-zu-manipulieren“. Allein der Gäubahntunnel würde zwei Milliarden Euro oder mehr kosten. Der beschworene Deutschlandtakt sei „nichts als ein Etikettenschwindel“. Er lasse sich mit Bilgers Konzept eben gerade nicht realisieren, am ehesten noch, wenn man die Gäubahn auf der Panoramastrecke in Stuttgart belasse und an einen Kopfbahnhof anschließe. Jetzt müsse alles auf den Prüfstand und nach Attraktivität für Fahrgäste, Sicherheit und Klimaverträglichkeit bewertet werden.