Auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben kommen immer mehr arme Menschen aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland. Das stellt die Kommunen vor große Probleme.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Mannheim - Dirk Schuhmann kann haarsträubende Geschichten erzählen. Jene etwa von der zugigen Tiefgarage unter einem Wohnhaus, in der mehrere Menschen hausten. Oder von Zimmern, in denen ganze Familien auf engstem Raum zusammengepfercht sind und dafür auch noch Wuchermieten bezahlen müssen. Schuhmann berichtet nicht über die Zustände in armen Entwicklungsländern, er spricht über Deutschland, über Mannheim. Der Mann ist einer der Sprecher der Stadt.

 

Mannheim ist nicht die einzige Großstadt, die über immer größere Probleme mit Zuwanderern aus Rumänien oder Bulgarien berichtet. In diesen Tagen hat der Deutsche Städtetag einen alarmierenden Appell an Bund und Länder sowie die Europäische Union gerichtet, mehr für die zumeist bitterarmen Menschen zu tun, die ihr Heil in der Flucht aus der Heimat suchen. Die Kommunen seien überfordert, klagen sie und verweisen auf die einschlägigen Statistiken.

Die Zahl der Zuwanderer steigt

Wanderten im Jahr 2007 noch rund 64 000 Menschen offiziell aus Rumänien und Bulgarien ein, waren es vier Jahre später bereits fast 150 000. Bereits jetzt steht nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fest, dass im ersten Halbjahr 2012 die Zuwanderung aus den beiden Ländern noch einmal um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen ist, auf rund 88 000. Besonders betroffen sind Großstädte wie Frankfurt, Dortmund, Duisburg und Mannheim. „Wenn von Januar 2014 an für diese beiden Länder die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt, wird diese Zahl noch weiter nach oben gehen“, prophezeit Dirk Schuhmann.Christian Ude, Städtetagspräsident und Münchner Oberbürgermeister, unterstreicht aber, dass im Fall dieser Zuwanderung differenziert werden müsse. „In Deutschland leben viele Menschen aus Rumänien und Bulgarien, die gut integriert sind“, sagt er: „Allerdings kommen aus beiden Ländern auch viele Menschen in deutsche Städte, die in ihrer Heimat unter sehr schwierigen Bedingungen oft in Armut lebten und bessere Lebensverhältnisse suchen.“ Zur ethnischen Zugehörigkeit würden keine Statistiken geführt, betont Schuhmann. Aber nicht nur er geht davon aus, dass die meisten verarmten Zuwanderer Roma sind.

Die große Armut und Diskriminierung, unter der die Menschen in ihrer Heimat gelitten haben, hat natürlich auch Auswirkungen auf ihr Leben in Deutschland. Erschütternd sei bisweilen der gesundheitliche Zustand, sagt Schuhmann. Meist fehle eine Krankenversicherung, so dass in Deutschland nur eine Notfallversorgung möglich ist. Die schlechte Ausbildung und die fehlenden Sprachkenntnisse sind offenbar starke Integrationshindernisse. Laut Schuhmann kommt es wegen der abweichenden alltäglichen Lebensgewohnheiten auch immer wieder zu Reibereien zwischen den Zuwanderern und der alteingesessenen Bevölkerung. So würden sich die Zuwanderer wegen der beengten Wohnverhältnisse häufig auf der Straße aufhalten. Die Anwohner klagen über Müll, der sich vor den Häusern ansammle. Der Städtetag warnt in seinem Positionspapier, dass in manchen Fällen sogar der „Erhalt des sozialen Friedens in der Stadtgesellschaft“ auf der Kippe stehe.

Mannheim hat früh auf die Missstände reagiert

In Mannheim wurde schon früh auf die Missstände reagiert, die jetzt vom Städtetag angeprangert werden. Bereits vor zwei Jahren wurde eine breit angelegte Arbeitsgruppe eingerichtet, die mit Vertretern aller zuständigen Stellen besetzt war – von der Polizei, über Sozialarbeiter, den Zoll oder auch die Steuerfahndung. Das Ergebnis der Arbeit mündete im Dezember in einen „Integrationsfonds für südosteuropäische Zuwanderer“, für den die Stadt 600 000 Euro bereitstellte. Mit der einen Hälfte dieser Summe wurde Schuhmann zufolge zum Beispiel städtisches Personal finanziert, das sich mehr um die Problemgebiete kümmert. Das reicht von Polizisten bis zu Feuerschutzfachleuten, die die bisweilen sehr heruntergekommenen Wohnungen der Zuwanderer auf Gefahrenquellen untersuchen. Finanziert werden aber auch Übersetzer, die auf den Ämtern den Zuwanderern helfen, die kein oder sehr wenig Deutsch sprechen. Die andere Hälfte der Summe soll Projekte unterstützen, die zur Integration der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien dienen – etwa die Gründung eines Vereins mit dem Ziel der Integration.

Während die Kommunen vor Ort mit den Problemen der massiven Zuwanderung kämpfen, sieht das zuständige Ministerium in Berlin vor allem auch die Heimatländer Rumänien und Bulgarien in der Pflicht. „Die Länder müssen dafür sorgen, dass ihre Menschen daheim ordentliche Verhältnisse haben, so dass sie keinen Grund haben, nach Deutschland zu kommen“, erklärte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) jüngst.

Der Innenminister will gegen Sozialbetrüger vorgehen

Die Europäische Union gebe sehr viel Geld, um den Ländern aus Osteuropa zu helfen; dieses müsse entsprechend genutzt werden. Zudem will Friedrich härter gegen jenen Teil der Zuwanderer aus beiden EU-Ländern vorgehen, die nur deshalb nach Deutschland kämen, um Sozialleistungen zu bekommen. „Das können wir nicht akzeptieren“, sagt er: „Wenn ein solcher Betrug nachgewiesen werden kann, und das ist Aufgabe auch der Behörden vor Ort, kann man die Ausreise dieser Personen verlangen.“

Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, der auf das Thema internationale Migration spezialisiert ist, warnt jedoch nachdrücklich davor, die Diskussion auf der Grundlage von Vorurteilen zu führen. Natürlich stelle diese Zuwanderung die deutsche Gesellschaft vor eine große Herausforderung, meint er. Doch gebe es keine „guten“ Zuwanderer aus Ländern wie Spanien und „schlechte“ aus Rumänien und Bulgarien. Alle Menschen hätten die gleiche Chance verdient.