Eine Ratsmehrheit fordert mehr Personal und ein schärferes Vorgehen gegen die illegale Wohnungsvermietung. Die CDU sieht Monteure eher in Wohnungen als in Containern. Vermieter müssen mit Post vom Finanzamt rechnen.

Stuttgart - Die Landesgesetze zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in Berlin und Bayern sind deutlich schärfer als das baden-württembergische Pendant. Die Stadtverwaltungen in der Bundeshauptstadt und in München scheuen sich nicht, vor Gericht zu ziehen, um ihre Satzungen umzusetzen und Vermietern das Leben schwerzumachen, die ohne Genehmigung Wohnraum in Fremdenzimmer umwandeln und diese auf Internetportalen anbieten. Das Stuttgarter Verbot kommt deutlich zurückhaltender daher – etwa bei der Bußgeldhöhe sowie der Rückführung und der Wiederherstellung von Wohnraum und der Frist für genehmigten Leerstand.

 

Das Wirtschaftsministerium sorgt sich mehr um den Verwaltungsaufwand der Umwandlungsprofiteure als um die Effizienz der Ermittler und lehnt es daher ab, Online-Anbieter zur Herausgabe der Namen und Adressen ihrer Kunden zu bitten. Das Baurechtsamt verweist darauf, dass sich damit sein Aufwand verringern lasse.

Konservative sprechen von Leerstandsschnüffelei

Die Vermietung über den Ferienwohnungsvermittler Airbnb und Arbeitnehmer-Unterkunftsanbieter wie Monteurzimmer.de wird von knapp der Hälfte des Gemeinderats als vernachlässigbar eingestuft. Die Ratsdebatten zum Verbot waren maßgeblich vom Streit darüber geprägt, wie man Leerstand ermitteln kann. „Schnüffelei“ unterstellen CDU, Freie Wähler, FDP und AfD, flankiert vom Verein Haus & Grund. Sie würden die Satzung am liebsten abschaffen, auch wenn damit die Möglichkeit entfiele, zu verhindern, dass noch mehr Wohnungen nur noch vorübergehend vermietet werden – statt langfristig an Erzieherinnen, Polizisten, Pflegekräfte und deren Familien.

Damit ist bei den Arbeitnehmerunterkünften wegen der hohen Mieteinnahmen zu rechnen. Oft werden in kleinen Wohnungen bis zu elf Arbeiter pro Zimmer untergebracht. Airbnb plant einen „Plus-Ableger“, der auf hochwertige Wohnungen für eine anspruchsvolle Klientel wie etwa Medizintouristen und Führungskräfte im Außeneinsatz abzielt.

Mehr Personal für das Baurechtsamt gefordert

Diese Umwandlungen seien trotz ihrer Relevanz nicht im Fokus der Stadt gewesen, kritisiert Thomas Adler (SÖS/Linke-plus). Er sagt, jede durch das Zweckentfremdungsverbot vor der Umwandlung bewahrte Wohnung müsse nicht erst neu gebaut werden. Wie er fordern Grüne und SPD mehr Personal für das Baurechtsamt und strengere Kontrollen von Ferienwohnungen, aber auch von Unterkünften für Monteure, Handlungsreisende und Bauarbeiterkolonnen. Unsere Zeitung hatte über das umfangreiche Angebot auf den Spezialportalen berichtet.

Die Fraktionen plädieren wie das Baurechtsamt für die Aufhebung des Rückwirkungsverbots, so dass auch Umwandlungen vor Satzungsbeginn Anfang 2016 betroffen wären. Die Stadt soll zweckentfremdete Wohnungen selbst mieten können, und die Online-Portale sollen die Namen und Adressen von Vermietern nennen müssen. Dann könnte leicht geprüft werden, ob Wohnraum zweckentfremdet worden ist. Heute müssen sich Kontrolleure als Mietinteressenten ausgeben.

In Berlin und Bayern wird verdächtigen Vermietern mächtig zugesetzt. München verlangt umfassende Auskünfte über Wohnungen von Online-Portalen wie Airbnb, die mehr als acht Wochen lang im Internet angeboten werden. Kommen die Anbieter der Forderung nicht nach, drohen 300 000 Euro Bußgeld. Wer in Berlin eine Ferienwohnung vermieten will, muss sich registrieren. Wer das unterlässt, riskiert eine Strafe von bis zu einer halben Million Euro.

Fiskus ist Vermietern auf der Spur

Gefahr droht nun von den Finanzbehörden. Das Bundeszentralamt für Steuern stellte ein Auskunftsersuchen an Irland, wo Airbnb seinen Europasitz hat, um die Herausgabe der Kundendaten zu erreichen. Illegalen Vermietern droht eine Steuernachzahlung für die letzten zehn Jahre plus Zinsen, Strafbescheid und Ordnungsgeld.

Stadtverwaltungen haben aber mit ihren Auskunftsersuchen bei Airbnb bisher keinen Erfolg, da die deutschen Firmentöchter, wie vor Gericht in Berlin, erfolgreich auf die Zuständigkeit der Europamutter für die Datenspeicherung verweisen. Der Stuttgarter Verein Haus und Grund warnt davor, die Portale „zu Helfershelfern der städtischen Zweckentfremdungsschnüffler zu machen“ und attestiert den Mahnern „Unsachlichkeit“. Wohnungsknappheit rechtfertige nicht jedes Mittel. Die Zahl der vermieteten Ferienwohnungen und Arbeitnehmerunterkünfte sei zu vernachlässigen. Geschäftsführer Ulrich Wecker verweist darauf, dass häufig Mieter ihre Wohnungen ohne Zustimmung des Vermieters kurzzeitig zu sehr hohen Preisen anböten. Das könnte eine fristlose Kündigung nach sich ziehen.

SPD wehrt sich gegen Vereinnahmung

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz hat sich „mit den Partnern unserer Wohnraumoffensive Stuttgart darauf verständigt“, keinen weiteren Maßnahmen zuzustimmen, die einem Eingriff in das Eigentum gleichkommen – SPD-Chef Martin Körner hat sich gegen die Vereinnahmung allerdings verwahrt. Monteure, Handlungsreisende und Bauarbeitertrupps seien „Stuttgarter auf Zeit“, keine „Stuttgarter zweiter Klasse“, die ausschließlich in Containern oder Baracken hausen sollten, so Kotz. Die CDU habe nicht zuletzt gegen das Verbot gestimmt, „weil wir die Unterbringung von Monteuren für notwendig halten und dies nicht durch eine Satzung verhindern wollen“. Die Freien Wähler lehnten das Verbot grundsätzlich ab, sagt Stadtrat Konrad Zaiß. Irgendwo müssten Führungskräfte wie Monteure, Handelsreisende und Bauarbeitertrupps auch wohnen, so Zaiß.

Die Stadtverwaltung nimmt die Hinweise auf den ganzjährig auf Privatwohnungen angewiesenen Markt für Arbeitnehmerunterkünfte ernst, weil diese Nutzungsänderung meist auch baurechtlich genehmigt werden müsse. Häufig gebe es in solchen Gebäuden, in denen sehr viele Mieter auf Zeit wohnten, auch Probleme mit Rettungswegen. Aber: „Wir kommen an die Grenzen unserer Personalkapazität.“ Auch das Statistische Amt hat auf den Bericht über die Online-Portale für Handwerker und Monteure reagiert. Es prüfe nun, ob man diese Angebote – wie bisher schon jene von Airbnb – auswerten könne.