Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Eine gute Gelegenheit für ein Interview mit den Baubürgermeisterinnen Susanne Schreiber (Filderstadt) und Eva Noller (Leinfelden-Echterdingen). Die beiden sprechen über Männerdomänen und Frauenquoten.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Filderstadt/L.-E. - Wenn von der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau die Rede ist, geht es oft um Arbeitssituationen und Karrierechancen. Es gibt nach wie vor Berufssparten, in denen es mehr Frauen gibt, sowie welche, in denen vorrangig Männer tätig sind. Der Posten des Baubürgermeisters ist ein solcher. In Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen sind es Frauen, die auf diese Stellen gewählt worden sind: Eva Noller in L.-E., und Susanne Schreiber in Filderstadt. Ein Gespräch über Männerdomänen, Feminismus und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

 
Frau Noller, Frau Schreiber, würden Sie sich als Feministinnen bezeichnen?
Eva Noller: Wir sind, glaube ich, beide zu jung dazu! (Beide lachen.) Mir geht es jedenfalls so. Ich habe auch nicht das Gefühl, Feministin sein zu müssen. Trotzdem ist es wichtig, dass es eine gewisse Ausgeglichenheit unter den Geschlechtern gibt, dass es Frauen in führenden Rollen gibt, aber ich würde nicht sagen, dass ich Feministin bin.
Susanne Schreiber: So würde ich mich auch nicht bezeichnen. Ich glaube, die Generation vor uns hat uns den Weg bereitet, die hat gekämpft, und Feminismus sehe ich durchaus als Kampf. Aber ich glaube, wir sind die Generation Frauen, die davon profitiert, die deshalb viel leichter durchs Leben geht, durch diese starken Frauen, die vor uns gekämpft haben. Darum finde ich es auch völlig legitim und richtig, dass es den Internationalen Frauentag gibt.
Sie beide sind Baubürgermeisterinnen, und sowohl für Filderstadt wie auch für L.-E. gilt: Vor Ihnen haben nur Männer dieses Amt innegehabt. Ist der Begriff einer Männerdomäne noch aktuell?
Schreiber: Ich glaube, dass früher die Frauen, die tatkräftig waren, Ideen hatten, anders leben wollten, leider eher auf dem Scheiterhaufen gelandet sind als in den Rathäusern. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei! (Beide lachen.) Klar, der technische Bereich, in dem wir beide tätig sind, ist heute noch oft von Männern geprägt, aber man sieht ja auch an den Studienzahlen: Die Frauen holen kontinuierlich auf. Für mich persönlich ist Frausein in einer Männerdomäne Normalität und gar nicht mehr außergewöhnlich.
Noller: Vor sechs Jahren, als ich gewählt wurde, war es noch ein bisschen anders. Das merke ich auch immer wieder bei Veranstaltungen wie etwa Bürgermeistertreffen: Die Anzahl der Frauen nimmt zu, es ist eine Entwicklung zu sehen. Tatsächlich gibt es ja mittlerweile viele Baubürgermeisterinnen, auch um uns herum, etwa in Böblingen oder Reutlingen. Als ich aber 2001 als Persönliche Referentin in Ulm angefangen habe, da war ich die erste Frau im Führungsgremium. 18 Männer saßen am Tisch, so manche ältere Kollegen haben mich angeschaut wie ein Auto. Da hatte ich das Gefühl, auf einem anderen Stern zu sein. Aber heute ist es auch in den Ämtern selbst anders. Ich habe zwei Amtsleiterinnen, zwei Amtsleiter, das ist ausgeglichen, und in den Ämtern arbeiten teilweise überwiegend Frauen.
Schreiber: Bei mir im technischen Dezernat ist es eher außergewöhnlich für mich, da bin ich oftmals die einzige Frau. Bisher hatte ich immer auch andere Frauen in Abteilungen und Positionen um mich herum.
Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist für keine Frau einfach – stimmen Sie dem zu?
Schreiber: Ja, denn man darf nicht vergessen: Die Doppelbelastung der Frau spielt immer noch eine große Rolle. Ich glaube, dass sich viele Frauen oft gar nicht zutrauen, beides hinzubekommen, beides zu schaffen. Es braucht viel Energie und Disziplin.
Noller: Ja, als Bürgermeisterin muss man sich wirklich Gedanken machen, wer sich um die Kinder kümmert, und vor allem: Wann hat man selbst Zeit für die Kinder? Das funktioniert auch nur dann gut, wenn man sich auf den Partner verlassen kann.
Schreiber: Bei uns zu Hause gibt es nicht den klassischen Rollentausch, wir arbeiten beide hundert Prozent. Das ist auch eine Herausforderung – aber für beide.
Noller: Es ist immer ein Miteinander, ein Sich-Teilen. Bei uns war die Aufgabenverteilung früher genau hälftig, mittlerweile ist es so, dass das meiste, was Haushalt und Kinder angeht, bei meinem Mann liegt. Er kann sich bei seiner beruflichen Tätigkeit die Zeit besser einteilen, als ich es kann.
Der gesellschaftliche Wandel, den Sie bereits angesprochen haben – glauben Sie, dass er von alleine kommt? Oder halten Sie Quoten oder Paritätsgesetze für notwendig?
Schreiber: Ich glaube, es gibt durchaus Bereiche, in denen eine Frauenquote sinnvoll wäre. Denn es gibt Wirtschaftszweige, in denen die Frauen immer noch unter ferner liefen laufen. Da wäre es sicher anzudenken. In meinem Bereich sehe ich es eher weniger.
Noller: Ich denke, wir sind zum Teil auch deshalb Bürgermeisterinnen geworden, weil die Öffentlichkeit der Meinung war: Es braucht jetzt einmal eine Frau. Klar sind wir vom Gemeinderat gewählt, aber die bilden ja auch die Gesellschaft ab. Zum Glück! Und ich sehe es wie Sie: 2018 haben wir 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert. 100 Jahre sind eine lange Zeit! Dafür ist es wirklich in vielen Bereichen, auch in der öffentlichen Verwaltung manchmal, zu wenig ausgeglichen. Nicht nur, dass Frauen zu ihren Rechten kommen sollen: Ich halte es auch für gut für eine Verwaltung, wenn beide Temperamente, beide Geschlechter vertreten sind. Die Mischung tut gut – das erlebe ich auch so.
Schreiber: Ich halte es für notwendig, den Frauen und den Familien generell die Möglichkeit – in Form von Kitaplätzen und dergleichen – zu bieten, sich frei entscheiden zu können. Ich glaube, diese Freiheiten sind extrem wichtig, aus meiner Sicht noch wichtiger als eine flächendeckende Frauenquote. Generell die Familien zu fördern und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich bunt aufzustellen, das finde ich wichtiger.
Noller: Manche Veränderungen brauchen einfach einen Rahmen. Das merken wir auch in anderen Bereichen. Ich hätte nichts gegen eine Quote. Mich hat man mal gefragt: „Wollen Sie etwa eine Quotenfrau sein?“ Das wäre mir egal, das ist ja kein Stigma. Die Geburtenrate in Baden-Württemberg steigt ja wieder – das liegt auch an den Kitas. Es ist so wichtig, dass die Frau auch eine Perspektive hat, zurück in den Beruf zu kommen. Vor 15 Jahren war es eine Entscheidung: Will ich meinen Beruf ausüben, oder will ich Kinder? Heute geht beides. Das Elterngeld ist sicher auch hilfreich, die Männer miteinzubeziehen. Die bekommen auf diese Weise ganz andere Einblicke ins Familienleben.
Sprechen Sie mit Ihren Kindern über Gleichberechtigung oder Frauenrechte?
Schreiber: Der vorgelebte Alltag spricht für sich. Ich bin in einer „klassischen“ Familie aufgewachsen, der Vater geht arbeiten, die Mutter ist zu Hause und kümmert sich um die Kinder. Meine Töchter und mein Sohn wachsen da anders auf, es ist selbstverständlich, dass man sich die Arbeit teilt, dass die Mutter auch arbeiten geht. Wenn wir in der Familie über dieses Thema diskutieren, schauen wir uns eher andere Länder auf der Welt an, wo die Frauen noch eine ganz andere Rolle haben, oft unterdrückt werden. Es ist nicht überall so wie bei uns in Deutschland. Was wir gesellschaftlich hinbekommen haben, ist toll.
Noller: Kann ich so bestätigen. Für mich ist auch wichtig, dass meine Tochter einen Beruf wahrnimmt, den sie gerne macht, und dass sie so finanziell auf eigenen Füßen stehen und unabhängig sein kann. Ich glaube, die Scheidungsrate ist nicht deshalb so hoch, weil man heute schneller aufgibt als früher, sondern weil man es sich heute leisten kann. Früher konnten die Frauen es sich nicht leisten und waren gezwungen, in der Ehe zu bleiben.
Am 26. Mai ist Kommunalwahl. In den meisten Gremien – der Gemeinderat von L.-E. ist mit Frauenmehrheit gerade die Ausnahme – sind die Frauen in der Unterzahl. Wie, glauben Sie, könnte man mehr Frauen ermuntern, in die Politik zu gehen?
Noller: Man muss die Frauen direkt ansprechen und sie ermuntern, aber von Kinderbetreuungsgruppen während der Gemeinderatssitzungen halte ich wenig. Frauen machen, glaube ich, oft erst dann etwas, wenn sie sich sicher sind. Sie wollen sichergehen, dass das, was sie vertreten, richtig ist. Sie wollen ein Amt nicht um des Amtes willen ausüben. Das ist sicher auch ein Grund, warum sich weniger Frauen auf die Liste setzen lassen.

Der Werdegang der beiden Bürgermeisterinnen

Susanne Schreiber hat Kunstgeschichte und Italienisch studiert, dann Architektur. Nach dem Abschluss arbeitete sie als Architektin und später im Baurechtsamt und Stadtplanungsamt von Trochtelfingen und Reutlingen. Vor vier Jahren wurde sie die Leiterin des Stadtplanungs- und Umweltamts in Nürtingen. Im September 2018 hat der Gemeinderat Filderstadt sie zur neuen Bürgermeisterin und Leiterin des Baudezernats gewählt, als Nachfolgerin von Reinhard Molt. Im Januar 2019 hat sie ihr Amt angetreten.
Eva Noller hat Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart studiert. 2001 hat sie das Große Staatsexamen in Stadtplanung abgelegt, mit dem Titel Regierungsbaumeisterin. Noller arbeitete von 2001 bis 2008 als Persönliche Referentin des Ulmer Bau- und Umweltbürgermeisters Alexander Wetzig. Danach leitete sie den Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung der Stadt Göppingen, bis sie 2013 zur Ersten Bürgermeisterin und Leiterin des Technischen Dezernats in L.-E. gewählt wurde.