Wer ihnen zuhört, der erlebt lebendige Stadtgeschichte: Jetzt verabschieden sich zwei Urgesteine der Freien Wähler, Klaus-Peter Fritschi und Markus Kling, aus der Weil der Städter Kommunalpolitik.

Weil der Stadt - Kein Geld in der Kasse, dafür zu viele Autos in der Stadt – und was passiert eigentlich mit der Hindenburgstraße? Klaus-Peter Fritschi muss selbst ein wenig schmunzeln, wenn er an seinen Anfang im Gemeinderat denkt. „Das war 2004“, erinnert er sich, „und die Hindenburgstraße war damals schon ein großes Thema.“ Das ist eine Straße, um die es seit Jahren eine komplizierte juristische Debatte um Erschließungsbeiträge und Grundstücksverläufe gibt.

 

Bis heute ist das Problem nicht gelöst. Genauso wenig wie die Sorgen um die leere Kasse oder zu viele Autos. „Die Themen sind die gleichen“, sagt auch Markus Kling. Und die Streite und Debatten werden weitergehen. Aber ohne Fritschi und Kling. Denn wenn der Bürgermeister Thilo Schreiber am Dienstag den neu gewählten Gemeinderat offiziell in die Pflicht nimmt, dann beenden die beiden Freien Wähler ihr Engagement, Fritschi nach 15 und Kling nach 20 Jahren.

Beide waren bei der Kommunalwahl nicht mehr angetreten. „Es war eine schöne Zeit“, heißt das kurze Fazit von Klaus-Peter Fritschi. Jetzt sitzt er in der Küche bei Markus Kling, die beiden denken zurück. Ohne die beiden Vollblutpolitiker sähe Weil der Stadt heute anders aus. Mit den hinteren Bänken haben sie sich nie begnügt, Kling war jahrelang Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, Fritschi der Vorsitzende von deren Ortsverband.

Beide gehören zwar unterschiedlichen Generationen an, aber die typische kommunalpolitische Karriere verbindet sie. Schon die Väter waren keine Unbekannten in der Kommunalpolitik. Karl Kling war schon 18 Jahre lang Gemeinderat gewesen. „Wenn das so ist, und wenn man dann noch selbstständig ist, kommen die Verantwortlichen irgendwann auf einen zu, ob man nicht auch mitmacht“, erinnert sich sein Sohn, der Glasermeister Markus Kling. 1994 hatte er den Einzug noch knapp verpasst, von 1999 an saß er dann im Gemeinderat. „Mir war wichtig, für die eigene Stadt was zu tun.“

Fritschi durfte zuerst nicht in den Gemeinderat, weil dort schon sein Bruder saß

Nicht ganz so glatt lief das bei Klaus-Peter Fritschi, der eigentlich überzeugter Liberaler ist. 1989, im Münklinger Vereinsheim, war es aber der damalige Freie-Wähler-Fraktionschef Michael Lieb, der auf der Suche nach Kandidaten war. „Er hat das geschickt gemacht“, erinnert sich Fritschi, „er hat erst meine Frau gefragt“. Die hatte nichts dagegen, da konnte dann auch Fritschi nicht mehr widersprechen. Allerdings wurde damals auch der Bruder Wolfgang Fritschi (FDP) gewählt – und damals war es zwei Verwandten nicht erlaubt, gleichzeitig einzuziehen. So durfte Klaus-Peter Fritschi zum ersten Mal 2004 in den Gemeinderat, nachdem der Bruder weggezogen war.

Dann aber ging die Arbeit los – mit den bekannten Themen und der Herausforderung, die aufwendige Infrastruktur der fünf Stadtteile trotz knapper Kassen einigermaßen aufrechtzuerhalten. Apropos knappe Kassen. Als das Thema aufkommt, kommen Kling und Fritschi kurz ins Diskutieren, ihre Positionen zeigen das Spektrum des Umgangs mit diesem schwierigen Thema. Markus Kling ist eher der Skeptiker, der immer zur Vorsicht bei Ausgaben mahnt. „Leicht fallen uns Investitionen nicht“, sagt er. Denn Investieren heißt in Weil der Stadt automatisch: Schulden aufnehmen.

Wer aber kein Geld hat, muss umso kreativer damit umgehen. „Für mich macht es aber einen großen Unterschied, ob ich das Geld in einem Kanal versenke oder in eine Liegenschaft investiere, die einen Gegenwert bildet“, überlegt Klaus-Peter Fritschi. Der frühere stellvertretende Schulleiter der Gottlieb-Daimler-Schule Sindelfingen wies in den Jahren seiner Gemeinderatstätigkeit immer darauf hin, dass man investieren müsse, vor allem in Bildung, wo sich das auszahle. „Da bin ich oft mit der Verwaltung aneinandergeraten“, erinnert er sich. Er gehört daher auch zu den Verfechtern der Doppik, des neuen Haushaltsrechts, weil man dort sieht, wie mit steigenden Ausgaben auch das Vermögen der Stadt wächst.

Und welche Themen bleiben? Die beiden müssen nicht lange überlegen. Prägend für Weil der Stadt ist natürlich die Südumfahrung, die im Juli 2002 eröffnet wurde. Auch an der Gestaltung des Wolldeckenareals mit der Ansiedlung des E-Centers haben sie mitgewirkt, ebenso am Neubau des Altenheims. „Die Brühlwiesen, wo der Bau demnächst beginnt, waren ein Vorschlag der Freien Wähler“, sagt Kling. Und dann natürlich der Dauerbrenner Marktplatz-Gestaltung und Altstadt. Klaus-Peter Fritschi erinnert sich an Architekturstudenten, die mal in Weil der Stadt waren. „Ihr habt so eine schöne Stadt, da könnte man so viel draus machen – und Ihr stellt den Marktplatz voll mit Autos“, hätten sie gesagt. Es hatte 2009 den großen Architektenwettbewerb und die Vision „Weil der Stadt 2020“ gegeben. Getan hat sich seitdem aber wenig – weil kein Geld da war. „Wir bedauern, dass es nicht zügiger voranging“, sagt Fritschi.

Zwei höchst unterschiedliche Bürgermeister

Bei all dem hatten die beiden zudem zwei höchst unterschiedliche Bürgermeister erlebt. Erst Hans-Josef Straub (SPD), mit dem die Freien Wähler weniger Probleme hatten als so manch andere Fraktion. „Wir haben ihn immer unterstützt – dazu stehen wir“, sagt Markus Kling. Als sich Straub dann aber 2012 verabschiedet hatte, war klar, dass die Freien Wähler einen Kandidaten präsentieren wollten. Kling und Fritschi waren es, die sich mit jemandem trafen, der Ambitionen hatte. Er hieß Thilo Schreiber und wurde Bürgermeister.

Als Schreiber übrigens im vergangenen Jahr zur CDU wechselte, hatte das in Weil der Stadt weit weniger Staub aufgewirbelt, als andernorts – weil Schreiber die Freien Wähler hier in seine Überlegungen immer miteinbezogen hatte. Sauer ist man hier nicht, ganz im Gegenteil: „Wir sehen, dass er jetzt etwa bei Abgeordneten ein ganz anderes Standing hat und für die Stadt viel mehr erreichen kann“, sagt Kling.

Jetzt heißt es Abschied nehmen. Dass sich Markus Kling schon mit 51 den kommunalpolitischen Ruhestand gönnt, hat auch mit dem Wandel des Amts zu tun. „Die Bürger sehen immer mehr nur ihren eigenen Vorteil und akzeptieren Entscheidungen, die demokratisch gefällt wurden, nicht“, stellt er fest. Schnell ist eine Bürgerinitiative gegründet, wenn jemandem etwas nicht passt. Das große Ganze, das der Gemeinderat immer im Auge hat, hat da dann keinen Platz mehr.

Beispiele finden sich einige in Weil der Stadt. „Ich bedauere noch immer zutiefst, dass die Familie Porsche ihren Reiterhof nicht bauen konnte“, sagt Klaus-Peter Fritschi. 2010 tobte dieser Streit in der Stadt. Ein Neffe des Porsche-Familienoberhaupts Wolfgang Porsche wollte damals im Mönchsloh einen Zuchtbetrieb für Dressurpferde bauen, mitten im Landschaftsschutzgebiet. Nach hitzigen Diskussionen zog die Familie ihren Bauantrag schließlich zurück. Ähnlich laut wetterte später eine Bürgerinitiative, als die Landwirtsfamilie Riehle einen Schweinestall plante, der mittlerweile fast fertig ist. „Ich habe nicht mehr den Nerv, mich immer rechtfertigen zu müssen“, sagt Kling.

Er bedauert aber keines der 20 Jahre: „Das Wissen und die Einblicke, die man bekommt, sind sensationell.“ Jetzt aber steht erst mal Freizeit an, genauso wie bei Klaus-Peter Fritschi. Auf den 72-Jährigen warten auch die drei Enkel Marilyn, Rosalie und Mats. Und ab und zu – aber nur wenn sie gefragt werden – geben sie den Nachfolgern einen kleinen Ratschlag, zum Beispiel zu leeren Kassen, zu zu vielen Autos oder zur Hindenburgstraße.