Vor genau zwei Jahren ist die Costa Concordia vor Giglio gekentert. Am Gedenktag geht es nicht nur um die Erinnerung an die 32 Todesopfer, sondern auch um die Frage, wie Reederei und Justiz mit wichtigen Augenzeugen umgehen.

Rom – Es sind nicht nur Menschen, denen die Katastrophe des Traumschiffs nicht mehr aus dem Kopf geht. Auch das Meer erinnert immer wieder an das, was am Montag vor zwei Jahren vor der Insel Giglio geschah: Am vergangenen Donnerstag ist eine Schwimmweste aus der Costa Concordia aufgetaucht. „Kabine 6432“ stand drauf. Mehr als 400 Kilometer vom Unglücksort entfernt, an der Westküste Sardiniens, haben Strömungen sie auf den Strand geworfen. Leuchtend orange. Unübersehbar.

 

Am 13. Januar, dem Gedenktag, haben Anwälte der geschädigten Passagiere und der Hinterbliebenen zu einem stillen Zug durch die Stadt Grosseto und zu einem Sit-In im Gerichtssaal aufgerufen. Über den Akt der Erinnerung hinaus wollen sie auf die Prozessmängel hinweisen und ihren Manipulationsverdacht erneuern, und sie halten an der Aktion fest, auch wenn der geplante Prozesstag am Montag wegen eines kurzfristig angesetzten, landesweiten Streiks der Rechtsanwälte ausfällt. Zur gleichen Zeit beteuern   andere – die Kreuzfahrt-Reederei Costa und der italienische Zivilschutz –, vor der Insel Giglio selbst sei alles in bester Ordnung. Das Wrack werde im Juni, spätestens im Juli, abtransportiert und in irgendeinem Hafen ebenso fachmännisch wie umweltgerecht verschrottet.

Die Anwälte versuchen, die Reederei selbst vor Gericht zu holen

„Wäre tatsächlich nur der Kapitän Schettino schuld, könnte der Prozess längst zu Ende sein“, sagt Massimiliano Gabrielli. In einem Pool aus 20 Anwaltskanzleien vertritt er die Interessen von etwa 100 zivilen Nebenklägern, von verletzten Passagieren aus England, Italien, Griechenland und Deutschland.   Oder von deren Erben. Gabrielli klagt dagegen, dass die Untersuchungsrichter fünf der Hauptverantwortlichen – vier Schiffsoffiziere und den Krisenmanager der Reederei Costa – einfach so haben laufen lassen. Obwohl sie der   vielfachen Tötung und Körperverletzung sowie des Schiffbruchs beschuldigt waren, kamen sie nach einem Deal mit der Staatsanwaltschaft ohne Prozess davon. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Der italienische „Bundesgerichtshof“ will sich demnächst über die Rechtmäßigkeit dieses Deals äußern. Aber der Indonesier zum Beispiel, der in jener Nacht am Steuer der Costa Concordia stand und weder auf Italienisch noch auf Englisch die Kommandos des Kapitäns richtig verstand, ist in seiner Heimat untergetaucht und kommt wohl nie wieder zurück.

Und weil die Zivilanwälte möglichst viel Schadenersatz für ihre Mandanten herausholen wollen, versuchen sie weiterhin, die Reederei selbst vor Gericht zu ziehen. Gabrielli und seine Kollegen sammeln Unterschriften für eine Sammelklage im US-amerikanischem Stil. Sie wollen Costa für eine Art grundsätzlicher Gesundheitsgefährdung in ähnlich drastischer und bestrafender Weise verurteilt sehen wie Zigarettenfirmen jenseits des Atlantiks. Denn, so sagt es Gabrielli: „Auf dem Schiff hat nichts funktioniert. Wenn eine Reederei nur auf Gewinn schaut, bleiben Sicherheitsinteressen zurück.“ Die 32 Passagiere seien nicht etwa beim Aufprall auf die Klippen ums Leben gekommen, sondern erst später, „beim technisch unerklärlichen Stromausfall und bei der unorganisierten Evakuierung des Schiffs, die Costa und der Kapitän auch noch verzögert haben, um Geld zu sparen“.