Zwei Jahre Untersuchungsausschuss Was bleibt von der Bestenauslese?

Gleich als erster Zeuge wurde Innenminister Thomas Strobl (CDU) im Oktober 2022 im Untersuchungsausschuss gehört. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Mehr als 200 teils zähe Stunden hat der Untersuchungsausschuss rund um die politische Affäre, die der Inspekteur der Polizei ausgelöst hat, bereits getagt. Dabei ging es zuletzt vor allem um die Frage, ob das Beförderungssystem bei der Polizei taugt. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse nach zwei Jahren?

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Die Arbeit in einem Untersuchungsausschuss gleicht einem Puzzle. Im aktuellen Fall ist es besonders mühsam, die Teile zu einem Bild zusammenzufügen, denn es geht um drei unterschiedliche Untersuchungsgegenstände: sexuelle Belästigung, Beförderung und um ein pikantes Schreiben, das Innenminister Thomas Strobl (CDU) an einen Journalisten unserer Zeitung weitergab. Was sind die Erkenntnisse nach 224 Sitzungsstunden und 35 Zeugenanhörungen?

 

Die Causa Brief

Besagter Brief schlug vor allem zu Beginn des Ausschusses hohe Wogen. Strobl hatte ein Anwaltsschreiben des Inspekteurs der Polizei an einen Journalisten unserer Zeitung gegeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelte und stellte das Verfahren schließlich gegen eine Geldauflage von 15 000 Euro ein. Der Landesdatenschutzbeauftragte stellte später formal einen Verstoß gegen den Datenschutz fest. Die Opposition machte massiv Druck und forderte Strobls Rücktritt. CDU und Grüne stellten sich allerdings hinter den Innenminister. Dennoch hat die Affäre Spuren hinterlassen. Und ganz ausgestanden ist die Sache noch nicht. Die Opposition bezichtigt Strobl, der im Herbst 2022 auch als Zeuge im Untersuchungsausschuss gehört wurde, in einem Detail der Falschaussage. Die Staatsanwaltschaft prüft den Vorgang.

Sexuelle Belästigung bei der Polizei

Der eigentliche Ausgangspunkt des Untersuchungsausschusses waren allerdings der Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen den Inspekteur der Polizei. Eine Hauptkommissarin hatte ihm vorgeworfen, sie sexuell genötigt zu haben. In einem Strafprozess war der Beamte freigesprochen worden. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Es laufen aber weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Bestechlichkeit. Dabei geht es um ein Telefonat, in dem der Inspekteur einer Beamtin gesagt haben soll, dass eine Beziehung mit ihm ihrer Karriere nicht schade.

Das und weitere Details könnten auch in dem noch ausstehenden Disziplinarverfahren eine Rolle spielen. Im Prozess vor dem Landgericht war zur Sprache gekommen, dass der Inspekteur anzügliche Bilder von sich an Frauen bei der Polizei verschickt haben soll. Im Untersuchungsausschuss wurden wiederholt Partys im Ministerium und im Landeskriminalamt erwähnt, die während des Coronalockdowns verbotenerweise stattgefunden haben sollen.

Für die FDP-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Julia Goll, ist vor allem unverständlich, dass der Inspekteur angesichts der Vorwürfe nach wie vor volle Bezüge erhält, obwohl ihm nun seit gut zweieinhalb Jahren das Führen der Amtsgeschäfte verboten ist. „Es braucht ein klares Zeichen in die Breite der Polizei“, fordert sie. An seine Position zurückkehren könnte der aktuell beurlaubte Inspekteur nicht. Das Innenministerium hat den Posten des Inspekteurs der Polizei inzwischen abgeschafft.

Wäre es nun nicht langsam an der Zeit, den Mann selbst als Zeugen zu laden? „Die Geschichte ist nicht fertig, ohne dass wir ihn gehört haben, weil er da an vielen Punkten eine Rolle spielt“, stellte Goll jüngst fest. Angesichts noch laufender Ermittlungen und zivilrechtlicher Verfahren ist aber fraglich, zu was er zu diesem Zeitpunkt überhaupt eine Aussage machen darf und will.

Sexuelle Belästigung in der Landesverwaltung

Der Ausschuss hatte sich aber auch zur Aufgabe gemacht, sexuelle Belästigung in der Polizei und in der Landesverwaltung insgesamt unter die Lupe zu nehmen. Eine Ermittlungsbeauftragte hatte die Fälle der vergangenen zehn Jahre untersucht. Der Bericht ist fertig, aber noch nicht öffentlich. Die Ausschussvorsitzende Daniela Evers (Grüne) sagte zuletzt, damit sei man einen großen Schritt weiter und könne eine Zwischenbilanz ziehen. Damit sollen Handlungsempfehlungen für die Landesregierung formuliert werden. Das Innenministerium hat bereits erste Schritte unternommen, eine Dienstvereinbarung formuliert und eine Vertrauensanwältin installiert, an die sich Betroffene wenden können. Ob das wirksam ist, müsse aber immer wieder überprüft und, wo notwendig, weiterentwickelt werden, sagte Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand.

Beförderungen und Besetzungen

Die größten Erkenntnisse hat der Untersuchungsausschuss im zweiten Jahr bei der Beförderungs- und Besetzungspraxis gewonnen. Mehrere Zeugenaussagen weckten Zweifel daran, ob das strenge Prinzip der Bestenauslese immer eingehalten wurde. Dabei geht es auch um die steile Karriere des fraglichen Beamten, der 2019 LKA-Vizepräsident wurde und dank ungewöhnlicher Bestnoten nur ein Jahr später ranghöchster uniformierter Polizist im Land: Inspekteur der Polizei. SPD-Obmann Sascha Binder ist überzeugt: „Die wichtigste Erkenntnis ist: Der rasante Aufstieg von A.R. war politisch motiviert.“ Ähnlich hatte es zu Beginn des Ausschusses ein Zeuge aus dem Innenministerium dargestellt: Der Mann sei Strobls Favorit gewesen. Der frühere LKA-Präsident Ralf Michelfelder berichtete unterdessen, dass er sich aus fachlichen Gründen gegen dessen Beförderung ins Landeskriminalamt gewehrt hatte.

Zeugen stellten aber auch Personalentscheidungen des Inspekteurs selbst infrage – etwa als er die Führung des SEK austauschte. „Die Bestenauslese wurde im Fall von A.R. und anderen Fällen zur Farce“, resümiert Binder. Die Beurteilungen müssten aber Leistung und Befähigung widerspiegeln und dürften nicht dazu missbraucht werden, Wunschkandidaten auf Führungspositionen zu hieven. Selbst die CDU-Obfrau Christiane Staab bezeichnete das System im Ausschuss als „dysfunktional“.

Das zu ändern ist Aufgabe des inzwischen eingesetzten Wertebeauftragten der Innenverwaltung, Jörg Krauss, der im Ausschuss ebenfalls Kritik an der bisherigen Praxis äußerte. Ob das gelingt, stellt FDP-Obfrau Goll in Frage: „Ich bin der festen Überzeugung, das Verfahren ist nicht das Problem, sondern dass es missbraucht wird.“

Wie geht es weiter?

Was bisher geschah
Bisher tagte der Ausschuss an 26 Sitzungstagen. 35 Zeugen wurden gehört – darunter Ministerpräsident Winfried Kretschmann, aber auch ein Großteil der Führungsriege der Polizei und des Innenministeriums. 38 Beweisanträge gestellt. Die Obfrau der CDU, Christiane Staab, findet: „Nach zwei Jahren ist es Zeit, dass der Untersuchungsausschuss zu einem Ergebnis kommt.“

Was noch kommt
Ein Ende des Ausschusses ist bislang nicht abzusehen. „Terminiert haben wir bis Jahresende“, sagte Die Ausschussvorsitzende Evers. Abzüglich der Sommerpause sind das noch sechs Sitzungen. Das dürfte kaum reichen, um die 22 Zeugen, die noch auf der Liste des Untersuchungsausschusses stehen, abzuarbeiten.

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