Die Stadtbahn U 6 ist das Rückgrat des Gerlinger Nahverkehrsangebots. Sie wird bald entlastet durch eine neue Linie, die Stuttgart-Giebel mit Fellbach verbindet. Der „Sechser“ fährt seit genau 20 Jahren.

Gerlingen - Der Bau der Stadtbahn bis Gerlingen ist das kommunalpolitische Thema in der Stadt von der Mitte der achtziger Jahre an gewesen. Am 31. Mai 1997 war es dann soweit: Die erste Stadtbahn fuhr in Gerlingen ein – mit dem damaligen Bürgermeister Albrecht Sellner am Steuer. Bis heute haben 1,5 Millionen Stadtbahnwagen die Endstation am Neuen Platz angesteuert und in Richtung Stuttgart-Mitte und Filder wieder verlassen. Die 1997 mit gebaute kleine Abstellanlage für zwei Doppelzüge, in die Endhaltestelle integriert, soll nun eine große Schwester bekommen: Laut dem Technikvorstand Wolfgang Arnold sucht die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) nach dem Standort für ein neues Depot für Stadtbahnzüge bei Weilimdorf. „Wir hoffen, dass uns Gerlingen da nicht helfen muss“, sagt Arnold.

 

Mehr als 6000 Fahrgäste nutzten die U 6 täglich, so Arnold. Beim Wegfahren von Gerlingen bekommen sie zwar fast immer einen Platz – die Linie ist aber später auf der Strecke ab dem Pragsattel sehr frequentiert. Deshalb will die SSB mit der neuen U 16 eine Entlastung auf der Strecke bis Giebel schaffen. Und die 80 Meter langen Doppelzüge, mit denen auf der U 6 seit 1997 gefahren wird, werden in den Köpfen mancher Stadtbahn-Futuristen schon auf 120 Meter verlängert. Naheliegender ist ein anderes Ziel: Von Dezember 2020 an soll die U 6 von Gerlingen in knapp einer Stunde zur Messe und zum Flughafen fahren.

Mehr Nahverkehrsangebote

Das ist die anstehende Ergänzung des Nahverkehrangebots, auf das die Gerlinger zurückgreifen können. Neben der Stadtbahn mit ihrer vom Auto nicht zu schlagenden 25-Minuten-Fahrzeit bis Hauptbahnhof, so der Bürgermeister Georg Brenner, habe man in Gerlingen seit zehn Jahren den Stadtbus und seit diesem Jahr den Schnellbus, der von Leonberg über die Schillerhöhe zur Universität in Vaihingen und weiter zum Flughafen und zur Messe fahre. Zudem gebe es Leihfahrzeuge – und vermutlich in wenigen Monaten auch Leih-E-Bikes. Die Stadt beteilige sich im Moment an einer Ausschreibung.

1997 fuhr die erste große gelbe Stadtbahn nach Gerlingen – nach langer Diskussion und Planung. „Wo fange ich an, wenn ich an das Thema zurückdenke?“ fragt sich Karl Grob von der CDU, der bis 2014 jahrzehntelang im Gemeinderat saß. Am Anfang habe es „Spitz auf Knopf gestanden“, ob die Bahn bis in die Stadt hinein oder nur bis Giebel fahre. „Die CDU und wir wollten die Endhaltestelle in Gerlingen“, ergänzt sein damaliger SPD-Kollege Siegfried Brändle – auch für viel Geld. Am Schluss, so die beiden ehemaligen Stadträte, habe man mit einigen Freien Wählern eine breite Mehrheit gehabt. Zu ihnen gehört Horst Arzt. Sein erster Gedanke beim Blick zurück? „Die Feldweiche“ – dort befand sich das mögliche Ende der Bahn bei Giebel. Und von dort aus sollte ein Bus bis in die Stadt hinein fahren. Diese Lösung wollten diejenigen, die sparen wollten.

Ehemaliger Bürgermeister erinnert sich an viel Streit

„Die Stadtbahn muss in die Stadt, wie früher die Straßenbahn“ – das strebte auch der damalige Rathauschef Albrecht Sellner an. „Es gab viel Streit“, erinnert er sich und denkt auch an eine dreitägige Klausur des Gemeinderats mit Experten. Man habe viele Planungsvarianten diskutiert. Die beste war auch die teuerste: Der Tunnel von der Haltestelle Siedlung aus bis zur Endhaltestelle an der Schulstraße. Dazu kam es dann auch. An die 100 Millionen Mark, die insgesamt notwendig waren und von denen die Stadt rund 20 berappen musste, denkt heute keiner mehr mit Grausen. Nun fahren an einem Werktag 113 Bahnen nach Stuttgart: von halb sechs am Morgen bis abends um halb neun sogar alle zehn Minuten. Und so viele Bahnen kommen auch an.