Shinji Okazaki hat Gotoku Sakai bei der Eingewöhnung in Stuttgart sehr geholfen. Davon profitiert der VfB: "Er tut unserem Verein gut“, sagt Labbadia vor dem Spiel gegen Köln.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Wenn der Schiedsrichter Peter Sippel am Samstag gegen 17.20 Uhr die Bundesligapartie des VfB im Kölner Stadion abpfeift, müssen sich Shinji Okazaki und Gotoku Sakai wie üblich auf eine ausgedehnte dritte Halbzeit im Bauch der Arena einstellen. Schließlich reisen dem Fußballerduo seit Wochen rund zehn Zeitungs- und Magazinjournalisten aus Nippon zu allen Spielen hinterher.

 

Während der Partien zeichnen die Reporter aus Fernost auf den Pressetribünen in Windeseile die Positionen der einzelnen Spieler bei den Großchancen nach – so zerlegen sie in ihren taktische Analysen die Spielzüge in ihre Einzelteile; nach dem Abpfiff haben sie dann einen Bauchladen voller Fragen im Gepäck. Also sitzen die VfB-Kollegen bei Auswärtspartien oft schon längst im Mannschaftsbus, während Okazaki und Sakai immer noch geduldig im Interview-Parcours feststecken. Zwar ist die englische Premier League im Interesse der Japaner immer noch die klare europäische Nummer eins – aber die Bundesliga hat mächtig aufgeholt, dank Spielern wie dem Dortmunder Shinji Kagawa, dem Schalker Atsuto Uchida, dem Wolfsburger Makoto Hasebe – aber auch dank Okazaki.

„In meiner Heimatstadt Niigata bin ich bekannt, aber in Tokio kann ich weiterhin unbedrängt durch die Straßen laufen“, sagt der Außenverteidiger Gotoku Sakai, der aber die Entdeckung der Rückrunde beim VfB ist. „Ich werde zu Hause häufiger erkannt“, erzählt dagegen Shinji Okazaki, (26), der mit 50 Länderspielen (26 Tore) in Japan ein gestandener Nationalspieler ist.

Ein fast unzertrennliches Pärchen

In Stuttgart bilden die beiden Japaner vor und nach den Trainingseinheiten und den Spielen ein fast unzertrennliches Pärchen. „Shinji ist ein fröhlicher Mensch und mein bester Freund, den ich hier habe. Er hat mir bei der Eingewöhnung beim VfB sehr geholfen“, sagt Sakai (21) – dennoch sind die beiden unterschiedliche Charaktere, was nicht nur daran liegt, dass der eine Verteidiger und der andere Stürmer ist.

„Er spielt sehr selbstbewusst und hat meine Erwartungen übertroffen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann er Nationalspieler wird“, lobt der eher sachliche Okazaki seinen temperamentvolleren Landsmann, der zwar erst in der Winterpause zum VfB stieß, aber in seinen elf Bundesligaspielen – zunächst als linker, dann als rechter Verteidiger – mächtig Eindruck hinterlassen hat. „Er gehört zu jenen Spielern, die sich unglaublich schnell an ein höheres Niveau anpassen können“, sagt der VfB-Trainer Bruno Labbadia: „Er ist wahnsinnig fleißig und tut unserem Verein sehr gut.“

Weil Gotoku Sakai mit 21 Jahren erst am Anfang seiner Entwicklung steht und sein immenses Potenzial quasi unübersehbar ist, wird sein Name schon in Verbindung mit der deutschen Nationalelf gebracht, wo die rechte Abwehrseite seit Jahren die große Problemzone ist. „Ich fühle mich sehr geehrt, aber ich kann das noch nicht beantworten“, sagt der in New York geborene Sakai, dessen Mutter Angelika aus Nürnberg stammt, zu der Aussicht, künftig einmal für die deutsche Nationalmannschaft antreten zu können: „Ich habe schon allein deswegen keine Antwort auf diese Frage, weil ich bisher noch keine Anfrage hatte.“

Zur Zeit sind die Asiaten noch untätig

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sollte sich also sputen. Schließlich ist Sakai bereits im Januar 2010 zum ersten und bisher einzigen Mal für die japanische Nationalelf nominiert worden. Weil er damals aber nicht zum Einsatz kam, ist er noch nicht festgespielt. Das weiß auch der DFB. Zuletzt haben Hansi Flick, der Assistent des Bundestrainers Joachim Löw, und der Chefscout Urs Siegenthaler Sakai beim Heimspiel gegen Bremen (4:1) in Augenschein genommen. „Ich glaube, ich könnte für Japan mal ein wichtiger Spieler sein – aber es ist noch nichts entschieden“, sagt Sakai: „Ich habe eine deutsche Mutter, aber ich bin in Japan aufgewachsen, daher ist meine Verbundenheit zu diesem Land sehr groß.“

Aktuell sind die Asiaten aber noch untätig: Der japanische Nationaltrainer Alberto Zaccheroni war zwar beim Gastspiel der Stuttgarter vor anderthalb Wochen in Augsburg – nach der Partie hat er sich aber vornehmlich mit Okazaki und dem FCA-Profi Hajime Hosogai unterhalten, während Sakai eher unbeteiligt daneben stand.

Geht es nach Okazaki, ist die Entscheidung bezüglich des richtigen Nationaldresses allerdings keine Frage: Sakai, findet der Offensivmann, solle später einmal an seiner Seite für Japan spielen. Schließlich kommt Okazaki mit dem „Go“, wie sie beim VfB ihren Novizen auf der Außenverteidigerposition nennen, sehr gut aus.

Reisen in die Heimat zu Länderspielen sind immer schön

„Uns trennen zwar fünf Jahre Altersunterschied“, erzählt Okazaki, der wie Sakai bereits zweifacher Familienvater ist: „Aber den spürt man nicht. Der Go ist ziemlich reif für sein Alter.“ Weil Sakai im Team bestens eingegliedert ist – besonders der Innenverteidiger Georg Niedermeier tut sich dabei als ehrenamtlicher Integrationsbeauftragter und Deutschlehrer hervor – bleibt Okazaki auch Zeit, sich um die eigene Karriere zu kümmern.

„Ich bin mit meiner Zwischenbilanz beim VfB zufrieden“, sagt Okazaki, der im Januar 2010 nach Deutschland kam. „Ich hätte nur gerne mehr Tore geschossen.“ Dass er nach einer Verletzung seinen Stammplatz an Julian Schieber verloren hat und die Kollegen ohne ihn von einem Sieg zum nächsten eilen, stört Okazaki zumindest vordergründig nicht. „Solche Phasen gibt es“, sagt er lapidar.

Als Japaner in Deutschland müsse man es ohnehin nehmen, wie es kommt, finden Okazaki und Sakai. „Das fängt beim Rechtsverkehr der Autos an“, sagt Sakai, „und hört beim Essen auf, wo uns vor allem frischer Fisch fehlt“, ergänzt Okazaki. Da sind die Reisen in die Heimat zu den Länderspielen auch kulinarisch eine schöne Abwechslung. Bis jetzt fliegt Okazaki alleine von Stuttgart nach Japan. Ob sich das bald ändert, hängt auch davon ab, was die Reporter aus Nippon über Sakai zu berichten wissen.