Martin Ivenz und Christian Weber hatten keine Lust mehr auf ihre Arbeit in konventionellen Küchen. Sie haben gekündigt und machen ihr eigenes Ding: Ivenz in den Wagenhallen und Weber bei seiner Kochschule Kontrastreich.

Stuttgart - Eine Arbeitswoche von Martin Ivenz sieht so aus: Erst bekocht er die Führungsriege einer Privatbank, die ihre besten Kunden einlädt. Am Tag darauf macht er das Essen für eine Punkband, die im Ruf steht, im Suff zu randalieren. Für den Rest der Woche richtete er Fleischküchle und Kartoffelsalat für die kleine Kneipe, steht am Grill beim Nachtflohmarkt und kredenzt ein Hochzeitsmenü für 200 Gäste.

 

Martin Ivenz kocht in den Wagenhallen. Hierher kommen Anzugträger der Upper Class, Hipster, Hallodris, Alternative und Normalos. Der 32-Jährige könnte sich kein besseres Publikum wünschen. Ivenz ist glücklich in seinem Beruf, aber das war nicht immer so. In Anlehnung an einen Teil seiner Gäste könnte man ihn als Punkrocker unter den Köchen bezeichnen: unangepasst und eigenwillig.

Nachdem er sein Studium der Philosophie, Politik und Geschichte an der Uni Stuttgart geschmissen hatte, wollte er das tun, was ihm schon immer Spaß machte: kochen. Seine Ausbildung im Schlosshotel Monrepos zog er dann durch, obwohl die Lehre ein knallharter Knochenjob war. Nach mehreren Stationen – ein paar Monate war er bei Vincent Klink in der Wielandshöhe – ist ihm die Lust auf die klassische Gastronomie vergangen. „Ich bewundere die Leute, die ein Lokal in der Stadt mieten“, sagt Ivenz, „aber für mich ist das nichts.“ Da gehe es nur ums Funktionieren und Überleben. „Am Anfang wird man hochgejubelt, alle kommen zum Essen, und nach einem Jahr ist der Hype wieder vorbei“, sagt Ivenz. Nur wenige könnten sich dauerhaft halten. Bewusst sucht er den Abstand von der Gastroszene. „Ein super Ausgleich ist für mich Tischtennis. Da spiele ich mit Bausparern und Schaffern, mit ganz normalen Leuten.“

Eine gute Fleischbrühe ist gar nicht so einfach

Bodenständig soll auch sein Essen sein. „Die scheinbar einfachsten Sachen sind oft besonders schwer: eine gute Fleischbrühe zum Beispiel“, sagt Ivenz, der schwäbisch, direkt und zupackend ist. Wenn dagegen der Hirsch in Köngen meine, einen auf Molekularküche zu machen, sei das Quatsch.

Was er auch nicht leiden kann, sind Foodblogger, die im Internet Ranglisten von Lokalen aufstellen. „Ich will hier keine Statusesser haben“, sagt Ivenz, der jeden Tag froh ist, dass er in den Wagenhallen schon seit fünf Jahren sein eigenes Ding macht – von der Buchhaltung über den Einkauf. Die Zutaten kauft er bei Kleinerzeugern aus der Region und vor den fünf Mitarbeitern in der Küche will er nicht den Chef raushängen lassen. „Hier muss und soll sich keiner verstellen.“ Ein anderer Koch, der aus der konventionellen Gastronomieszene ausgestiegen ist, heißt Christian Weber. Vor lauter kochen ist ihm am Ende fast der Appetit vergangen. Wie Martin Ivenz, der aus Gemmrigheim (Landkreis Ludwigsburg) kommt, stammt Christian Weber vom Land. „Ich bin auf einem Bauernhof bei Ellwangen aufgewachsen. Das Dorf hat 55 Einwohner“, sagt Christian Weber, den es aus der Pampa in die Sternegastronomie und wieder zurück zu den Wurzeln verschlagen hat: zur einfachen Küche mit regionalen Zutaten. Wenn man so will, ist auch er ein Punkrocker unter den Köchen: Weber pfeift auf Konventionen und macht sein Ding.

Kinder sollen etwas über Ernährung lernen

Ein veganes Ding: Weber kocht ohne tierische Lebensmittel – ohne jemanden bekehren zu wollen. Irgendwann hat er angefangen, alles zu hinterfragen. „Es landet so viel im Müll, das muss nicht sein“, sagt Weber, der Anfang 30 ist und zurzeit ohne Restaurant kocht. Zuletzt war er in Botnang in der Bo’teca di Vino, nun gibt er Kochkurse oder kommt zu einem nach Hause. Dort kocht man entweder mit ihm zusammen oder er gibt den Koch für Gäste und Gastgeber in deren eigenen vier Wänden. Dabei geht es nicht um Delikatessen und Gourmetgerichte, sondern um Speisen aus oftmals rohen Zutaten. Gerne serviert er rohen grünen Spargel. Auch mit Schulklassen arbeitet er an Projekttagen zusammen. „Wackelpudding, Paradiescreme, Tiefkühlpizza: Wir geben unseren Kindern so viel Schrott. Das ist nicht zeitgemäß“, sagt Weber, der nicht versteht, dass bei Besprechungen immer Plundergebäck und Butterbrezeln gereicht werden. Zudem zieht er mit seinem Foodtruck Kontrastreich durch die Gegend. Das nächste Mal macht er Station beim Lichterfest auf dem Killesberg am 11. Juli. Für sein Konzept (Kochkurse, Ernährungsberatung und Catering) ist er im Mai mit dem zweiten Platz beim Existenzgründerpreis des Landes ausgezeichnet worden.

Nun steht der nächste Schritt an: Christian Weber sucht Räume für ein eigenes Lokal. „Ich will nicht nur für Veganer kochen, sondern für Gäste, die einfach gern Gemüse essen.“ In seiner Küche würde es anders zugehen als in den Restaurants, in denen er früher gearbeitet hat. „Wenn man Glück hatte, kannte einen der Chef beim Namen.“ Hart und unvergesslich war die Lehre im Bayerischen Hof in München. „An Silvester mussten wir morgens um sechs Uhr anfangen und haben 20 Stunden gearbeitet.“ Am Ende landete der große Rest im Müll. Das will er anders machen.