Ein Mann tötet einen Polizisten, verschanzt sich in dessen Haus und beruft sich auf die Terrormiliz IS: Ein Messerangriff im Umland von Paris ruft während der EM die Sorge vor Anschlägen wach – die Polizei hält sich bedeckt.

Paris - Während des tödlichen Angriffs auf eine Polizistenfamilie in Frankreich hat sich der Täter auf die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) berufen. Nachdem er einen 42-jährigen Polizisten mit Messerstichen getötet hatte, verschanzte er sich in dessen Haus im westlichen Umland von Paris. Spezialkräfte der Polizei stürmten in der Nacht zum Dienstag das Gebäude und erschossen den Angreifer, sie fanden dort die Leiche der Lebensgefährtin des Polizisten. Der dreijährige Sohn des Paares überlebte.

 

Die Attacke genau sieben Monate nach den Pariser Terroranschlägen vom 13. November fällt mit der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich zusammen, die aus Furcht vor Anschlägen von Zehntausenden Polizisten geschützt wird.

Fall für die Anti-Terror-Abteilung

Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft zog den Fall aufgrund des Vorgehens, des Ziels und der Äußerungen des Täters an sich, wie aus Justizkreisen bestätigt wurde. Der Mann habe sich bei Verhandlungen mit der Polizei-Spezialeinheit RAID auf den IS berufen. Die von der Terrormiliz als Sprachrohr genutzte Nachrichtenagentur „Amaq“ berichtete zudem unter Verweis auf eine nicht näher spezifizierte Quelle, dass der Täter Kämpfer des IS gewesen sei.

Bei der Attacke auf den Polizisten vor dessen Haus in der Gemeinde Magnanville soll der Mann laut Augenzeugen auf Arabisch „Allah ist groß“ gerufen haben, wie die Zeitung „Le Parisien“ berichtete. Dann habe er die Frau und den dreijährigen Sohn als Geiseln genommen. Das Kind wurde von den Polizisten befreit und blieb unversehrt, stand aber unter Schock.

Über die Identität des Angreifers wurde zunächst nichts bekannt, auch nicht über die Glaubwürdigkeit seiner Berufung auf den IS. Nach Angaben der auf die Beobachtung dschihadistischer Propaganda spezialisierten Firma Site berichtete „Amaq“, dass ein IS-Kämpfer den stellvertretenden Polizeichef der Ortschaft Les Mureaux und dessen Frau mit Stichwaffen getötet habe.

Beamtin des Innenministeriums

Die getötete Frau war selbst Beamtin des Innenministeriums und arbeitete nach Angaben des Staatsanwalts von Versailles, Vincent Lesclous, als Sekretärin im Polizei-Kommissariat der nahegelegenen Stadt Mantes-La-Jolie. Ihr Mann war laut „Parisien“ stellvertretender Chef der Kriminalpolizei im ebenfalls nahegelegenen Les Mureaux.

„In diesem Moment ist der Schmerz unermesslich“, sagte der Präfekt des Départements Yvelines, Serge Morvan. Eine Anwohnerin bezeichnete das Viertel, in dem sich die Tat ereignete, vor französischen Journalisten als ruhig: „Hier passiert nie etwas.“

Präsident François Hollande verurteilte „diese abscheuliche Tat“. Er sicherte zu, dass die Hintergründe vollständig aufgeklärt würden, und berief für Dienstagmorgen eine Sitzung im Élyséepalast ein. Innenminister Bernard Cazeneuve soll am Morgen zudem die Kommissariate von Les Mureaux und Mantes-la-Jolie besuchen.

Frankreich war im vergangenen Jahr mehrfach Ziel islamistischer Terroranschläge, denen insgesamt 149 Menschen zum Opfer fielen. Die schwerste Anschlagserie ereignete sich am 13. November, als IS-Terroristen mit Sturmgewehren und Sprengstoffgürteln im Pariser Musikclub „Bataclan“, am Stade de France sowie in Bars und Restaurants der Hauptstadt 130 Menschen ermordeten.

Keine konkreten Hinweise

Im Vorfeld der laufenden Fußball-EM hatten Behörden immer wieder auf eine anhaltend hohe Terrorgefahr in Frankreich hingewiesen. Nach übereinstimmenden Angaben gab es aber keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne gegen das Turnier.

Nach dem jüngsten Massaker in einem vor allem von Homosexuellen besuchten Club in der US-Großstadt Orlando hatte die IS-nahe Agentur „Amaq“ ebenfalls behauptet, der Täter gehöre zu der Terrororganisation. Auch dort hatte sich der Todesschütze im Kontakt mit der Polizei zu islamistischen Terrororganisationen bekannt, allerdings passen seine verschiedenen Äußerungen nach Angaben der US-Bundespolizei FBI dem ersten Anschein nach nicht zusammen.