Die Bundesliga-Absteiger Hamburger SV und 1. FC Köln wandeln auf den Spuren des VfB Stuttgart, der sein Projekt Wiederaufstieg in der vorvergangenen Saison souverän bewältigt hat. Kommen auch die anderen beiden Traditionsclubs in der zweiten Liga so gut zurecht?

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Wo geht’s hier bitte nach Sandhausen? Zur Klärung dieser Frage hat der SV Sandhausen am Hamburger Hauptbahnhof acht kreative Plakate mit einem dezidierten Anfahrtsplan aus der Hansestadt bis ins Hardtwaldstadion aufhängen lassen. Erstmals seit der Einführung der Bundesliga 1963 spielen die Fußballer des Hamburger SV in dieser Saison nach ihrem Abstieg ja nicht mehr in der höchsten Klasse, sondern in der zweiten Liga. Es geht nicht mehr nach München, Dortmund oder Berlin, sondern nach Aue, Heidenheim – und eben Sandhausen. Seine erste Auswärtsfahrt führt den HSV am zweiten Spieltag dorthin, ins kleinste Stadion des Unterhauses mit 15 414 Plätzen in der Nähe von Heidelberg.

 

Es zählt nur der direkte Wiederaufstieg

Zum Auftakt an diesem Freitag (20.30 Uhr) empfangen die Hamburger im Volksparkstadion aber erst einmal Holstein Kiel. Neben dem 1. FC Köln, der am Samstag (13 Uhr) beim VfL Bochum gastiert, geht die Mannschaft des Trainers Christian Titz als großer Aufstiegsfavorit in die Saison. Für die beiden Zweitliga-Giganten aus den Millionenstädten Hamburg und Köln, die mit weitem Abstand über die größten finanziellen Möglichkeiten und das höchste Fanpotenzial verfügen, zählt nur eines: der direkte Wiederaufstieg.

Die Traditionsclubs aus der zweit- und der viertgrößten Metropole Deutschlands wandeln dabei auf den Spuren des beliebtesten Vereins aus der sechsgrößten Stadt des Landes – sie versuchen, die Saison 2016/17 des VfB Stuttgart nachzuspielen.

Denn die Stuttgarter haben seinerzeit das geschafft, was sich die Kölner und die Hamburger nun vornehmen. Sie haben den Betriebsunfall umgehend behoben: Sie haben nach dem Abstieg aus der Bundesliga schnell die Kurve bekommen und sind – wie parallel auch Hannover 96 – direkt wieder nach oben geklettert. „Natürlich ist es unser Ziel, aufzusteigen. Da müssen wir gar nicht drumrumreden“, sagt der frühere VfB-Chefscout Ralf Becker, der seit etwas mehr als zwei Monaten als HSV-Sportvorstand fungiert. „Aber wir tun gut daran, keine großen Sprüche zu klopfen, sondern mit Demut an die Sache ranzugehen – und dem Wissen, dass ganz viel harte Arbeit nötig sein wird. Das wird ganz sicher kein Selbstläufer.“

Die VfB-Saison 2016/17, geprägt von Trainerwechsel und Torschützenkönig

Ganz reibungslos verlief das Projekt Wiederaufstieg auch beim VfB nicht. Aufgrund von Differenzen mit dem erst nach ihm verpflichteten Manager Jan Schindelmeiser warf Trainer Jos Luhukay (seit Januar beim englischen Zweitligisten Sheffield Wednesday) bereits nach vier Spielen das Handtuch. Mit seinem jungen Nachfolger Hannes Wolf schaffte das Team vom Cannstatter Wasen trotz fünf sieglosen Spielen zwischen Anfang März und Anfang April 2017 letztlich jedoch souverän den Sprung zurück in die Erstklassigkeit.

Maßgeblichen Anteil daran hatte der damalige VfB-Stürmer Simon Terodde mit 25 Toren in 32 Zweitligapartien. Nach durchwachsener Hinrunde wechselte er in der Winterpause der vergangenen Bundesliga-Spielzeit zum 1. FC Köln und steht jetzt vor der gleichen Herausforderung wie vor zwei Jahren. Auf ihn können die Kölner um den neuen Trainer Markus Anfang ebenso bauen wie auf Nationalspieler Jonas Hector oder Torwart Timo Horn, die trotz des Abstiegs wie auch noch einige andere Stammspieler geblieben sind.

HSV-Sportvorstand Ralf Becker und was sich vom VfB-Beispiel lernen lässt

Das erinnert an den VfB, der in der zweiten Liga auch weiter auf einen treuen Kern an versierten Akteuren wie den Kapitän Christian Gentner, Timo Baumgartl oder Emiliano Insua setzen konnte. Gleiches gilt für den HSV, in dessen Aufgebot etliche renommierte Kräfte wie Aaron Hunt, Lewis Holtby, Kyriakos Papadopoulos, der Ex-Stuttgarter Gotoku Sakai und das Supertalent Fiete Arp versammelt sind. Der serbische Nationalspieler Filip Kostic, der nach dem VfB-Abstieg 2016 nach Hamburg wechselte, liebäugelt dagegen noch mit einem Abgang.

Direkte Parallelen zum VfB nach dem Abstieg vor zwei Jahren möchte der in Leonberg geborene Schwabe Ralf Becker jedoch nicht ziehen. „Beides sind Traditionsclubs, die eigentlich andere Ambitionen hatten. Aber ich glaube generell nicht, dass man zwei Clubs miteinander vergleichen kann. Jeder Verein hat seine eigene Identität und Geschichte“, sagt der HSV-Sportvorstand. „Was wir von Hannover und Stuttgart aber lernen können: die zweite Liga anzunehmen. Wenn wir glauben, dass da irgendwas von alleine geht, werden wir unser blaues Wunder erleben.“

Zum Auftakt gegen seinen bisherigen Club Holstein Kiel etwa – oder am Sonntag nächster Woche in Sandhausen.