Unverhofft kommt oft: Handball-Bundestrainer Christian Prokop jedenfalls hat den Zweitliga-Spieler Martin Strobel vom HBW Balingen-Weilstetten für die Spiele gegen Israel und den Kosovo nominiert. Folgt die Heim-WM?

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Balingen - Wenn der Bundestrainer einmal klingelt, muss man nicht lange überlegen. Als Joachim Löw den Fußball-Stürmer Mark Uth vor kurzem im Baumarkt überrascht hatte, ließ der kurzerhand alles stehen und liegen und informierte die Familie. Ähnlich war es vor einigen Wochen auch bei dem Handballer Martin Strobel, als Bundestrainer Christian Prokop anrief. „Man muss nicht lange überlegen, wenn so ein Ereignis wie die Heim-WM ansteht – das ist für jeden Sportler das Größte“, sagte der Spieler. Dennoch gab es eine kurze Bedenkzeit, doch als sowohl der Familienrat wie auch der Verein HBW Balingen-Weilstetten („das macht uns schon ein wenig stolz“, so der Bruder und Geschäftsführer Wolfgang Strobel) grünes Licht gaben, war das Comeback des 32-jährigen perfekt. An diesem Mittwoch (19 Uhr) in der EM-Qualifikation in Wetzlar gegen Israel sowie am Sonntag im Kosovo wird der Spielmacher also wieder im DHB-Trikot auflaufen, nachdem der Europameister 2016 eine vorläufige Pause (aber nicht seinen Rücktritt) verkündet hatte.

 

„Natürlich ist das ungewöhnlich“, gibt auch Sportdirektor Axel Kromer zu und damit weniger die zweijährige Pause meint, als den Umstand, dass der Bundestrainer einen Zweitliga-Spieler beruft, auch wenn der vor allem aus seiner persönlichen Verbundenheit nach dem Abstieg im Vorjahr weiter beim HBW spielt. Kromer ergänzt: „Und die zweite Bundesliga gehört in Europa sicher zu den fünf, sechs stärksten Ligen, was die Anforderungen angeht.“ Kein Grund zur Panik also? Andererseits zeigt diese Nominierung die Not im deutschen Handball gerade auf der wichtigen Spielmacherposition in der zentralen Achse zwischen Torwart und Kreisläufer. „Sicher müssen wir da künftig in der Ausbildung einen Schwerpunkt setzen“, gibt Kromer zu. Doch für die WM im Januar kommen solche Maßnahmen zu spät. Es besteht aktuell Handlungsbedarf, „weil ein paar Ideen nicht so umgesetzt worden sind wie geplant“, sagt Kromer.

Weber und Fäth nicht im Kader

Da dürfte sich vor allem Philipp Weber angesprochen fühlen, ein ehemaliger Schützling Prokops beim Bundesligisten SC DHfK Leipzig, der im aktuellen Kader nicht mehr auftaucht, genau wie der etablierte Steffen Fäth (Rhein-Neckar Löwen). Dafür hat sich Strobel inzwischen schon bei einem Regionallehrgang in Mannheim empfohlen. Denn um die Nebenleute auf den Halbpositionen noch besser einzusetzen, braucht es die optimale Spielsteuerung, weniger die Torgefahr. Aber die ist nicht gesucht, sonst hätte man ja auch noch einen Michael Kraus vom TVB Stuttgart reaktivieren können, der vergangene Woche gegen Hannover 18 Tore warf.

Dafür könnte also Strobel zum WM-Ticket kommen. Das ist mehr als nur eine Vision. Denn in dieser Zeit der Vorbereitung ist keine Zeit mehr für Experimente, da steckt ein Plan dahinter: „Ich habe mein Spiel in den letzten zwei Jahren nicht grundlegend verändert. Meine Stärken sind die Spielsteuerung und das taktische Verständnis“, sagte der Spieler. Der Mann für einen geordneten und kontrollierten Spielaufbau, könnte man sagen. So sieht es auch Rolf Brack, der Strobel aus seiner langen Tätigkeit in Balingen bestens kennt. Allerdings vermisst der renommierte Trainer manchmal nicht nur die Torgefährlichkeit, sondern auch die deutlichen Worte auf dem Feld: „Er ist mir als Leitfigur etwas zu ruhig“, so Brack, „aber von der Veranlagung bringt er alles mit.“ Strobel selbst bleibt gelassen: „Letztendlich wird der Bundestrainer entscheiden, ob er meine Qualitäten braucht.“ Der lobt vorab schon mal: „Martin besitzt eine sehr gute taktische Auffassungsgabe, ist mannschaftsdienlich und hat einen starken Charakter.“

Wie ein 400-Meter-Lauf

Strobel will seine Chance auf jeden Fall nutzen „und mich bestmöglich präsentieren“ – daneben liegt das Augenmerk natürlich auf dem HBW, dessen Aufstiegsambitionen am Wochenende mit der Niederlage in Nettelstedt einen kleinen Dämpfer erhielten. Den nächsten soll’s jetzt nicht in der Nationalmannschaft geben. Die international nicht einmal zweitklassigen Gegner eröffnen die Möglichkeit im DHB-Team, sich ganz auf das eigene Spiel zu konzentrieren. „Die Vorbereitung ist ein 400-Meter-Lauf, wir befinden uns auf der Zielgeraden“, sagt Sportdirektor Kromer. Da müssen – gegen Israel und den Kosovo – zwar keine Hürden genommen, aber Aufgaben gelöst werden. Salopp formuliert soll es klingeln: Nicht das Telefon, sondern im Kasten der Gegner.