Beim Zwetschgenmarkt in Neidlingen finden die blauen Früchtchen reißenden Absatz – und das, trotz saftigen Preisen.

Neidlingen - Geht es in diesen Tagen gesprächsweise um die Ernte und die Ernteaussichten im Freiland-Obstbau, dann stimmen die Erzeuger ein garstiges Lied mit drei Strophen an: schlecht, mies, saumies! Das ist in Neidlingen (Kreis Esslingen) und im Oberen Lindachtal nicht anders, im speziellen Fall kommt freilich noch hinzu, dass die Gemeinde den Namen ihres Nationalfeiertags an ein blaues Früchtchen gekoppelt hat, dessen frühe Sorten der Spätfrost im April besonders gebeutelt hat. Und hätten da nicht die Spätblüher wie die Hauszwetschge, Presenta oder Elena die Scharte wenigstens ein bisschen ausgewetzt, der gestrige Zwetschgenmarkt hätte doch glatt bei tollem Wetter, aber ohne seine Namensgeber über die rappelvolle Kirchstraßen-Bühne gehen müssen.

 

Zwetschgen fanden reißenden Absatz

Die Folge war, dass auf die blauen Früchtchen ein regelrechter Run einsetzte. Der Obstbauer und Brenner Ernst Hitzer saß schon nach anderthalb Stunden vor leeren Kisten, die 120 Kilo, die etwa einem Viertel der üblichen Ausbeute entsprachen, waren ratzeputz weg. Und auch beim Stand von Obsthändler Armin Hägele fanden die Zwetschgen trotz merklich angezogener Preise reißenden Absatz. „Ganz schlecht“, so Ernst Hitzer, sieht es auch bei den Äpfeln und Birnen aus: „Das reicht nicht mal für den Most!“ Und das ist für einen eingefleischten Schwaben fürwahr ein herbes Los.

Schon bei den Kirschen, die nach Anzahl der Bäume und Vielfalt der Sorten im Bewusstsein der Neidlinger stark verwurzelt sind, häuften sich in diesem Jahr die Hiobsbotschaften zur Blütezeit. 80 Prozent seien erfroren, sagt Neidlingens Schultes Klaus Däschler, „eine Katastrophe“, die in früheren Zeiten für viele Erzeuger zweifellos existenzvernichtend gewesen wäre. Ins leere Schnapsglas müssen die vielen Freunde eines Kirschwässerles vom Albtrauf dennoch nicht stieren, wie versichert wird. „Beim Kirschwasser haben wir Reserven“, sagt Brenner Hitzer, „doch bei den Zwetschgen könnte es knapp werden, wenn noch so ein schlechtes Jahr folgt.“

Die Besucher kamen von nah und fern

Bei den zahlreichen Besuchern der Marktfreuden unterm Reußenstein dürften solche Sorgen freilich zweitrangig gewesen sein. Sie paradierten durchs Spalier der Buden und Ständle, genossen Süßes und Habhafteres – und wer wollte, konnte sich bei den Landfrauen in der Alten Feuerwehrhalle mit Wurstknöpfle und Mambele-Gebäck, Kaffee und großer Kuchenauswahl stärken. Auch das Kunsthandwerk war dort traditionell wieder gut vertreten: Elfriede Reckziegel mit Keramik- und Stoffarbeiten, Tina Bosler mit Filzkreationen, Roselinde Mast mit Töpferwaren und schließlich das Sortiment von Axel und Beate Grüning, arrangiert mit Treibholzfunden aus Flüssen und Seen.

Der Neidlinger Zwetschgenmarkt ist ein von den örtlichen Landfrauen in den 70er-Jahren reaktivierter jahrhundertealter Markt sowie ein Treff auch für das Umland. Von der ursprünglichen Demonstration alter Handwerkskünste beim wiederbelebten Markttreiben ist gerade mal der 78-jährige Hermann Hepperle übrig geblieben. Er setzt auf Wunsch eine nur wenige Jahre jüngere Dengelkonstruktion für Sensen in Betrieb, die einst sein Vater entworfen hatte. Zu Hepperles Stammkunden zählt auch der Jesinger Gotthilf Stolz, der alljährlich zwei Sensen für den Service schultert. Und am Sonntag, dem 24. September, geht es weiter mit dem Zwetschgenmarktfest, der Beginn ist um 10 Uhr.