Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Aber wie ist aus der guten alten Einschulung plötzlich eine Riesenparty mit Hüpfburg und Co. geworden? Bartek von den Orsons findet sich wieder zwischen Geschenkbergen und Schultüten Madness.
Neulich stand ich mit einem verpackten Geschenk und einem Kaffee auf einem Schulhof im Stuttgarter Westen und suchte aufgeregt den richtigen Eingang zur Sporthalle. Überall waren Luftballons und Pfeile angebracht und in den Gesichtern der Erwachsenen waren zwischen suchend-besorgt und erleichtert-gelöst alle Spielarten der elterlichen Gefühle zu lesen. Ich habe aber keine Kinder.
Was mich zur Frage führte: „Hatte ich selbst als Kind auch schon erwachsene Freund:innen und habe ich sie damals auch zu meiner Einschulung eingeladen?“
Jedes Kind durchlebt mehrere wichtige Stationen der Selbstständigkeit im Leben. Erst wird man zur Kita gebracht und muss einige Stunden ohne Eltern auskommen, dann in den Kindergarten, und später eben in die Schule, wo sich plötzlich Pflichten und Eigenverantwortung tummeln und Hausaufgaben, Klassenarbeiten und so weiter anstehen. Soweit kann ich noch relaten. Aber wenn ich als 80ies-born Kid mich an meine Einschulung zurückerinnere, dann ist mein absolutes und einziges Highlight des Tages die Schultüte gewesen.
Wir sind damals nicht in ein Wirtshaus gegangen, um Pommes zu essen, es kamen auch keine Freund:innen von mir oder von meinen Eltern, die sich extra freigenommen haben und dann der Theatervorführung der frischen Zweitklässler:innen zur Begrüßung der neuen Erstklässler:innen, so aufgeregt beigewohnt haben, als sei es ein High-Class-Musical straight vom Broadway.
Vielleicht weil bei mir kein Bohei gemacht wurde um den ersten Schultag, war ich diesmal so freudig, als wäre es mein persönlicher erster Schultag und nicht der der Tochter von Freund:innen.
Ein Happening
Was früher das eigentliche Highlight war (eine möglichst tolle, große und gut gefüllte Schultüte), scheint heute das Mindestmaß zu sein.
Aber all die Gäste (per Sprachnachricht von der 6-Jährigen höchstpersönlich eingeladen, sehr süß) hatten allesamt noch Blumen, Spiele oder Malbücher und mehr bunt Verpacktes dabei, was später nach der Zeremonie in der Schule, gemeinsam im Restaurant ausgepackt wurde. Wie bei einem zweiten Geburtstag dieses Jahr.
Bei meiner Einschulung (das dürfte ‚91 gewesen sein) brauchte es keine anderen Geschenke und gegessen wurde dann zuhause.
Ich weiß noch, dass ich am Tag der Einschulung zum ersten Mal einen Schokoriegel gegessen habe: Lion (bis heute unterschätzt).
Ich will hier auf keinen Fall sagen, dass früher alles besser war. Ich staune einfach darüber, wie sich die Social Events ändern, wie sie immer mehr und immer größer werden. JGAs, Verlobungsfeiern, Polterabende, Hochzeiten, Babypartys, Geburtstage, Einschulungen… Natürlich war ich dieses Jahr auch Gast auf noch einer zweiten Einschulungsfeier, am nächsten Tag dann. Es gab Kuchen, jede Menge Geschenke und… mhmm, kein Scheiß: eine Hüpfburg!
Die Kids erwarten dann aber hoffentlich nicht immer noch eine Steigerung bei den noch kommenden Events, oder? Zum 16. wird es sonst unter einem privaten Taylor-Swift-Konzert mit echtem Pferd und Schlüssel zum Erstwagen à la Kylie Jenner nämlich nicht gehen.
Mir wollet ned mäckern
Aber das soll nicht mein Problem sein. Ich bin gerne Gast. Allgemein bin ich der Meinung, dass wir ruhig dabei bleiben sollten, aus jedem Ereignis ein großes Event zu machen, bei dem Erwachsene dem Day Drinking frönen können. Wenn der erste Zahn ausfällt, das erste Mal Hausaufgaben, der erste gegessene Brokkoli, Fahrradfahren zum ersten Mal ohne Stützräder... es liegen noch viele Feiern vor uns. Auch ohne Kinder! Ich freu mich drauf! Prost!
Euer Bartek