Es gibt eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, wie man sich das Älterwerden vorgestellt hat, und wie es tatsächlich ist. Bartek von den Orsons beobachtet zunehmend merkwürdige Eigenheiten an sich. Embracen oder schnell loswerden?
Habt ihr euch früher auch vorgestellt, wie ihr sein wolltet, wenn ihr mal alt seid? Ich wollte gerne schulterlanges weißes Haar haben, mit gestärktem weißen Hemd und italienischen Leder-Loafers am Fuß, lächelnd in einem Café sitzen und „kifferdünn“ sein. Agil.
Jetzt, kurz vor der Vierzig, habe ich mal wieder verglichen, wie aktuell das Bild noch ist, das ich mir an meine geistige Pinnwand geheftet habe und muss sagen: Es geht ein bisschen in eine andere Richtung. Im Sommer weigere ich mich Schuhe anzuziehen, die man binden muss, schlüpfe nur in Birkenstocks oder Slipons, weil mir das Bücken zu nervig ist. Des Weiteren sind mir Dinge wichtig wie: absolute Ruhe, wo früher ständige Beschallung von Radio, Fernsehen und so weiter wichtig war, Zeit für und mit mir alleine, wo früher unbedingt viele Menschen um mich herum sein mussten. So weit, so gut. Old man things eben!
Die guten alten Zeiten
Aber mit zunehmendem Alter kommen auch Eigenheiten und Schrullen zusammen, von denen ich früher gedacht habe, sie würden mich niemals ereilen. Und jetzt trinke ich Kamillentee aus meiner altrosa Lieblingstasse, zu der ein genau eingepasstes Sieb gehört, in welches man Kamille-Blüten (das ist mir sehr wichtig, denn die schmecken ganz anders als die billigen Teebeutel, die man als „Kamillentee“ kennt) streut und dann exakt – wieder eine Marotte – sieben Minuten ziehen lässt. Überhaupt füttert man die Alexa Box zuhause fast ausschließlich nur noch mit Timern. Timer für Teezieh-Zeit, Nudel-Koch-Zeit, Backzeit, Lese-Zeit, alles wird in Timern ausgedrückt.
Schrullen akzeptieren?
Marotten gehören zu jedem Menschen dazu. Aber man sollte sie schon hin und wieder in Augenschein nehmen und sich fragen: Kann ich diese oder jene ablegen? Bin ich damit zufrieden? Von einer meiner neugewonnenen Eigenheiten bin ich besonders genervt und versuche an ihr zu arbeiten: Spontanität ist oft ein Problem für mich. Und zwar in Situationen wie: Freunde rufen an und sagen „Hey, lass uns in zwei Stunden hier und da hinfahren, oder hier und dort essen gehen“. Das bringt meinen mir schon im Kopf ausgemalten und durchgeplanten Nachmittag oder Abend so durcheinander, dass ich eine Ewigkeit brauche, um mich auf diese außerplanmäßige Situation „einzustellen“. Ist das nicht merkwürdig?
Abgesehen von solchen Schrulligkeiten finde ich es aber wichtig, sich mit dem Älterwerden gutzustellen und es hinzunehmen, dass man nicht mehr ganz so „flippig“ vor dem Duschen die Boxershorts mit dem Fuß hochschleudert, um sie dann wie nebenbei zu fangen und sie gekonnt in (jetzt meistens neben) den Wäschekorb zu werfen. Na und? Dann machen sich eben alle Sorgen, wenn ich im Park den Skatern mit ihren Skateboards zuschaue und nach einiger Zeit frage, ob ich mal kurz einen Trick probieren dürfte, ich sei ja auch mal geskatet. Und das sieht schon gefährlich aus, wenn ich nur einen Fuß drauf stelle. Sollte man einfach nicht mehr machen.
Auch das locker die letzten zwei Meter einer Treppe mit einem Hüpfer aufs Treppengeländer runterrutschend nehmen: Nein. Die Zeit ist vorbei. Läuft nicht mehr so geschmeidig wie damals.
Aber das ist der Lauf der Dinge und ich freue mich jetzt schon auf die Altersweisheit, die als nächstes dann auf meiner Älterwerden-Agenda steht. Wenn ich disconnected mit dem Rest der Welt auf einer Parkbank sitze und einfach nur da bin. Zufrieden. Und dann ruft ein alter Freund an und fragt, ob man nicht zusammen etwas essen gehen will am Abend – und dann werde ich mich sehr schnell darauf einlassen, weil ich flink im Kopf bin und spontan und mich wie ein Bambus im Wind meiner Umwelt anpasse! So wird das.
In diesem Sinne, frohes Altern.
Euer Bartek