Stadtkind-Kolumnist Bartek im Wanderfieber: Er trifft Vorbereitung für den Jakobsweg mit einem ungewöhnlichen Training in Stuttgart. Jetzt reinlesen!

Eine geraume Zeit lang erzähle ich schon, dass ich mit 40 den Jakobsweg gehen möchte. Mindestens 10 Tage. Dieses Jahr gibt es also keine Ausreden mehr. Als Vorbereitung habe ich mir einen Wander-/Reiseführer besorgt, mit Wanderrouten rund um Stuttgart. Denn um 23 Kilometer täglich durch Portugal zu laufen, braucht es ein klein wenig Übung.

 

Klar, jeder weiß, dass es beim Jakobsweg darauf ankommt, alleine zu gehen und dass der Weg das Ziel ist. Und dass die besten Freunde der linke und rechte Schuh sein müssen. Doch was nützt dir die penibelste Packliste und der genau vorgezeichnete Weg auf der Landkarte, wenn man‘s dann doch wegen seiner schlechten Kondition nicht schafft, den Weg tatsächlich abzulaufen?

Übung macht den Wandermeister

Um dieser Schmach zu entgehen, habe ich mir gedacht: Bevor ich Anfang Mai nach Porto fliege und von dort aus den Weg nach Santiago de Compostela auf mich nehme, mit meinen drei Boxershorts, zwei Shirts, einem Regencape, Schlafsack, Sonnenschutz und was nicht noch alles in den Wanderrucksack hineingestopft werden wird, laufe ich probehalber erst einmal die Gegenden um Stuttgart herum ab und taste mich langsam an die durchschnittlich 23 Kilometer, die ich pro Tag auf dem Jakobsweg zurücklegen werden muss, heran.

Dazu habe ich mir den Reiseführer „10.000 Schritte in und um Stuttgart“ gekauft und mich für den ersten Übungs-Wanderweg entschieden: den Besinnungsweg, bei Fellbach. Gemütliche sechs Kilometer steht da, das macht rund 1,5 Stunden Walk. Klingt super für den Anfang.

Besinnungsweg in Fellbach im Nebel

Schon komplett im Mindset der „Es-gibt-kein-schlechtes-Wetter...“-Flitzpiepen, die mir diesen Satz schon zig mal bei jedem Regentropfen um die Ohren geworfen haben, starte ich nördlich am Rande von Fellbach meinen ersten Gehversuch.

Hinter dem Begriff „Besinnungsweg“ verbirgt sich ein außergewöhnliches Projekt. Auf dem Weg werden Natur, Kunst, Religion und Philosophie an ausgewählten Orten zusammengeführt. Zwölf Besinnungsorten ist jeweils ein Thema zugeordnet, das durch Zitate aus Literatur, Religion oder Philosophie verdeutlicht wird. Mittlerweile sind neun Besinnungsorte fertig gestellt.

Klingt perfekt, da hat man was zum Schauen beim Laufen. Dachte ich. Doch ausgerechnet den Tag mit dem dicksten, langsam kriechenden Nebel habe ich mir ausgesucht. Man sieht nicht mehr als 15 Meter weit, was es schwierig macht, alle am Wegrand ausgestellten Skulpturen und Steinbauten zu entdecken, aber der Weg ist ja das Ziel.

Der Haupteinstieg für den Besinnungsweg ist bei der Geschwister-Scholl-Straße 20, dort gibt es einen Parkplatz an der Feuerwehr, alternativ einen Parkplatz am Friedhof. Auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kann man den Weg leicht erreichen, dazu mit der Bahn zum Fellbacher Bahnhof und von dort mit der Bus-Linie 60 Richtung Oeffingen bis zur Haltestelle „Oeffingen Gemeindezentrum“ fahren.

Wanderlust da, Sicht geht so

Mit meinem Reiseführer in der Hand, mit dem ich immer wieder abgleiche, ob ich noch richtig bin, stehe ich nach einer Weile vor einen umgebauten Strommast, der so verdreht und umfunktioniert ist, dass es den Eindruck erweckt, er sitze auf einem Stromhäuschen und mache eine Pause. Perfekt! Ich gehe nah an das Schild zu diesem Kunstwerk heran. „Freizeit/Muße“ ist der Name dieser Installation. Ein Strommast, der aus der Reihe tanzt, eine tolle Metapher auf unsere Leistungsgesellschaft. Andere die Arbeit machen lassen, während man ausspannt. Aha.

Weiter geht es mit minimaler Steigung des Weges an einer Apfelwiese vorbei, zumindest denke ich das, bis urplötzlich ein Schild aus dem Nebel auftaucht mit der Aufschrift: Maisfeld! Ups.

Nach einigen Minuten gemütlichen Gehens setze ich mir Kopfhörer auf und höre ein Hörbuch von Walter Benjamin. An einem roten kleinen Haus, das an ein Spielplatz-Haus erinnert, bleibe ich erneut stehen, und lasse „Kind sein/Kreativität“ von einem Herrn Namens Timm Ulrichs, auf mich wirken.

Bei klarem Wetter muss das wirklich ein abwechslungsreicher, interessanter Wanderweg sein, der immer etwas zum Schauen und Nachdenken bietet. Ich gebe selbst bei Nebel 4,3 von 5 Punkten.

Eine absolute Empfehlung!

Tatsächlich bin ich dann nach fast zwei Stunden wieder an meinem Ausgangspunkt. Eine Schleife bin ich noch abseits des Weges gelaufen, man muss ja schließlich in Richtung 20 Kilometer kommen.

Ab jetzt wird jede Woche ein Weg aus meinem Wanderführer abgelaufen. Und am Montag lasse ich mich im hiesigen Globetrotter beraten, welcher Schuh es werden soll, der mich im Mai begleiten wird. Zeitlich sollte es zum Einlaufen der Schuhe ja passen. Noch stehe ich am absoluten Anfang meiner Wanderkarriere, aber ich freue mich schon darauf, die portugiesische Küste entlang zu gehen und nach der Pilgermuschel Ausschau zu halten, die als Symbol an Mauern und Zäunen den richtigen Weg weisen wird.

Läuft bei mir, würde ich sagen.

Falls jemand Erfahrungen mit dem Jakobsweg hat und Tipps oder Anregungen hat, gerne in meine Insta-DMs sliden.

Bis zum nächsten Mal,

euer Bartek