Warnstreiks der AWS sorgen für volle Straßen und gärenden Abfall. Ein Blick in den Müll verrät viel über die letzten Wochen. In dieser Kolumne erfahrt ihr, was Kolumnist Bartek von den Orsons aus seinem Müll liest und wie die Stuttgarter Müllabfuhr auf seine Mail reagiert hat.
Wie im Film von Todd Phillips, in dem sich ein jedes Mal, wenn Arthur Fleck alias „Joker“ durch den Block seines Viertels streift, einige Müllbeutel mehr auf dem wachsenden Haufen befinden, als noch das vorherige Mal. So wurde mit einer filmischen Metapher der Verfall der Stadt und der Menschen, die darin leben, abgebildet. Und so sieht es jetzt auch vor den Häusern in vielen Stuttgarter Straßen aus.
Grund dafür sind die Warnstreiks der AWS, der Abfallwirtschaft Stuttgart, zu denen seit Februar seitens der Gewerkschaft schon einige Male aufgerufen wurde.
Ich wollte schon ein Schutzdach darüber anbringen, damit er vom Regen geschützt ist, der ganze gärende Müll, ob Bio oder Plastik. Auch Kartons und gelbe Säcke. Man muss ja irgendwie mit der Situation klarkommen.
Aus dem Hausmüll wie aus der Kaffeetasse lesen
Ein längerer Blick auf diesen traurigen Haufen vor unserem Haus, verrät mir ziemlich viel über die letzten Wochen. Ich sehe grüne Stengelreste vom wahrscheinlich letzten Grünkohl dieses Frühjahrs neben ausgedrückten Zitronenhälften aus der Biotonne lugen und komme ins Grübeln darüber, was die letzten Wochen von wem überhaupt so gegessen wurde und wie lange es wohl schon vor unserem Haus vergammelt.
Ich weiß ziemlich sicher, dass dort irgendwo Zwiebelschalen, rote und weiße, und Bergkäsekrusten zu finden sind, vom Sonntag vor zwei Wochen, als ich verkatert den ganzen Tag Tiktok-Rezepte für den Airfryer ausprobiert habe.
Mein Lieblingsrezept war ein Bratapfel:
Apfel entkernen (Bio-Müll), halbieren und für 15 Minuten bei 200 Grad in Ruhe backen lassen. Dann herausnehmen und einen Esslöffel griechischen Joghurt draufklecksen (Plastik-Müll), und etwas Honig sowie Zimt draufgeben (bisher kein Müll, später Glas).
Auf meine E-Mail an die Stuttgarter Müllabfuhrgesellschaft kam immerhin fix eine Nachricht zurück, in der es hieß, die Mitarbeiter:innen befänden sich weiterhin im Streik und wenn ich von der Leerung betroffen wäre, solle ich meine Mehrmengen (Papier ausschließlich in Papiersäcken oder Kartons gepackt) neben meine Behälter stellen. Sie nähmen diese Mehrmenge an den darauffolgenden Leerungen mit.
Klappt bisher so mittel.
Bis dahin wette ich jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehe mit mir selbst, ob der Müll wohl diesmal tendenziell mehr oder weniger geworden ist, tanze wie Arthur Fleck die kleine Treppe herunter und denke mir: „Der zweite Teil von ‚Joker‘ war leider auch: Müll.“