Einige Menschen finden ein wenig Durcheinander lebendig, andere können in einer unsortierten Umgebung keinen klaren Gedanken fassen. So findet man mit einfachen Tricks die Balance zwischen Ordnung und Chaos.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Yin und Yang: Das sind die Gegensätze, auf denen nach der chinesischen Philosophie alles in der Welt beruht. So wie Ordnung und Unordnung.

 

Unterschiedliche Menschen haben meist ein unterschiedliches Bedürfnis nach Ordnung und Sauberkeit. Das weiß jeder, der schon einmal mit anderen zusammengelebt hat. Warum fühlen sich manche nur dann wohl, wenn eine Wohnung so aussieht, als hätte ihr Besitzer alle Aufräumratgeber von Marie Kondo verschlungen, während sich andere lieber als das Genie betrachten, welches das Chaos überblickt?

Über zwei Gegensätze, die ohne den anderen nicht sein können und die Spiegelbild der Seele sind:

Ordo mundi: Die Welt in Ordnung

Ordnung ist für viele Menschen mehr als nur ein ästhetisches Bedürfnis. Sie kann auch einen bedeutenden Einfluss auf das innere Wohlbefinden haben. Darauf weisen die Experten der Oberberg Kliniken für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie hin. Sie erklären, welche Rolle Ordnung für die Psyche spielt, wie wir in einem geordneten Umfeld Ruhe und Klarheit finden und wann der Drang nach Ordnung in eine zwanghafte Richtung abgleitet.

Ordnung ist das halbe Leben, heißt es im Volksmund. Für manche füllt sie zwangshaft das ganze Dasein aus. Foto: Imago/Addictive Stock

Ordnung schafft innere Ruhe

Aufräumen kann ein Mittel sein, um innere Unruhe zu bekämpfen. Wer sich innerlich durcheinander fühlt, greift oft intuitiv zum Putzlappen oder beginnt, den Schreibtisch aufzuräumen. „Dieser äußere Ordnungsprozess kann dazu beitragen, die Gedanken zu sortieren und ein Gefühl von Struktur und Übersichtlichkeit zu schaffen“, betonen die Fachleute. Gerade in Phasen von Unsicherheit könne das Schaffen von Ordnung eine Art meditativer Prozess sein, der hilft, die Kontrolle über die eigenen Gedanken und Gefühle zurückzugewinnen.

Kreativität und Chaos: ein Balanceakt

Das Bild des „chaotischen Genies“ ist verbreitet, aber nicht immer zutreffend. In der Tat könne ein gewisses Maß an Unordnung zwar kreativitätsfördernd wirken, so die Fachleute. Doch wenn das Chaos überhandnimmt und den Alltag dominiert, könne es schnell das Gegenteil bewirken und zu einem Gefühl des Stillstands führen.

Ordnungsdrang kann auch extrem werden, wenn das Bedürfnis nach Sauberkeit und Ordnung den Alltag bestimmt, Ängste hervorruft oder das tägliche Leben stark einschränkt. Foto: Imago/Yay Images

Tipps für anhaltende Ordnung

Die Schweizer Ordnungs-Influencerin Dagmar Schäfer (ordnungswunder.ch) empfiehlt die Philosophie „Alles hat seinen Platz“ als Grundpfeiler für dauerhafte Ordnung. Folgende Regeln können dabei hilfreich sein:

  • Jeder Gegenstand sollte nah bei dem Ort sein, wo er genutzt wird: Post beim Eingang und Bücher in der Leseecke zum Beispiel.
  • Jeder Gegenstand sollte gut erreichbar für einfaches Herausnehmen und Zurücklegen sein, denn das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn auch wieder wegräumt.
  • Jeder Gegenstand sollte zusammen mit anderen Dingen derselben Kategorie sein.
  • Alle Familienmitglieder oder Mitbewohnerinnen sollten wissen, wo etwas ist.
  • Am besten gehe man jeden Raum systematisch durch, um zu entscheiden, wo jeder Gegenstand am besten aufgehoben ist.
Arbeits- und Kleiderzimmer: Hier passt alles millimetergenau. Foto: Imago/Shotshop

Routinen für morgens und abends

Dagmar Schäfer empfiehlt außerdem Start- und Endroutinen für jeden Tag. „Diese Routinen dienen als Rahmen für deinen Tag und helfen dabei, grobe Unordnung gar nicht erst entstehen zu lassen.“

Morgendliche Routinen könnten das Bettenmachen, das Lüften, das Einräumen des Frühstücksgeschirrs in den Geschirrspüler und eine kurze Aufräumrunde im Wohnbereich umfassen. „Indem du den Tag ordentlich beginnst, setzt du einen positiven Ton für die verbleibenden Stunden.“ So verringere man das Gefühl der Überforderung, das oft entsteht, wenn man nach einem langen Tag nach Hause kommt.

Routinen sind ordnungsliebende Menschen essenziell. Foto: Imago/Photology2000

Abendliche Routinen seien genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Dazu gehört das Aufräumen der Küche, vielleicht das Frühstück schon vorzubereiten und die Kleidung für den nächsten Tag herauszulegen. Außerdem effektiv: eine 10- bis 15-minütige Blitz-Aufräumrunde durch alle Zimmer, um herumliegende Dinge an ihren Platz zu bringen. Das schaffe einen produktiven Tagesabschluss und mehr innere Ruhe.

Wann Ordnung zum Zwang wird

Aber Vorsicht: Ordnungsdrang kann auch extrem werden, wenn das Bedürfnis nach Sauberkeit und Ordnung den Alltag bestimmt, Ängste hervorruft oder das tägliche Leben stark einschränkt. Etwa, wenn Unordnung oder asymmetrische Arrangements unangenehme Gefühle bis hin zu starken Ängsten auslösen.

Inordinatio mundi: Die Welt in Unordnung

Messies sind „Mess“-Meister, Könige der Unordnung. Sie leiden unter zwanghaftem Horten („compulsive hoarding“). Wie der Name schon sagt, ist das Messie-Syndrom eine Form der Zwangsstörung.

Zwang zur Unordnung

Unordnung ist zugleich situativ und chronisch: eine chronifizierte Situation sozusagen, die sich durch das Fehlen von Ordnung und Organisation auszeichnet. Ein Zustand vollständigen Chaos.

Vermüllungssyndrom: Im Reich der Messies (Archivbild). Foto: Imago/Udo Gottschalk

Messis – Könige im Reich der Unordnung

Messies sind „Mess“-Meister, Könige der Unordnung. Sie leiden unter zwanghaftem Horten („compulsive hoarding“). Wie der Name schon sagt, ist das Messie-Syndrom eine Form der Zwangsstörung.

Diese auch als neurotische Belastungs- und somatoforme Störungen (englisch: obsessive-compulsive disorder, OCD) bezeichneten Erkrankungen zählen zu den besonders schweren seelischen Leiden. Betroffene verspüren innere Zwänge, bestimmte Dinge zu denken und/oder zu tun.

Auch wenn diese als übertrieben und sinnlos erlebt werden, kann man sich ihnen nicht entziehen, wodurch das komplette Leben beeinträchtigt wird.

Kleidung kann man statt ordentlich im Schrank natürlich auch so lagern. Foto: Imago/Geisser

Überlebenskampf inmitten der Unordnung

Nach Schätzungen der Selbsthilfegruppe „Anonyme Messies“ gibt es in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen, die mit chaotischen Zuständen in ihren eigenen vier Wänden, mit Papier- und Müllbergen, Schmutz und Exkrementen, leben. Und die sich selbst nie als unordentlich beschreiben würden.

Messies sind Menschen, die nichts wegwerfen können, ohne etwas von ihrem Selbst aufzugeben. In der Regel fängt es mit ein paar Dingen an, die sich rasch vermehren und irgendwann zu Bergen in der Wohnung auftürmen. Schon bald überfordert die Sammelwut den Horter.

Zugemüllter Esstisch eines Messie-Haushalts. Foto: Imago/Geisser

Grauenhafte Atemluft

Ein besonderes Problem Problem in vermüllten Messie-Haushalten ist die grauenhafte Atemluft. Zu den seelischen Problemen der Messies treten oft körperliche Beschwerden, vor allem Atemwegserkrankungen. Denn Messies lüften nicht, sie können es oft gar nicht, weil alles in der Wohnung zugestellt ist. Dazu kommt nicht selten der Gestank von verdorbenen Lebensmitteln. Und natürlich spielt Ungeziefer eine Rolle. Kakerlaken sind noch das geringere Problem. Vor allem in Erdgeschosswohnungen werden auch Mäuse und Ratten zu Mitbewohnern. Die Nager werden vom bestialischen Gestank in der Wohnung angelockt.