Zum Start der Kulturniederlassung Südwest gibt es Kunst, eine mobile Bar und viel Konsens: Baurechtsamt und Veranstalter loben sich gegenseitig, weil man sich nach Jahren endlich besser verstehe.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - In einem sind sich alle einig: „Dieses Areal ist wirklich unglaublich.“ Kein anderer Satz fällt an diesem Nachmittag, an dem die Kulturniederlassung Südwest in der Türlenstraße 2 erstmals besichtigt werden darf, häufiger. „Nur etwas voller dürfte es sein“, sagt Björn Peters, der gemeinsam mit Oliver Scholz, Marc Hug und Giovanni Atria die kulturelle Zwischennutzung der ehemaligen Mercedes-Benz-Niederlassung verantwortet.

 

Bis mindestens September 2014 stehen ab jetzt mehrere tausend Quadratmeter kreative Spielfläche zur Verfügung. Ende 2014 will der Arbeitgeberverband Südwestmetall, der das Areal gekauft hat, die Fläche abreißen und mit einem Neubauprojekt beginnen. Bis dahin haben Peters und Scholz, die seit Jahren die Design-Plattform Dekumo veranstalten, der Filmschaffende Marc Hug und Gastronom Atria die Fläche zu extrem günstigen Konditionen angemietet.

Führung zwischen mobiler Bar und Ausstellung

Schauspieler Sebastian Scheuthle, der ab Februar 2014 für 99 Personen ein temporäres Theater in dem Gebäude plant, führt Interessierte durch die Fläche. Im unteren Stockwerk stehen die Gäste auf einmal vor einem ausrangierten Bücherbus aus Ludwigsburg. Den „Blauen Bus“, der im Inneren schummrig orange leuchtet, kann man für verschiedene Anlässe mieten. „Hier haben wir ordentlich Platz zum Überwintern. Nächste Woche rücken wir aber zum Beispiel in eine Werbeagentur aus, die den Bus für ihre Weihnachtsfeier gemietet hat“, erklärt Teasy Hoffmann, der die rollende Bar mit seiner Frau Stefanie und Alexander Binder betreibt.

„Sind alle wieder da?“, fragt Sebastian Scheuthle. „Hier gehen manche leicht verloren.“ Nächste Station der Führung: Der riesige Ausstellungsraum, in dem sich zuletzt das Zentrum E-Mobilität befunden hatte. Heute stellen hier die Künstler der Wagenhallen ihre Werke aus. David Baur, langer Bart, Hosenträger und eine Krawatte mit grünem Pflanzen-Aufdruck, erklärt sein Projekt „Dropbox Art“. „Das ist das weltweit ersten Malset mit Ästhetik-Garantie“, sagt Baur Mit der im Internet erhältlichen Dropbox könne jeder sein eigenes abstraktes Kunstwerk erschaffen.

Stadt und Veranstalter loben sich gegenseitig

Als Kunstwerk kann man auch das komplette Gebäude selbst bezeichnen. Neben der Designmesse Dekumo, die Anfang Dezember hier stattfindet, stehen Proberäume zur Verfügung, Marc Hug führt hier seine Kino-Vorführungen fort und außerdem kann man einzelne Gebäude-Teile für private Veranstaltungen anmieten. „Wir haben ein Kulturförderungssystem erarbeitet, bei dem wir keine städtische Unterstützung benötigen“, sagt Giovanni Atria. „30 Prozent der Einnahmen aus kommerziellen Vermietungen fließend direkt und automatisch in kulturelle Veranstaltungen.“

Das und noch einiges mehr gefällt auch der Stadt Stuttgart. Rund um das Rathaus sieht man die Zwischennutzung in der Türlenstraße als gelungenen Kontrast zum Streit ums Filmhaus, bei dem Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) zum zweiten Mal für Aufschub für die dortigen Mieter sorgen musste. „Wir haben das Gefühl, dass die Kreativen mittlerweile viel offener mit uns umgehen“, sagt Kirsten Rickes, die Leiterin des städtischen Baurechtsamtes. Nach einigen Jahren Zwischennutzungserfahrung und so erfolgreichen Projekten wie dem Wilhelmspalais wüssten die Beamten, wie die Kreativen tickten – und umgekehrt. „Man kann da schon einen Paradigmenwechsel bei der Stadt feststellen“, spielt Oliver Scholz den Ball artig zurück.

Nun gelte es, noch mehr Kulturschaffende für die Spielwiese in der Türlenstraße zu begeistern. „Die Kunstakademie plant ihre Gesamtausstellung im Frühjahr bei uns zu veranstalten, Studenten der Filmakademie Ludwigsburg denken über eine Probebühne bei uns nach“, so Oliver Scholz. Dann dürfte es in der Kulturniederlassung bald deutlich voller zugehen als an diesem Samstagnachmittag.