Eine aktuelle Umfrage ergibt, dass die meisten Jazzmusiker in Deutschland weniger als 12 500 Euro im Jahr verdienen. Der Stuttgarter Jazzpianist Wolfgang Dauner bezieht dazu Stellung.  

Stuttgart - – Eine derzeit viel diskutierte aktuelle Umfrage der Universität Hildesheim und des Verbandes deutscher Jazzmusiker förderte zutage, dass das Gros der professionellen Jazzmusiker in Deutschland mit Auftritten und Musikunterricht weniger als 12 500 Euro im Jahr verdient. Der Stuttgarter Jazzpianist Wolfgang Dauner bezieht dazu Stellung.

 
„Aus meiner Beschäftigung als Musiker aus über 55 Jahren Jazz habe ich erfahren, dass der Jazz nicht die enorme Pflege, Sorgfalt, Förderung und Subventionierung bekommt wie all die anderen Künste. Was den Jazz verändert und was uns Jazzmusiker umtreibt, sind die Bedingungen, unter denen es überhaupt möglich ist, Musik aufzuführen oder größere orchestrale Kompositionen zu kreieren. Diese Bedingungen sind in Deutschland nicht gegeben. Wir haben keine Lobby. Da fällt es schwer, sich vorzustellen, Jazzkompositionen mit großem Orchester aufzuführen. Man muss wissen, dass kein Sinfonieorchester (mit Berufsmusikern) ohne Subventionen öffentlich auftreten könnte. Das sind alles kontraproduktive Entwicklungen, die es dem Jazz schwer machen, sich im Haifischbecken der Einschaltquoten zu etablieren – oder Projekte anzudenken, die mit einem finanziellen Aufwand eines Sinfonieorchesters zu bewältigen wären.

Die Ausbildung an den Musikhochschulen ist erfreulich

Denn Jazz ist das musikalische Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts – viel mehr noch als zeitgenössische Konzertmusik, Zwölftonmusik, Rock und all das andere, ja, man kann sagen, er ist überhaupt das hervorstechende künstlerische Phänomen dieser Zeit. Der Jazz bedarf deshalb der gleichen Sorgfalt, Pflege, Förderung, auch natürlich Subventionen wie alle die anderen Künste – und wir wissen: Die bekommt er nicht. Die erstaunliche Kraft des Jazz liegt darin, das er Rap, Disco, Techno, Blues und all das andere genährt hat. Wir können hören: er ernährt sie noch immer, er wird sie auch im kommenden Jahrhundert nähren.
Durch die erfreuliche Integration von Jazz als Lehrfach in den Musikhochschulen gibt es immer mehr gut ausgebildete junge Jazzmusiker. Aber es stellt sich die Frage: wo sollen diese Musiker eigentlich nach ihrer Ausbildung tätig werden? Im Jazzclub für fünfzig Euro Abendgage? Sie machen oft folgendes: sie unterrichten wiederum andere junge Musiker. Oder sollen sie vielleicht von den Tantiemen ihrer selbst produzierten CDs, die nicht im Rundfunk gespielt werden, leben ?

Vorbildlich fördert der norwegische Staat die Jazzkultur

Ich glaube sagen zu können, dass es eine Illusion ist, zu glauben, von verkauften Jazz-CDs könnte man nur annähernd leben. Wenn diese aber nicht in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gespielt werden, schon gar nicht. Der Rundfunk ist ja nicht nur wegen der Urheberrechtstantiemen wichtig, sondern er hat den Auftrag, Kultur zu fördern, und ist Garant für die Popularisierung der Musik.
Wenn ich lese, dass der norwegische Staat früh den heimischen Jazz als Teil der nationalen Kultur und dessen Vertreter als Kulturbotschafter des Landes begriffen hat und fördert, ihn unter anderem mit fünf regionalen professionell ausgestatteten Jazz-Zentren ausgestattet hat und zudem die Reisen seiner Bands ins Ausland unterstützt; wenn ich lese, dass die norwegische Botschaft in Berlin den Jazzclub Unterfahrt in München unterstützt, dann klingt das alles für mich wie eine Botschaft aus einer fremden Welt. Von dieser kulturellen Einschätzung der Norweger zum Jazz und seinen Musikern sind die wir in der Bundesrepublik Lichtjahre entfernt!“