Die Gemeinde Tamm will gegen das Bietigheimer Nein zur Erweiterung des Gewerbegebiets Laiern Widerspruch einlegen. Ein Novum in der Nachbarschaftsgeschichte

Tamm/Bietigheim - Im Tammer Gemeinderat wird es an diesem Montag nicht weniger als eine politische Premiere geben: Die Räte werden – alles andere wäre eine Überraschung – beschließen, dass die Gemeinde Widerspruch gegen einen Beschluss der Verwaltungsgemeinschaft Bietigheim-Ingersheim-Tamm einlegt. Wegen des Vetos der Stadt Bietigheim-Bissingen hatte die Gemeinschaft gegen eine Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets Laiern gestimmt. Mit ihrem Beschluss will die Gemeinde Tamm eine erneute Abstimmung in Bietigheim-Bissingen erzwingen. „Das hat es noch nie gegeben“, sagt der Bürgermeister Martin Bernhard.

 

Nach den Plänen des Verbands Region Stuttgart soll das Gebiet im Dreieck Bissingen-Ingersheim-Tamm als regionaler Gewerbeschwerpunkt für den Nordwesten der Region fungieren. Doch in Bietigheim-Bissingen fand sich bisher keine Mehrheit für die Pläne. Erst stimmte das Gremium knapp dagegen, im zweiten Anlauf kam es zu einem Stimmenpatt. Verwaltungstechnisch wird das als Nein gewertet. „Immerhin scheint sich Bietigheim einer Zustimmung zumindest anzunähern“, scherzt Bernhard.

„Entscheidend für die Entwicklung“

Lustig findet er das Thema allerdings keineswegs, sondern vielmehr „ganz entscheidend für die Weiterentwicklung unserer Kommunen“. Ohne eine Erweiterung stehe seine Gemeinde praktisch ohne Gewerbegebiete da. „Wir sind verpflichtet, für das Wohl unserer Gemeinde einzustehen.“ Dafür lohne es sich auch zu kämpfen.

Kommt es zum Widerspruch, dann müssen die Nachbarn darüber erneut beraten. Bernhard hofft, dass sich dadurch im Bietigheimer Gemeinderat doch noch eine Mehrheit findet – immerhin hat die Stadt 60 Prozent der Stimmanteile. „Bislang“, betont der Bürgermeister, „war die Zusammenarbeit stets hervorragend.“ Nun sehe er aber keine andere Wahl, als die Nachbarn womöglich durch den Widerspruch zum Nachdenken zu bewegen.

Das hofft auch die Verwaltung im Bietigheimer Rathaus, die das Vorhaben befürwortet, ebenso wie die regionale Wirtschaft. Heinz-Werner Schulte, der Bezirkspräsident der Ludwigsburger Industrie- und Handelskammer, hatte es als „kurzsichtig“ bezeichnet, dass Bietigheim-Bissingen nicht für die Erweiterung votierte – „es geht uns inzwischen offensichtlich zu gut“, kritisierte Schulte den Beschluss.

„Wir haben das Risiko gestreut“

Auch beim Verband Region Stuttgart blickt man gespannt auf die Diskussion um die Laiern-Erweiterung. Bleibt es beim Bietigheimer Nein, dann wäre das nach dem Holzweilerhof bei Großbottwar schon das zweite Gebiet im Regionalplan-Entwurf, aus dem (vorerst) nichts wird. Nach wie vor will die Region die 75 Hektar Gewerbepotenzial ersetzen, die es brauche, weil das jahrelang eingeplante Gebiet zwischen Pleidelsheim und Murr nie Realität wurde – vor allem wegen des Widerstands in Pleidelsheim (siehe Kasten). „Die gute Nachricht ist: wir hängen jetzt nicht mehr nur an einem einzigen Gemeinderat. Wir haben das Risiko gestreut“, sagt Thomas Kiwitt, der Chefplaner der Region.

Wie der Tammer Bürgermeister hofft auch Kiwitt auf ein Umdenken in Bietigheim-Bissingen. „Ich gehe davon aus, dass das im Gemeinderat noch nicht das allerletzte Wort war.“ Er setze darauf, dass die Stadträte zumindest längerfristig den Sinn einer Erweiterung erkennen, „wenn der Bedarf von Unternehmen konkret wird“. Auch wenn nicht alle Gebiete in seinem Planentwurf von den Kommunen schnell realisiert würden, „brennt bei uns planerisch erst mal nichts an“.

Funktioniert die Arbeitsteilung?

Für Kiwitt ist die Laiern-Debatte ein Beispiel dafür, „dass die Arbeitsteilung zwischen Region und Gemeinden womöglich nicht mehr so gut funktioniert“. Es zeige sich zusehends, dass die Region mit ihrer Zuständigkeit für die Raumplanung allein nicht mehr weiterkomme, wenn Kommunen nicht mit ihrem konkreten Baurecht mitziehen. „Das darf nicht dazu führen, dass der Bedarf an Gewerbegebieten bei uns nicht mehr gedeckt wird“, warnt der Stuttgarter Chefplaner.

Kiwitt betont: „Die von uns geplanten Standorte sind die besten, die man in unserer dicht besiedelten Region bekommen kann.“ Wenn diese scheiterten, „dann müssen wir notgedrungen auf die zweit- oder drittbesten ausweichen“.