Mehr als 100 Immobilienunternehmerinnen und Unternehmer aus Stuttgart und der Region waren der Einladung von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten zum Immobilienforum Stuttgart im LBBW Forum gefolgt.
„Kann die Immobilienbranche die Umwelt retten? Leitet Moderator Chris Fleischhauer (Antenne 1) etwas provokativ die Debatte ein. Julian Pflugfelder (P Immobilien) zeigt sich skeptisch. Die Branche könne zur Verbesserung der Welt beitragen, aber nicht allein die Lösungen liefern. Axel Ramsperger (IWS Immobilienwirtschaft Stuttgart) nennt die ökologischen Anforderungen an seine Branche als „große Herausforderung“. Die Immobilienwirtschaft stört sich vor allem an den hohen Erwartungen der Politik.
So sollen die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent, bis 2040 um mindestens 88 Prozent gesenkt werden. Pflugfelder fordert mehr Flexibilität der Politik ein.„Die geplanten Reduzierungen der EU in der Größenordnung sind nicht zu erfüllen.“ Zustimmung von Axel Ramsperger: Vor allem für Bestandsgebäude seien diese Forderungen unrealistisch. „Ein gutes Haus aus den 1960er Jahren braucht nicht zwangsläufig eine Wärmedämmung“. Zumal die Kosten für eine energetische Sanierung auch für den Hausbesitzer und die Mieter finanzierbar sein müssten. Beide plädieren für steuerliche Vergünstigungen. Nur so ließen sich Konflikte bei Mietkosten vermeiden.
Nach wie vor ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen wie der Region Stuttgart eines der drängendsten Probleme. Julian Pflugfelder sieht hier vor allem großes Potenzial im Bestand, bemängelt aber die fehlende Kooperation vieler Kommunen beim Umgang mit Brachen. Axel Ramsperger beklagt zudem das hohe Anspruchsdenken und fordert den politischen Willen ein, etwas gegen den Wohnungsmangel unternehmen zu wollen. Marco Binnig (Immobilienvermittlung BW) würde es zudem begrüßen, wenn die Bearbeitungszeiten von Anfragen beim Bürgerservice Bauen in Stuttgart beschleunigt werden könnten.
Aber war denn vor Corona alles besser, hakt Moderator Chris Fleischhauer nach? „Wir brauchen wieder eine positive Grundstimmung“, resümiert Axel Ramsperger.
Julian Pflugfelder spürte kurz nach der Pandemie eine große Unsicherheit. Danach sei das Bauen extrem teuer geworden. „Die Anspannung wird bleiben“, ist er sicher.
Dass sich der Immobilienmarkt deutlich verändert habe, dazu habe die wachsende Ausbreitung des Arbeitens im Homeoffice beigetragen. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie konnte es in den großen Städten wie Stuttgart nicht genug Büroflächen geben. Heute werden vielerorts diese wie Sauerbier angeboten. Dafür fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Eine Umwandlung von Büros in Wohnungen sei schwierig, sind sich die Podiumsteilnehmer einig. Julian Pflugfelder möchte Umwandlungen zwar nicht gänzlich ausschließen, sieht jedoch wie sein Kollege Axel Ramsperger das Problem im Baurecht und in der teilweise schlechten Substanz der Gebäude. „Das Problem wird dadurch in der Breite nicht gelöst werden können“, so Ramsperger. Die Beschleunigung von Verfahren und die Reduzierung von baulichen Standards würde viele Vorteile bringen, merkt dazu Marco Binnig an. Andererseits, wo liegt dann die Zukunft des Büros, will Chris Fleischhauer wissen.
Axel Ramsperger spricht sich dafür aus, Büroflächen attraktiver zu machen. „Der persönliche Kontakt im Arbeitsalltag ist wichtig“, betont er. „Wir müssen wieder aus dem Homeoffice ins Büro kommen“. Dazu müssten allerdings die Büros insgesamt interessanter und flexibler werden.
Viel Zustimmung zu den Aussagen der beiden Diskutanten gab es von den geladenen Gästen im LBBW Forum. Der eine oder die andere äußerte in der anschließenden Diskussion auch wiederholt seine Frustration über die Untätigkeit des Stuttgarter Gemeinderats sowie der Ämter. Aber auch Selbstkritik wurde geübt. Für die Böblinger Immobilienmaklerin Bärbel Bahr gehe es nicht an, ständig die Schuld auf andere zu schieben. Die Branche müsse auch selbst Verantwortung übernehmen.
Neben der aktuellen Situation der Immobilienwirtschaft beschäftigt viele Unternehmer aus der Branche derzeit der Hype um das Thema Künstliche Intelligenz. Professor Burkhard Hoppenstedt von der HfWU Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen verwies in seiner Keynote darauf, dass KI lediglich ein Werkzeug sei, das den Menschen unterstützen, aber nicht ersetzen werde. Er warnte in seinem Vortrag davor, zu hohe Erwartungen an KI zu stellen, da die Technologie derzeit noch fehlerbehaftet und die Geschwindigkeit der Entwicklung derzeit schwer einzuschätzen sei.
Bei der Immobilienvermittlung BW sei der Einsatz von KI wie bei vielen Maklern längst Alltag, sagt Binnig. Die KI erledigt hier Routineaufgaben, wie zum Beispiel das zielgruppengerechte Erstellen von Exposés.