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Gesundheit&Umwelt

Franz Untersteller: „Wir wollen unsere Zukunftsfähigkeit sichern“

Franz Untersteller: „Wir wollen unsere Zukunftsfähigkeit sichern“

Franz Untersteller (Grüne) sieht die Wirtschaft im Südwesten bei der Nachhaltigkeit auf einem guten Weg.  Foto: dpa

„Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg sind keine Gegensätze“, sagt Franz Untersteller, Umweltminister von Baden-Württemberg, im Interview. Die Unternehmen im Südwesten nehmen nach seiner Überzeugung dabei eine Vorreiterrolle ein.

Herr Minister, Nachhaltigkeit ist ein umfassender Begriff. Was verstehen Sie darunter?

Nachhaltigkeit heißt, bei Entscheidungen heute auch an morgen zu denken und was diese Entscheidungen für künftige Generationen und unsere Umwelt bedeuten. In diesem Sinne hat Nachhaltigkeit ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. In der Ökologie sind der Arten- und der Klimaschutz von herausragender Bedeutung. Der Klimaschutz hat auch wirtschaftliche und soziale Auswirkungen und das zeigt, dass Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet werden muss. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet zum Beispiel, dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden müssen. Das ist nicht immer einfach, aber notwendig, wenn wir unsere Zukunftsfähigkeit sichern wollen.

Innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes gibt es auch eine Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit – WIN. Wie nachhaltig sind die Unternehmen im Südwesten?

Viele Unternehmen sind inzwischen zumindest in Teilbereichen sehr nachhaltig. Energie- und Ressourceneffizienz etwa sind mittlerweile fast überall wichtige Themen. Auf der einen Seite führen sie zu Kostensenkungen und auf der anderen Seite zu CO2 -Reduzierungen. Ökonomie und Ökologie gehen so zusammen. Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg sind keine Gegensätze, im Gegenteil. Das zeigen viele unserer Unternehmen im Land. Wir haben aber immer noch viel Potenzial im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens. Wir müssen den Ressourcenverbrauch weiter vom Wirtschaftswachstum abkoppeln und den CO2 Ausstoß weiter senken. Dank der Innovationskraft unserer Unternehmen können wir das auch schaffen. Der Klimawandel schreitet voran und die natürlichen Ressourcen werden knapper, deshalb ist Nachhaltigkeit schon heute ein Wettbewerbsvorteil und wird es immer stärker werden.

Wo sehen Sie die Handlungsschwerpunkte der Initiative?

Seit einem Jahrzehnt arbeiten wir in der WIN mit vorbildlichen Unternehmen zusammen, die nachhaltiges Wirtschaften mit innovativen Konzepten erfolgreich umsetzen. Das Ziel der WIN ist zu zeigen, dass nachhaltiges Wirtschaften Innovationen fördert und umgekehrt, Innovationen für Nachhaltigkeit die wirtschaftliche Zukunft sichern können. Darüber hinaus soll die Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit möglichst viele Unternehmen motivieren, Nachhaltigkeit in ihre Unternehmensstrategie zu integrieren. Neben der Entwicklung der WIN-Charta – das ist ein Nachhaltigkeitsmanagementsystem speziell für kleine und mittlere Unternehmen – haben wir uns auch mit den Themen Energie und Klima oder Wertschöpfungspartnerschaften beschäftigt. Derzeit ist ein Handlungsschwerpunkt die nachhaltige Produktion. Dabei geht es unter anderem um Chancen und Herausforderungen einer nachhaltigen und digitalen Produktion in einem Kreislaufsystem.

„NACHHALTIGKEIT IST SCHON HEUTE EIN WETTBEWERBSVORTEIL.“

Was erwarten Sie in dem Zusammenhang von den Unternehmen im Land?

Viele der Unternehmen im Land sind familiengeführt. Und gerade diese Unternehmen zeichnen sich schon lange durch nachhaltiges Unternehmertum aus. Sie sind für mich Vorbilder. Nachhaltiges Unternehmertum ist eine besondere Form der unternehmerischen Verantwortung für die Gesellschaft, die Umwelt und die eigenen Mitarbeiter. Mir ist bewusst, dass das nicht immer einfach ist und die Unternehmensleitungen herausfordert, auch mal eine Entscheidung zu treffen, die sich vielleicht nicht unmittelbar positiv im Gewinn niederschlägt.

Was ist noch zu beachten?

Am Beispiel des Klimaschutzes sieht man, dass die Chancen viel größer sind als die Risiken: Der fortschreitende Klimawandel ist eine Gefahr für unsere ökologischen Lebensgrundlagen, aber er gefährdet genauso auch die globale Wirtschaft. Die eng getakteten internationalen Lieferketten sind gefährdet, weil sich viele Produktionsstandorte von Zulieferprodukten und Rohstoffen in Regionen befinden, die unmittelbar und akut vom Klimawandel betroffen sind. Die Wirtschaft muss daher den Wandel zu einer ressourcenarmen und emissionsarmen Produktion vollziehen, damit sie zukunftsfähig bleiben können.

Wie relevant für die Unternehmen ist Nachhaltigkeit aus ökonomischer Sicht?

Auf der Produktionsseite kann es zu einer Win-win-Situation kommen: Weniger Ressourceneinsatz bedeutet weniger Kosten und gleichzeitig wird die Umwelt geschont. Außerdem spielt Nachhaltigkeit für die Kunden eine immer wichtigere Rolle. Es wird also zu einem Argument, ein Produkt zu kaufen – oder eben auch nicht zu kaufen. Auch in der Finanzwelt zeigt die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeitsratings, dass zu den ökonomischen Zahlen ökologische und soziale Faktoren gekommen sind.

Wo sehen Sie noch die größten Potenziale in puncto Nachhaltigkeit?

Das größte Nachhaltigkeitspotenzial liegt in der Innovationskraft und dem technischen Fortschritt. Es geht kurz gesagt darum, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und Wohlstand zu sichern, ohne auf Kosten künftiger Generationen und unseres Planeten zu leben. Von daher, vom Einkauf von Materialien über die Produktion bis hin zu den Lieferketten zu prüfen, wie nachhaltig sie gestaltet werden können.

Gibt es Nachholbedarf, und wenn ja, wo?

Grundsätzlich müssen wir schneller vom Wissen zum Handeln kommen. Das gilt für alle: die Gesellschaft, die Politik, die Wirtschaft und jeden einzelnen Bürger. Wir müssen uns bewusst werden, dass die begrenzten natürlichen Ressourcen die Basis für unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sind. Und diese Basis gilt es zu erhalten. Sonst sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen.

Was sind hohe Hürden für die Umsetzung von Nachhaltigkeit?

Nachhaltiges Wirtschaften muss sich ökonomisch lohnen. Nur dann wird es umgesetzt. Wir müssen darauf achten, dass ökologische Notwendigkeit nicht gegen unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit oder den sozialen Zusammenhalt ausgespielt wird. Deshalb ist es Aufgabe von Politik, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um Planungssicherheit für nachhaltige Investitionen zu gewährleisten.

„NACHHALTIGKEIT IST SCHON HEUTE EIN WETTBEWERBSVORTEIL.“

Ein Ziel der WIN-Charta, dem Nachhaltigkeitsmanagementsystem, ist, das Thema nachhaltiges Wirtschaften zum Markenzeichen werden zu lassen. Was bedeutet das?

Die WIN-Charta ist ein Nachhaltigkeitsmanagementsystem, das 2014 speziell für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt wurde. Es definiert Kriterien für nachhaltiges Handeln in Unternehmen. Mittlerweile bekennen sich über 190 Unternehmerinnen und Unternehmer im Land Baden-Württemberg zu den insgesamt zwölf Leitsätzen und Zielen nachhaltigen Wirtschaftens der WIN-Charta. Tendenz steigend. Diese Unternehmen sind erfolgreiche Vorbilder, die in Summe für das Markenzeichen „Nachhaltige Wirtschaft“ in Baden-Württemberg stehen.

Wer ein Unternehmen nachhaltig führt, möchte imagetechnisch davon profitieren. Welchen Stellenwert räumen Sie dem ein?

Nachhaltigkeit ist ein Modewort. Sie finden mittlerweile auf vielen Produkten den Hinweis, dass sie nachhaltig wären. Und das hat seinen Grund: Mehr und mehr Verbraucher achten bei ihrem Einkauf darauf, wie Produkte hergestellt werden und wo die Inhaltsstoffe herkommen. Nachhaltigkeit ist also ein stichhaltiges Verkaufsargument für viele Menschen.

Welchen Ratschlag würden Sie Unternehmensführern oder Firmeninhabern, die nachhaltiger wirtschaften möchten, mit auf den Weg geben?

Soziale Verantwortung, Ökonomie und Ökologie gehören zusammen. Nach meiner Überzeugung werden diejenigen Unternehmen mittel- und langfristig erfolgreich sein, die diese Aspekte als echte Chance und Notwendigkeit begreifen. Also sollten Verantwortliche in Unternehmen nachhaltig wirtschaften, um die Zukunft ihres Unternehmens zu sichern.

Die Fragen stellte Reimund Abel.

Markenzeichen für Qualität

Mit gutem Beispiel voran. Nachhaltigkeit hat in Baden-Württemberg viele Gesichter. Und mit einem Siegel, das für Qualität und wichtige Standards steht, soll dies dokumentiert werden.

Der Wirtschaftsstandort Baden Württemberg zählt zu den stärksten und wett bewerbsfähigsten Regionen Europas. Mit weltbekannten Großunternehmen und Tausenden erfolgreichen kleinen und mittelständischen Betrieben, mit Innovationskraft und Tüftlergeist, mit hoher Produktivität und niedriger Arbeitslosenrate. Die Landesregierung, in diesem Bereich unter der Federführung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, engagiert sich für ein nachhaltiges Baden-Württemberg.

Viele Unternehmen im Land legen ihren Fokus schon heute auf nachhaltiges Wirtschaften: Schließlich sind Ressourceneffizienz, umweltverträgliche Materialien sowie nachhaltige Produktion ein zunehmend wichtiger Faktor, um am Markt bestehen zu können. Für den baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller bedeutet Nachhaltigkeit, mit seinen unternehmerischen Entscheidungen auch an das Morgen zu denken. Wo wäre das nicht zutreffender als beim Wohnen? Fertighaus-Hersteller Schwörer Haus setzt in seiner Produktion deshalb schon lange auf heimische Hölzer. So gelang es dem Branchenführer schon früh, nicht nur CO2 -neutral zu produzieren, sondern gleichzeitig durch die Verwendung dieses natürlichen Rohstoffes für ein gesundes Wohnklima zu sorgen. Zu den wichtigsten nachhaltigen Unternehmen in Deutschland zählt auch die im Nordschwarzwald ansässige Schmalz GmbH. Der Vakuum-Spezialist setzt bei der Produktion auf eine regenerative Energieerzeugung.

Für die Automobilindustrie ist die Nachhaltigkeit äußerst wichtig. Der Stuttgarter Hersteller Porsche hat mit der CO2 neutralen Fabrik für den E-Sportler Taycan ein neues Kapitel in seiner Unternehmens geschichte in Zuffenhausen aufgeschlagen. Das Besondere: Neben der Verwendung von Strom aus regenerativen Quellen sowie Biogas zur Wärmeerzeugung sind die Produktionsgebäude äußerst energieeffizient. Und mit dem Neubau bekennt sich Porsche zur Tradition der Marke.

Drei Beispiele von vielen: Auf den folgenden Seiten werden 250 Unternehmen aus Baden-Württemberg gelistet, die für nachhaltiges Wirtschaften stehen. Nahezu alle Branchen sind vertreten, denn Nachhaltigkeit bedeutet auch Vielfalt. Das soll auch das nebenstehende Siegel dokumentieren, mit dem die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten dem Thema Nachhaltigkeit noch mehr Öffentlichkeit verschaffen wollen. red/olm
  

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