Lesen, Kochen, ins Theater gehen: Interessen wie diese können Bewerberinnen und Bewerber im Lebenslauf angeben. Ein Muss ist das nicht. Doch gerade Menschen, die in ihrer Freizeit nicht ganz alltäglichen Hobbys nachgehen, die passionierte Sportler sind, sich verschiedene Sprachen beibringen oder etwas haben, für das sie brennen, können davon im Job profitieren – und auf der Suche nach diesem, also in Bewerbungsverfahren und Vorstellungsgesprächen. Denn oft haben sie Mad Skills, also „verrückte Fähigkeiten“. „Mad Skills sind im Grunde genommen Soft Skills, die besonders selten sind“, sagt Marlene Pöhlmann, Managing Director beim Personalvermittler Robert Half. „Das heißt, ungewöhnliche Fähigkeiten, die man zum Beispiel durch Lebenserfahrungen, Erfahrungen als Unternehmer, soziales Engagement, Freiwilligenarbeit, aber auch durch Hobbys und Leidenschaften wie Reisen und Sport erlernt.“
Anders als bei den Hard Skills, also fachlichen Kompetenzen, die man durch eine Ausbildung, ein Studium, durch Weiterbildungen und Co. erwirbt – und in der Regel durch Zeugnisse und Zertifikate nachweisen kann – geht es hier um Fähigkeiten, die man außerhalb von Hörsälen und Schulungsräumen erlernt. Also etwa auf dem Sportplatz oder möglicherweise sogar auf dem Sofa. Von den Soft Skills unterscheiden sie sich laut LinkedIn-Karriereexpertin Gaby Wasensteiner darin, dass es weniger um persönliche Charaktereigenschaften geht: „Das sind wirklich Fähigkeiten, die besonders sind und mit denen ich mich ein bisschen hervorheben kann und vielleicht auch hervorstechen kann.“ Vielleicht existierten sie in einem Team bis dahin noch gar nicht. Diese Mad Skills, so sagt es Marlene Pöhlmann, würden derzeit relevanter in Einstellungsprozessen: „Es sind bis dato nicht die Haupteinstellungskriterien, aber die Zahl der Unternehmen, die diese Fähigkeiten im Auswahlprozess einbeziehen, steigt.“ Schließlich sage es etwas über einen Menschen aus, wenn er nach Feierabend und an den Wochenenden regelmäßig Triathlon-Trainings absolviere.
Nicht alles muss genannt werden
Für Wasensteiner spielt noch etwas eine Rolle: Über die Abfrage von Mad Skills könnten sich Arbeitgeber einen „diverseren Talent Pool“ aufbauen. Und sie können etwas über die Entwicklungsmöglichkeiten von Bewerberinnen und Bewerbern erfahren, ganz nach dem Motto: Wer in seiner Freizeit eine komplizierte Sprache gelernt hat, kann sich vielleicht auch in neue Arbeitsbereiche rasch einfuchsen. Gerade bei Quereinsteigern eine wichtige Fähigkeit.
Haben Personalverantwortliche die Auswahl zwischen zwei ansonsten gleich qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern, könnten Mad Skills dann auch den entscheidenden Unterschied machen, sagt Pöhlmann – vor allem in Berufsfeldern, in denen es besonders aufs Auftreten ankommt. „In der IT-Abteilung ist es natürlich wichtig, dass sich jemand mit den technischen Skills auskennt. Da sind Mad Skills vielleicht nicht entscheidend, aber wenn wir in eine sehr leistungsorientierte Firma schauen, die den Schwerpunkt im Vertrieb hat, kann ein Mad Skill schon entscheidend sein.“ Bevor man alle Hobbys im Lebenslauf auflistet: Angeben sollte man sie im CV oder im Anschreiben nur dann, wenn man auch tatsächlich eine Verbindung zur Stelle, für die man sich bewirbt, herstellen kann.
Wasensteiner nennt ein Beispiel: Spielt man leidenschaftlich gerne Theater, kann das für einen Beraterjob hilfreich sein. Man hat womöglich gelernt, selbstbewusst vor Menschen zu sprechen. Im Anschreiben sei es dann sinnvoll darauf einzugehen. Wer hingegen in seiner Freizeit als Rettungstaucher aktiv ist, weiß womöglich gut mit Krisensituationen umzugehen und kann schnell Entscheidungen treffen. Auch hier lässt sich eine Verbindung zu vielen Jobs herstellen.
Ist man sich unsicher, ob die eigene Leidenschaft fürs Imkern oder fürs Spielen der Zither direkt in den CV soll, kann man auch einfach das Vorstellungsgespräch abwarten. Hier würden Pöhlmann zufolge schließlich in aller Regel Fragen gestellt, die darauf abzielen Bewerberinnen und Bewerber auch abseits von Arbeitserfahrung und Zeugnissen besser kennenzulernen. Wie beim Lebenslauf gilt: Sich vorab überlegen, was der jeweilige Bezug zum Job sein könnte. Wer nun feststellt, wirklich kein einziges außergewöhnliches Hobby zu haben, sollte wissen: Auch Lebenserfahrungen, die man anderweitig gemacht hat, können in Bewerbungsverfahren eine Rolle spielen, etwa wenn die Klassiker-Frage kommt: Wie gehen Sie mit Herausforderungen um? Hat man etwa schon einmal Angehörige gepflegt, hat man mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit Durchhaltevermögen gezeigt. Und wer sich in einem neuen Land zurechtfinden musste, womöglich zunächst ohne die dazugehörigen Sprachkenntnisse, hat sich vermutlich außerhalb der eigenen Komfortzone bewiesen, betont Pöhlmann.
In einem sind sich die Expertinnen einig: Preisgeben sollte man immer nur das, womit man sich im Vorstellungsgespräch wohlfühlt. Und: Interessen aufbauschen oder gar außergewöhnliche Hobbys erfinden, sind keine gute Idee. Schließlich muss man mit der ein oder anderen Nachfrage rechnen, etwa nach der Zeit im angeblich gelaufenen Marathon. „Wenn dann eine total unrealistische Angabe kommt, wird es schwierig.“ Ein Trost: Es geht auch ohne außergewöhnliche Fähigkeiten. „Soft Skills und Hard Skills sind nach wie vor die entscheidenden Punkte“, sagt Pöhlmann. „Mad Skills sind die Kirsche auf der Torte“, sagt Gaby Wasensteiner. dpa
Wann und wo?
Praktika sind eine wichtige Hilfe bei der Berufsorientierung.
Herrenberg. Wer sich beruflich orientieren möchte, kommt an Praktika kaum vorbei. In der Schulzeit und während des Studiums sind sie oft vorgeschrieben. Doch sollte man bei freier Wahl der Praktika am besten möglichst viele verschiedene Bereiche durchtesten oder sich besser Schritt für Schritt spezialisieren? Antwort: Das hängt davon ab. . .
Katharina Hain, Leiterin des Talent-Marketings beim Personaldienstleister Hays, hält es für sinnvoll, sich während der Schulzeit in unterschiedlichen Feldern auszuprobieren, „wenn ich noch gar keine Ahnung habe, wie so ein Job aussehen kann“. Karriere-Coach Christoph Burger aus Herrenberg empfiehlt, viele Praktika zu machen, bevor man sich für eine Ausbildung oder ein Studium entscheidet. In verschiedenen Branchen – und innerhalb eines Feldes. „Jeder Praktikumsplatz ist nicht nur durch die konkrete Berufstätigkeit geprägt, sondern auch durch die Menschen und die Firmenstruktur.“ Jemand könnte fälschlicherweise zur Erkenntnis kommen, eine Branche sei nichts, nur weil man mit einem Chef nicht zurechtkam.
Hat man mit Studium oder Ausbildung eine Richtung eingeschlagen, sehen es Recruiter meist weniger gern, wenn man in vollkommen andere Bereiche reinschnuppert. Vor allem wenn mehrere, komplett verschiedene Praktika gemacht werden. „Dann kann es so wirken, als wüsste ich gar nicht, was ich möchte“, sagt Hain. Kritisch werde es, wenn sich die Studienzeit dadurch verlängert oder nach dem Abschluss fachfremde Praktika gemacht werden, statt den ersten Job anzutreten. Ausnahmen bestätigen laut Burger aber die Regel: „Manche Arbeitgeber finden exotische Auslandsaufenthalte interessant, das kann man auf Praktika übertragen.“
Ludmilla Aufurth vom Career Service der Freien Universität Berlin empfiehlt, sich mit Menschen auszutauschen und sich ein Bild vom Tätigkeitsfeld zu machen. Das könne auch über Nebenjobs funktionieren. dpa