In den Oberen Neckarvororten fehlt ein Gymnasium, das ist seit Langem bekannt. Durch die Rückkehr zu neun Gymnasialklassen fehlen noch mehr Plätze. Ein neues Gymnasium in Hedelfingen könnte diese Probleme lösen. Dafür setzt sich der Förderverein Schulcampus Hedelfingen schon lange ein. Auch der Gemeinderat hat das inzwischen eingesehen und im Dezember 2023 bei den Haushaltsberatungen 250.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie dafür in Auftrag gegeben.
Ausgeschrieben wurde diese nach Informationen des Fördervereins bisher noch nicht. Bis Ergebnisse vorliegen, werden noch viele Monate vergehen, bis zu einem möglichen Baubeginn noch Jahre. In Sigmaringen dagegen ist es gelungen, ein Schulprojekt mit einer Investitionssumme von mehr als 100 Millionen Euro innerhalb von vergleichsweise wenigen Jahren zu verwirklichen. Die Eröffnung ist für 2025 geplant, Zeit- und Kostenrahmen werden weitgehend eingehalten.
Möglich wird das durch ein sogenanntes ÖPP-Modell, also eine Öffentlich-Private Partnerschaft, die auch den Betrieb des neuen Schulcampus für die kommenden 25 Jahre beinhaltet. Bei einer Exkursion nach Sigmaringen haben sich Mitglieder des Hedelfinger Fördervereins, Stadträte, Mitglieder des Bezirksbeirats und des Schulbeirats und Bezirksvorsteher Kai Freier über das Projekt informieren lassen.
Die Bertha-Benz-Schule in Sigmaringen ist eine Gewerbliche, Ernährungs- und Sozialwissenschaftliche Schule mit aktuell rund 1370 Schülerinnen und Schülern.
Diese kommen aus der ganzen Region, die Klassen sind zurzeit noch auf mehrere unterschiedlich alte Gebäude verteilt. Sie sind nicht barrierefrei, die Zufahrt ist nur durch ein Wohngebiet möglich. Eine Sanierung der bisherigen Gebäude war geprüft, dann aber schnell verworfen worden. Im Juli 2017 beschlossen die zuständigen Gremien in Sigmaringen, dass die Bertha-Benz-Schule neu gebaut werden sollte. Ein Jahr später fiel die Entscheidung für den jetzigen, neuen Standort. Wieder ein knappes Jahr später, im Mai 2019, wurde entschieden, das Projekt als ÖPP-Modell zu verwirklichen.
Für die Realisierung eines der größten Bauprojekte seit Langem in der Region waren unterschiedliche Modelle angedacht worden: die klassischen Varianten mit Architekturwettbewerb und der anschließenden Vergabe in Einzelgewerken, die Vergabe an Generalübernehmer einen und eben die Alternative mit Ausschreibung und Vergabe als ÖPP-Modell für Planung, Bau und Betrieb des Gebäudes in dem Fall für 25 Jahre, also als sogenanntes Lebenszyklusmodell. Die Vorteile dieses Modells liegen unter anderem darin, dass von Anfang an alle, also auch die späteren berücksichtigt Betriebskosten, werden, dass ein eingespieltes Team an allen Projektphasen arbeitet, die Inbetriebnahme geregelt abläuft und das Gebäude dauerhaft professionell betreut wird. Der Auftragnehmer trägt die Verantwortung für seine Berechnungen sowohl für die Bauals auch die Betriebsphase. Dadurch reduziert sich das finanzielle Risiko für den Auftraggeber.
Bei dem Besuch in Sigmaringen zeigten sich alle dortigen Verantwortlichen überzeugt von dem Projekt. Der Finanzdezernent des Landkreises, Peter Hotz, sagte lachend, dass das Schulprojekt dem Sigmaringer Schloss bald den Rang ablaufe, was das Besucherinteresse angehe. Der Leiter des Fachbereichs Liegenschaften im Landratsamt Sigmaringen, Helmut Göppel-Wentz, betonte die vielen Vorteile eines solchen Lebenszyk lusmodells. Da sitze auch der Facilitymanager schon von an Anfang an mit am Tisch, es gebe einen Instandhaltungs- und Instandsetzungsplan für 25 Jahre, Planer, Handwerker und Nutzer würden von Anfang an eng miteinander statt wie bei anderen Modellen oft gegeneinander oder aneinander vorbei arbeiten.
Er sei stolz, das größte Bauvorhaben in der Region machen zu dürfen, sagte Wolfgang Müller, der Geschäftsführer der Bauunternehmung Georg Reisch GmbH & Co. KG. Das Modell sei ein „optimales Gesamtpaket unter Berücksichtigung des Lebenszyklus“. Früher hätten sich Bauunternehmen nie Gedanken über die Zeit nach der Gewährleistung gemacht, jetzt garantiere sein Unternehmen die Verbräuche für das Gebäude für jedes Jahr. „Wenn der Betrieb für 25 Jahre Teil des Auftrags ist, führt das zu einem ganz anderen Denken.“ Natürlich sei dieses Modell keine allgemeingültige Lösung, so Müller „man muss genau gucken, ob es passt“. Die Firma Reisch hat sich inzwischen schon mit einer ganzen Reihe von ÖPP-Projekten einen Namen gemacht, unter anderem mit der Pachelbel Schule in Nürnberg, der Außenstelle Lenting des Landrats Eichstätt oder ganz aktuell mit der neuen Spielstätte für das Staatstheater Nürnberg in der Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände.
Exkursion macht Hoffnung
Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Stuttgart war die Exkursion ein voller Erfolg. „Es wurde deutlich, dass Bauprojekte in der Bildungsinfrastruktur auch effizient und kostensicher realisiert werden können. In Stuttgart hingegen stocken wir seit Monaten“, so einer der Mitgereisten.
Der Vorstand des Fördervereins hofft, mit Hilfe der in Sigmaringen gewonnenen Erkenntnisse „die langwierigen Prozesse in Stuttgart zu beschleunigen“ und „die Stadt Stuttgart zum Handeln zu bewegen“.
In der nach der Exkursion veröffentlichten Pressemitteilung heißt es: „Der Schulcampus am Steinenberg ist dringend notwendig, und eine weitere Verzögerung wäre nicht nur finanziell belastend, sondern auch eine bildungspolitische Katastrophe für die Schüler und Eltern in der Region.“