Der Bunker ist eine Landmarke, die man aus großer Entfernung noch sehen kann. Ein einzigartiges Objekt mit einer unverbaubaren Lage.“ Architekt Wolf-Dieter Roetzer hat den Hochbunker gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Hans Klement gekauft. Das war im März 2011. Die Euphorie und die Ideen, wie man den Betonklotz zu einem erlebbaren und bewohnbaren Stück Geschichte umbauen könnte, waren da – es fehlten aber die entsprechenden notwendigen Unterlagen.
Zentraler Knackpunkt war die Baugenehmigung. „Mit der Besonderheit des Bunkers und der exponierten Lage gingen auch viele Auflagen einher.“ Die Bunkeroptik und die Kernelemente sollten weitestgehend erhalten bleiben. In den Plänen der beiden Architekten ist auch noch ein viertes Stockwerk auf dem Dachboden, das Penthouse, vorgesehen. Die Umnutzung wurde seitens der Stadt Stuttgart zwei Jahre lang geprüft. „Einen Bebauungsplan gab es nicht“, denn baurechtlich existierte der Bunker nicht. Bis dieser erstellt wurde, vergingen weitere vier Jahre. Und wie das in fast jeder schwäbischen Nachbarschaft der Fall ist, hatte auch hier ein Nachbar Widerspruch gegen die Umnutzung eingelegt. „Es war ein mühseliger Prozess.“ Wortwörtlich on top kam dann auch noch die Sache mit dem Dach. Das charakteristische Zeltdach des Bunkers, das den Schutzbau in Kriegszeiten als Wohnhaus tarnen sollte, sollte erhalten bleiben.


Die außergewöhnlich schöne Lage am Rand der Weinberge mit Blick auf den Neckar hat zumindest baurechtich auch ihre Tücken: Die Stadt Stuttgart forderte, dass der Weinlehrpfad weiterhin für die Besucherinnen und Besucher zugänglich bleibt. „Also vereinbarten wir einen Fuß- und Radweg am Rande des Grundstücks.“ In Stuttgart, wie zum Beispiel in Untertürkheim, wurde schon einmal ein Bunker in ein Wohnhaus umgebaut. „Der Umbau an sich ist nicht das Problem, dafür gibt es entsprechende Fachbetriebe, die das umsetzen können.“ Für PlanQuadrat Stuttgart war der Hochbunker am Zuckerberg das erste Projekt dieser Art. „Die Schwierigkeiten der vergangenen Jahre ergaben sich rein aus der besonderen Lage des Objekts.“ Und so machte das Umweltamt das Projektentwicklungsbüro auf die Schutzzone aufmerksam, die zwischen Wohnraum und Weinanbau eingehalten werden muss. „20 Meter Abstand sind vorgeschrieben“, weiß Roetzer. Damit soll verhindert werden, dass das Pflanzenschutzmittel zu den potenziellen Bewohnern herüberweht, sollten die Wengerter ihre Reben damit behandeln. „Also haben wir in den sauren Apfel gebissen.“ Über 3000 Quadratmeter Weinberg-Fläche kauften die Architekten den Besitzern der einzelnen Stückle ab, sodass sich daraus die vorgeschriebene Schutzzone ergab.
Und doch: Aus dem „sauren Apfel“ ließ sich dann ein guter Jahrgang keltern. Genauer gesagt aus den Trauben, die der eigene Weinberg dann hergab. So wurden die Architekten kurzfristig zu Hobbywinzern: Mit dem gesamten Team wurden die Trauben geernet. Am Ende konnte der Bunker-Wein vom Cannstatter Zuckerle abgefüllt werden. Ein Trollinger Rosé. „Das war eine lehrreiche Erfahrung, aber den Weinberg würden wir bei Interesse auch wieder verkaufen“, sagt Roetzer. Über ein Jahrzehnt lang haben er und sein Team viel Herzblut und Visionen in den Bunker gesteckt. Der Traum vom „Refugium für Individualisten“, wie es im Exposé der Projektentwickler heißt, muss nun jemand anderes zu Ende träumen. Warum? „Wir haben uns vom Projektentwickler und Bauträgerbüro so verändert, dass wir Objekte nur noch projektentwickelt verkaufen.“ Für den Umbau fehle das Personal.
Nun sucht PlanQuadrat Stuttgart also neue Häuslesbauer, bezwiehungsweise Hochbunkerumbauer. Sie selbst hatten in ihren Planungen fünf Wohnungen vorgesehen. 657 Quadratmeter Fläche könnten so zu einzigartigen Appartements umgebaut werden. „Fünf bombensichere Wohnungen inmitten von Weinbergen und mit Blick über das Neckartal.“
Interessenten gebe es laut Roetzer schon, mit denen man sich noch einig werden müsse. Ein ideales Projekt für einen Bauträger oder private Bauherren und -damen, die selbst in der Architekten-Szene zu Hause sind. Bebauungsplan, die Baugenehmigung, Gutachten, der Durchführungsvertrag mit der Stadt Stuttgart, die Werkplanung, Visualisierungen der künftigen Wohnungen, Fassadengestaltung, Parkplätze sowie die Pläne für Heizung, Lüftung und Sanitär – nach langem Ringen und Warten ist alles da. „Den schwierigsten Teil haben wir gemeistert.“ 1,85 Millionen Euro soll der Bunker mit dem dazugehörigen Weinberg kosten.
1,10 Meter Wand

Die Betontrenn- und sägearbeiten werden laut Roetzer die größte Herausforderung beim Umbau. 1,10 Meter dick sind die Wände. Mit einem Kernlochbohrer, einer Seilsäge und einer Hydraulikpresse könne man sich Licht in den Betonklotz holen. „Theoretisch könnte man hier im Herbst schon mit den Arbeiten loslegen – dann wäre alles nach rund einem Jahr fertig“, könnte sich der Archtitekt vorstellen.
Der Umbau eines Hochbunkers in ein ästhetisches Wohngebäude sollte mit viel Fingerspitzengefühl angefasst werden. Die Schutzbauten sind ein überdauerndes Symbol für Krieg und Zerstörung – der Hochbunker in der Zuckerbergstraße könnte nun aber so viel mehr werden. Dabei kann das Betonmonument auf eine lange Geschichte zurückblicken, die eng mit Steinhaldenfeld verbunden ist: In Stuttgart gab es im Jahr 1997 laut Verein Schutzbauten Stuttgart noch 47 Schutzbauten, zu denen Hochbunker, Tiefbunker, Stollen und Mehrzweckanlagen zählten. 74.240 Schutzplätze standen für die Bevölkerung zur Verfügung.
Seit 2008 nimmt die Zahl an Schutzplätzen ab, der Bund hat das Schutzraumkonzept aufgegeben, stellt die Bunker sukzessive außer Dienst, so dass die bundeseigenen Hochbunker vom zuständigen Amt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe entwidmet und an die Bundesanstalt für Immobilienaufgabe nach und nach zum Verkauf freigegeben wurden. In Stuttgart gibt es noch 18 Hochbunker, die inzwischen teilweise umgenutzt werden.
Der Hochbunker am Zuckerberg entstammt dem Baujahr 1941 und war auf 1305 Schutzplätze ausgelegt. Dem ging per „Führererlass“ das „Führer-Sofortprogramm“ voraus, das ab dem 10. Oktober 1940 die Errichtung tausender Luftschutzbunker im ganzen Land vorsah. Gebaut wurde vor allem in einwohnerstarken Städten, luftschutzgefährdeten Regionen und an Industrie- und Verkehrsknotenpunkten, die für die Rüstung eine zentrale Rolle spielten.
Bunker statt Keller
In Steinhaldenfeld stehen gleich zwei Hochbunker. Im zweiten in der Kolpingstraße befindet sich das Turmuhrenarchiv. Zu NS-Zeiten brachte sich hier die Bevölkerung von Steinhaldenfeld in Sicherheit. Denn die Häuser der Siedlung hatten keine Kellerräume – aber hier wohnten Priviligierte des NS-Regimes, was den Bunkerbau erklärt. Nach dem Endes des Zweiten Weltkrieges folgte die Entmilitarisierung Deutschlands, das Kriegsbauwerk verlor seinen ursprünglichen Nutzen. Genutzt wurde der Hochbunker dann aber erneut in den 1960er-Jahren als Herberge für Heimatsuchende und als Notunterkunft für Flüchtlinge in der unmittelbaren Nachkriegszeit in den 50er-Jahren. Betreut wurde das Bauwerk damals von der evangelischen Kirche. Noch heute kann man die Spuren der Bewohner an den Wänden sehen: Tapetenreste, alte Fotos und Poster. Sie sind die letzten stummen Erinnerungen derer, die hier einst gelebt haben.
Kunst im Beton
Ab 1975 diente der Hochbunker dem Süddeutschen Rundfunk als Standort für eine Sendeanlage auf dem Dach – diese wurde jedoch 2008 wieder abmontiert. Zwischenzeitlich, von 1998 bis 2008, wurde der Bunker vom Neckarsulmer Künstler Georg Mühleck genutzt. Hier fand er wohl die Inspiration, um eigene Werke zu produzieren. So entstand seine Serie „Mind Bunker“.
Danach wurde es im Bunker weniger kreativ, der Betonbau wurde als Aktenlager genutzt. Jetzt ist die Zeit reif für einen neuen Sinn im „Leben“ des Hochbunkers. Nathalie Kauder
ERINNERN GEGEN DIE ZEIT
Hochbunker sind Bauwerke, die eindrücklich über Jahrzehnte hinweg an eine Epoche erinnern, die zunehmend in Vergessenheit gerät. Gegen das Vergessen setzt sich der Verein Schutzbauten Stuttgart ein. Vor allem auch als Mahnung für künftige Generationen. Durch die Vereinsarbeit sollen die Folgen von Krieg und Tyrannei sachlich aufgezeigt werden. Besuchern, die sich auf Spurensuche durch die Bunkergeschichte machen, soll klar werden, welches Leid diese Epoche mit sich brachte. Oberstes Ziel des Vereins ist es, Geschichte erlebbar zu machen und daraus zu lernen. Für Interessierte führt der Verein Führungen in einzelnen Bauwerken durch und informiert dabei über die frühere und heutige Nutzung. Zahlreiche Exponate erläutern die Geschichte und machen sie dadurch lebendig. Die Eintrittsgelder werden vor allem in Exponate, den Erhalt und die Pflege der Schutzbauten investiert.
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