Die Seelbergstraße in Bad Cannstatt war einst eine beliebte Einkaufsmeile. Sogar ein privat geführtes Kaufhaus gab es an der Verbindungsstraße zwischen dem Wilhelmsplatz und dem Einkaufszentrum Carré. Viele Jahre fristete die Seelbergstraße dann ein Schattendasein – als Parkplatz für Besucher von Arztpraxen und diversen Kneipen und Cafés. Mit der Pop-up-Fußgängerzone, die anlässlich der Fußball-Europameisterschaft entstanden ist, hat sich zumindest optisch schon einiges verändert.
Die Fußball-EM im eigenen Land – mit fünf Spielen in der Cannstatter MHP Arena – hat dem äußeren Stadtbezirk, der so viel Tradition und Vergangenheit hat, gut getan. Vor allem im Bahnhofsquartier ist einiges passiert, obschon die Bauarbeiten noch längst nicht abgeschlossen sind.
Schneller ging die Neuordnung der Seelbergstraße, wo aus tristem – und illegalem – Parkraum eine Wohlfühlzone mit Abstrichen für Fußgänger entstanden ist.
Täglich sind rund 12 000 Fußgänger zwischen dem Carré Bad Cannstatt und der Altstadt unterwegs. Es herrscht also ausreichend Fußverkehr, um den Bereich zwischen dem Wilhelmsplatz und der Frösnerstraße zu einer sogenannten Pop-up-Fußgängerzone zu erklären. Das bedeutet, die Umnutzung ist ein Verkehrsversuch und gilt zunächst einmal für zwei Jahre. Sollte sich das neue Konzept bewähren, kann aber aus der Interims- eine Dauerlösung werden.
Dort, wo noch vor einigen Monaten – unerlaubt – Fahrzeuge mal kürzer und mal länger hingestellt wurden, sitzen jetzt Menschen in der Sonne. Die Gastronomen bespielen die Straße mit Mobiliar und viel Grün – auch wenn die Flächen für die Straßenbewirtschaftung verglichen mit den ersten Plänen schließlich doch noch reduziert wurden – und bringen bei sommerlichen Temperaturen südliches Flair nach Bad Cannstatt.
Südliches Flair in Bad Cannstatt
Es hat sich einiges getan, nicht nur was die Aufwertung durch die Außengastronomie betrifft. Die Radbügel und Stellplätze wurden neu geordnet und Platz für E-Scooter-Abstellflächen geschaffen. Dabei wurde versucht, Aufwand und Kosten – sie liegen insgesamt bei rund 325 000 Euro – so gering wie möglich zu halten. Neben der umfangreichen Beschilderung ist die Fahrbahngestaltung ein wichtiges Element. Und eigentlich sind die quadratischen Klinkerflächen auch nicht zu übersehen.
Doch noch verirren sich oft genug Pkws in den für Fußgänger vorbehaltenen Bereich in Richtung Wilhelmsplatz. Doch weil eine Ausfahrt in die Waiblinger Straße – anders als die Einfahrt von Richtung König-Karl-Straße in die Seelbergstraße – noch immer möglich ist, finden sie meist auch schnell wieder heraus. So mancher allerdings versäumt es nicht, vorher mit den Armen zu fuchteln oder gar zu hupen, wenn ein Passant nicht schnell genug aus dem Weg geht. Noch hat eben nicht jeder verstanden, dass hier jetzt eine Fußgängerzone ist.
Doch, Fakt ist auch: Die Zahl der Autos hat sich verglichen mit früher drastisch verringert. Und schließlich war dem Bezirksbeirat wichtig, dass die Zufahrt zu den privaten Stellplätzen sowie der Lieferverkehr in der Zeit von 8 bis 11 Uhr in Fahrtrichtung Waiblinger Straße weiterhin möglich ist.
Dem illegalen Parken auf der südwestlichen Seite der Straße wurde durch die Umgestaltung ein Riegel vorgeschoben. Die baulichen Hindernisse in Form von massiven Quadern neben dem Bürgersteig, die auch als Sitzgelegenheiten dienen, lassen keinen Platz für Parkmanöver – auch nicht mit elektronischem Park-Assist-System. Das lässt sich die Stadt einiges kosten, denn die Seelbergstraße war ein Hotspot für Falschparker und damit auch ein unerschöpflicher Geldfluss in die kommunale Kasse. Denn obschon es Strafzettel hagelte, war vor allem an Wochenenden die südwestliche Seite oft komplett zugeparkt. Auch werktags wurden Fahrzeuge oft sogar bis in den Kreuzungsbereich mit der Waiblinger Straße hinein abgestellt. Die acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung kontrollierten mehrmals täglich in der Straße, doch die Stadt bekam das Problem nicht in den Griff. Mit im Durchschnitt 2000 Knöllchen pro Jahr war die Seelbergstraße eine der Parksünder-Hochburgen in der Landeshauptstadt. Das ist jetzt durch die Fußgängerzone wohl Geschichte, wobei die Verkehrsbehörde sehr viel rigoroser vorgehen kann, wenn jetzt das Parkverbot dort ignoriert wird. Eva Herschmann